# taz.de -- Die Wahrheit: Warum ich Papst werden muss | |
> Offener Brief an den Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, Piazza San | |
> Pietro 666, Vatikanstadt, Rom. Betrifft: Bewerbung zu einem interessanten | |
> Amt. | |
Euer Eminenz, hoch verehrter Monsignore, lieber Pietro Parolin, | |
wie ich auf Radio Vatikan, meinem absoluten Lieblingssender, gehört habe, | |
brauchen Sie in Rom einen neuen Boss. Und weil Sie offenbar das | |
Papstwahlkomitee leiten, möchte ich Sie bitten, meine Bewerbung ernsthaft | |
in Betracht zu ziehen. Vor allem möchte ich eins: Papst werden. Deshalb | |
will ich ehrlich zu Ihnen sein: Mir ist diese Bewerbung eine innere | |
Notwendigkeit. | |
Andere würden sagen, sie hätten eine Erleuchtung gehabt, ein | |
Damaskus-Erlebnis, einen Pfingst-Schwipps, eine Vision oder Ähnliches. Ich | |
kann das alles nachvollziehen und mir vorstellen, wie das passieren konnte. | |
Manchmal kostet man eben irgendwelche Sachen, mache ich bei Gelegenheit | |
auch und hoffe dann, dass sie gut war, die Gelegenheit. Gesehen habe ich in | |
solchen Momenten innerer Klarheit und äußerer Verkommenheit schon so | |
einiges, doch Gott oder wenigstens einer seiner Handlanger ist mir dabei | |
nie erschienen. Oder ich kann mich nicht daran erinnern. | |
Ich finde das bedauerlich, ich hätte durchaus Fragen an Ihren obersten | |
Chef: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Ist das noch Tarifzone AB oder | |
brauche ich dafür ein Anschlussticket? Ich hege nämlich die Befürchtung, | |
dass, wenn ich Gott schon mal treffe, dies in einer absolut ungünstigen | |
Situation geschehen wird, in der ich gar nicht mit ihm rechne. | |
Möglicherweise bin ich leicht neben der Spur, weil zum Beispiel gerade | |
gestorben. | |
Vielleicht ließe sich das ja alles vorher klären. Daher suche ich lieber | |
aktiv möglichst nahen Kontakt zu ihm. Eben als sein Stellvertreter auf | |
Erden. Und ich möchte ganz offen und ehrlich sein: Mir geht es auch um das | |
gesellschaftliche Ansehen. Zwar gibt es viele Menschen, die den Papst – | |
ja, man muss es so hart sagen – nicht erträglich finden, aber auch daran | |
lässt sich vielleicht, nein, bestimmt etwas ändern. Die Details möchte ich | |
mir für die Zeit nach meiner Ernennung aufheben. Lassen Sie sich einfach | |
überraschen, Euer Eminenz! Sie werden staunen. | |
Das Amt des Papstes polarisiert selbstverständlich, niemand kann jedoch | |
ernsthaft bestreiten, dass es ein wunderbarer Posten ist. Danach kommt | |
nicht mehr viel. Höchstens das Amt des SPD-Chefs. Doch dafür müsste ich | |
wohl SPD-Mitglied werden. Und das wäre mir wahrlich zu peinlich. Das | |
verstehen Sie gewiss. Sie sind ja Katholik. Ist bestimmt auch kein tolles | |
Gefühl. | |
Papstsein dagegen wäre genau mein Ding: Man kommt viel rum in der Welt, | |
trifft interessante Menschen, darf immerzu reden, mitunter auch | |
unverständlich brabbeln, aber im Fernsehen wird es trotzdem übertragen, | |
oftmals sogar live. Ich würde den Job liebend gern machen, selbst im | |
Winter, in den Weihnachtsferien ist ja viel los bei Ihnen im Süden. Ich | |
würde mir dann ohne allzu große Gefühle von Peinlichkeit einfach mal eine | |
lange Unterhose anziehen, denn unter einem Papstkittel ist es bestimmt | |
recht luftig. | |
Reizvoll wäre es jedenfalls, auch privat in die Fußstapfen des Papstes zu | |
treten, der sicher abends seinen Poncho überwirft und bei Bier und Pizza | |
mit ein paar Kumpels abhängt, um Fußball zu gucken oder einfach nur ein | |
paar Papstwitze zu erzählen. Man weiß ja nicht genau, was ein Papst | |
eigentlich nach Feierabend macht. Womöglich hüpfte Franziskus permanent | |
durch seine dreihundert Gemächer und sah deshalb tagsüber so erschöpft aus. | |
Ich würde die Aufgabe jedenfalls sehr gern übernehmen und ein paar lustige | |
Spielchen für das Konklave einführen: Die Reise ins himmlische Jerusalem | |
zum Beispiel. Oder: Wer kann am besten über Wasser laufen? Einen Pool | |
werden Sie ja wohl haben? Wenn nicht, wäre das eine meiner ersten | |
Amtshandlungen: der Aushub eines heiligen Pools. Und in den würde ich so | |
lange Salz kippen, bis selbst der dickste Kardinal nicht mehr untergehen | |
kann. Na, wie finden Sie das, Monsignore? Klingt das nicht verlockend? | |
Zugegeben, ich bin ein Quereinsteiger. Und ich bin jung, na ja, gut, knapp | |
über 50. Ich weiß, wo der Himmel liegt, ich kann eine Bibel von einem | |
Telefonbuch unterscheiden, und ich gehöre einer Bevölkerungsgruppe an, die | |
noch nie einen Papst gestellt hat. Ich bin kein Katholik! Setzen Sie ein | |
Zeichen, Monsignore Parolin! Die Zeit der Diskriminierung ist endgültig | |
vorbei! Warum also warten? Lassen Sie endlich weißen Rauch aus dem | |
Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufsteigen, rufen Sie: „Habemus | |
Thilum!“, und es wird mir ein Wohlgefallen sein. | |
Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören, und sende Ihnen einstweilen | |
meinen irdischen Segen, ciao ragazzo! Ihr ergebener Thilo Bock. | |
29 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Thilo Bock | |
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