| # taz.de -- Umgang mit zugewanderten Jugendlichen: Junge Männer brauchen Vorbi… | |
| > Teenager sind eine Aufgabe für uns alle, die in einer Gesellschaft | |
| > zusammenhalten wollen – ganz egal, ob sie aus Damaskus oder Blankenese | |
| > kommen. | |
| Bild: Erziehungsauftrag: Als Gesellschaft tragen wir für alle Jugendlichen Ver… | |
| Eine Bekannte erzählte mir mal die Geschichte einer geflüchteten Mutter, | |
| die alleine mit ihren fünf Kindern nach Deutschland geflohen ist. Der | |
| älteste Sohn ist im Teenageralter und lässt sich gar nichts mehr sagen, | |
| weder von seiner Mutter, noch von Lehrkräften, und ganz bestimmt nicht von | |
| meiner Bekannten, die die Familie ehrenamtlich unterstützt. Der Junge wird | |
| immer aggressiver, er glaubt, er wäre erwachsen und könnte nun die Familie | |
| führen. | |
| Hier treffen zwei Stürme aufeinander: einmal die Herausforderungen vieler | |
| Teenagereltern. Ohne dieses selbst erlebt zu haben: Man braucht einen | |
| langen Atem, Verständnis, Liebe – und Grenzen. Für eine alleinerziehende, | |
| geflüchtete Mutter kommt jedoch noch hinzu, dass der Sohn weder innerhalb | |
| der Familie noch außerhalb ein Vorbild hat. Also jemanden, den er liebt, | |
| dem er vertraut und der ihm durch sein Verhalten gesellschaftliche Werte | |
| vermittelt. | |
| Ja, ich habe absichtlich „sein“ geschrieben – denn ich glaube, dass | |
| heranwachsende junge Männer männliche Vorbilder brauchen. In Syrien | |
| übernimmt, wenn der Vater fehlt, meist ein Onkel – väterlicherseits (’amm) | |
| oder mütterlicherseits (khāl) – diese Rolle. Fehlt auch er, springen oft | |
| andere Verwandte oder Nachbarn ein. Viele Menschen tragen einen | |
| Jugendlichen mit. | |
| Doch wie funktioniert das hier in Deutschland, für eine geflüchtete oder | |
| eingewanderte Familie? Ich weiß es zu schätzen, dass der Staat und die | |
| Zivilgesellschaft soziale Netzwerke außerhalb der Familie anbieten: | |
| Patenschaftsprojekte, Sportvereine, Jugendtreffs, Kurse, | |
| Eltern-Kind-Zentren. Sie können die Mutter unterstützen, den Teenager „an | |
| die Hand nehmen“. Aber woran liegt es, dass Teenager trotzdem mit den | |
| Normen brechen und es ihnen augenscheinlich egal ist? | |
| ## Jeder verdient die gleichen Chancen | |
| Hier kommt dem einen oder der anderen vielleicht nun das „Pascha“-Bild in | |
| den Kopf. Ja, auch wenn es das ungemütlich macht, nach [1][so vielen Jahren | |
| destruktiver Debattenkultur] über Migration und Flucht suchen viele von uns | |
| die Erklärung in der Herkunft von Menschen. | |
| Nicht nur [2][rechtspopulistische Stimmen] schieben die Verantwortung gern | |
| „der Kultur“ zu. Wenn so über syrische Jugendliche gesprochen wird, dann | |
| höre ich da manchmal die Schuldzuweisung an die Eltern, mal an die | |
| Religion, mal einfach an die ganze arabische Welt. Das sind auch nur, je | |
| nach Definition, knapp 445 Millionen Menschen. | |
| Doch letztlich sind diese Teenager doch eine Aufgabe für uns alle, die in | |
| einer Gesellschaft zusammenhalten wollen. Wir können tragfähige Netze für | |
| Neuangekommene knüpfen – nicht (nur) auf der Basis einer kurzlebigen | |
| „Willkommenskultur“, sondern weil jeder Jugendliche die gleichen Chancen | |
| auf Orientierung verdient –, egal ob [3][„Talahon“, wie migrantische Jung… | |
| heutzutage oft abschätzig genannt werden], oder Blankeneser Sprössling. | |
| Mir kommt da noch eine Szene in den Sinn. Kürzlich stiegen fünf Jungs in | |
| die volle U-Bahn, etwa 14 bis 16 Jahre alt, sportlich gekleidet mit großen | |
| Taschen. Alle aßen Döner – in der Bahn. Das reichte schon für ein paar | |
| Blicke von den anderen Fahrgästen, aber erst als einem der Jungs ziemlich | |
| viel Döner-Inhalt auf den Boden tropfte, sprach ihn eine Frau an. | |
| Sie sagte vorsichtig etwas wie: „Da ist ganz schön was rausgefallen, ne?“. | |
| Der Junge schaute auf den Boden, dann zu der Frau und erwiderte: „Ist doch | |
| nur ein Stück Gurke.“ Danach schwiegen wir Erwachsenen, starrten auf den | |
| Abfall am Boden, und die Jungs sprachen über Sport und mampften ihre Döner | |
| weiter. | |
| ## Das Vorurteil im Kopf | |
| Welches Bild hast du jetzt im Kopf? Und verändert sich das, wenn ich dir | |
| sage, dass die Jungs Deutsch sprachen, am Lattenkamp einstiegen und an der | |
| Station Hallerstraße, mitten im feinen Harvestehude wieder ausstiegen? Und | |
| dass sie alle Hockeykleidung und -schläger dabei hatten? | |
| Ich frage mich, wie die anderen Fahrgäste reagiert hätten, wenn das fünf | |
| deutsch-syrische Jugendliche gewesen wären. | |
| Ich bleibe also bei meiner Einschätzung: Wir tragen ein Stück weit | |
| gemeinsam Verantwortung für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft. | |
| Die Frage ist nur, ob wir bereit sind, diese wahrzunehmen. | |
| 3 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hussam Al Zaher | |
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