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# taz.de -- 80 Jahre Befreiung: Schwierige Annäherung
> Die Bundeswehr hat ein wechselhaftes Verhältnis zum 8. Mai. Die
> Streitkräfte werden bis heute immer wieder von der
> Wehrmachtsvergangenheit eingeholt.
Bild: Bundespräsident von Weizsäcker am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag
Der [1][8. Mai] war lange kein einfacher Tag für die Bundeswehr.
Schließlich waren es ehemalige Soldaten genau der Armee, die 1945
kapitulieren musste, die die Bundeswehr aufgebaut hatten. Wenn also der
Inspekteur der Marine Andreas Krause vor fünf Jahren, zum 75. Jahrestag, in
einem Brief an die Soldatinnen und Soldaten wie selbstverständlich vom Tag
der „Befreiung unseres Landes von der nationalsozialistischen Diktatur“
schreibt, dann ist das das Ergebnis eines langen Wandels – und sehr
langsamen Wandels, der bezeichnenderweise erst eintrat, nachdem die alten
Weltkriegsteilnehmer weg- beziehungsweise in den Ruhestand getreten waren.
Wie die Stimmung früher war – in der Bundeswehr wie in der Bundesrepublik
–, zeigte sich bei der Rede Richard von Weizsäckers 1985. Zum 40. Jahrestag
hatte der damalige Bundespräsident den 8. Mai 1945 doch tatsächlich als
„Tag der Befreiung“ bezeichnet. „Das war für viele ein Schlag vor den
Kopf“, erinnert sich Wolfram Wette. Gerade für die Täter, die Mitläufer,
für alle, die das NS-Regime mitgetragen haben, sei der 8. Mai eben kein
positives Ereignis gewesen, sagt der 84-jährige Historiker und
Friedensforscher, der jahrelang am Militärgeschichtlichen Forschungsamt
(MGFA) der Bundeswehr in Freiburg gearbeitete.
Damals hagelte es Kritik an Weizsäcker, unter anderem von CDU-Rechtsaußen
Alfred Dregger und dem bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Franz-Josef
Strauß. „Nirgendwo war die Ablehnung so entschieden wie in der CSU und der
Führung der Bundeswehr“, erinnert sich heute Jakob Knab. Der 73-Jährige
setzt sich seit Langem dafür ein, Kasernen der Bundeswehr nicht mehr nach
belasteten Wehrmachtsangehörigen zu benennen. Der Publizist Ralph Giordano
würdigte ihn deshalb in seinen Erinnerungen als einen „der raren
Alltagshelden der Republik“.
## Kasernen wurden nach NS-Offizieren benannt
Dabei hatte der 8. Mai 1945 zunächst mal ganz konkret dazu geführt, dass
Deutschland für zehn Jahre keine Armee mehr hatte. Erst 1955 wurde die
Bundeswehr aufgestellt, in der DDR 1956 die Nationale Volksarmee. Neben
neuen Wehrpflichtigen setzte die Bundeswehr dabei auf ehemalige
Wehrmachtsangehörige – was Folgen hatte: „Die Probleme begannen mit dem
alten Personal“, sagt Wolfram Wette: „In den 50er und späten 60er Jahren
war der Drang im Offizierskorps sehr groß, sich an der vergangenen Größe zu
erfreuen.“
So bekamen Kasernen Namen etwa von Wehrmachtshelden oder NS-Offizieren.
Ideologisch hätten die ehemaligen Wehrmachtsoffiziere „zeitlose soldatische
Tugenden“ und „ewige Werte des deutschen Soldatentums“ beschworen, sagt
Jakob Knab. So sollte die Verstrickung in den nationalsozialistischen
Terror relativiert und die Wehrmachtsangehörigen gleichsam entnazifiziert
werden.
Die Bundeswehr, anfangs sogar als „neue Wehrmacht“ bezeichnet, bekam mit
der Inneren Führung allerdings eine neue Führungsphilosophie, die auf den
Soldaten als Staatsbürger in Uniform setzte. Ab 1965 regelte ein
Traditionserlass die Brauchtumspflege, klare Aussagen zur Wehrmacht fehlten
dort aber. Erst in der Neufassung von 1982 wurde klargestellt, dass ein
„Unrechtsregime, wie das Dritte Reich“ „Tradition nicht begründen“ kö…
Das Thema blieb umstritten zwischen Reformern und Traditionalisten: „Die
Reformkräfte um Wolf Graf von Baudissin hatten nie eine echte Mehrheit in
der Bundeswehr“, urteilt Historiker Wette.
## Faktische Rehabilitierung von NS-Helden
Erst ab den 1990er Jahren und nur nach großem zivilgesellschaftlichem Druck
wurden Kasernen umbenannt. Als eine Bürgerinitiative forderte, die
Generaloberst-Dietl-Kaserne in Füssen umzubenennen, habe der
Standortälteste sie als „unzufriedene, ja beinahe unwürdige Staatsbürger“
abqualifiziert, erinnert sich Jakob Knab. 1995 wurde diese dann doch zur
Allgäu-Kaserne und der Name des überzeugten NS-Offiziers Eduard Dietl
gestrichen. Rund zwanzig Kasernen wurden seither umbenannt, meist wegen
„fehlendem Wertebezug“, so der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages.
Bis heute wird die Bundeswehr immer wieder von der Vergangenheit der
deutschen Streitkräfte eingeholt, zuletzt im Sommer 2024. Damals wurde im
Verteidigungsministerium eine nicht-öffentliche Ergänzung zum
Traditionserlass erstellt, die den Erlass praktisch ins Gegenteil
verkehrte.
Nun sollten auch Wehrmachtssoldaten, die beim Aufbau der Bundeswehr
mitgewirkt hatten, traditionswürdig sein – egal, was sie in der Wehrmacht
gemacht hatten. Das lief auf eine faktische Rehabilitierung so mancher
Helden der NS-Kriegspropaganda hinaus. [2][Nachdem die taz über das Papier
berichtet hatte], war der Aufschrei allerdings groß und das
Verteidigungsministerium [3][kassierte die Ergänzung schnell wieder ein].
Der Fall zeigt einmal mehr: Der Traditionalismus in der Bundeswehr lebt
weiter, auch ohne die eigentlichen Traditionalisten.
8 May 2025
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Tag-der-Befreiung/!t5464156
[2] /Traditionserlass-bei-der-Bundeswehr/!6028911
[3] /Erweiterter-Traditionserlass-gekippt/!6030283
## AUTOREN
Dirk Eckert
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Bundeswehr
Wehrmacht
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Schwerpunkt Nationalsozialismus
Geschichtsaufarbeitung
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