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# taz.de -- Lehrkräftemangel in Brandenburg: Non scholae sed vitae discimus
> Geht es nach SPD und BSW, müssen Lehrer*innen in Brandenburg künftig
> wöchentlich eine Stunde mehr unterrichten. Die GEW will das nicht
> hinnehmen.
Bild: Auch Lehrer*innen lernen fürs Leben statt für die Schule. Etwa, dass si…
Berlin taz | „Lehren. Leben. Brandenburg.“ Das war das [1][Motto einer
Werbekampagne], mit der Brandenburg vor knapp einem Jahr Verstärkung für
seine Schulen gesucht hat. Das Bildungsministerium in Potsdam wollte damit
Student*innen, Seiteneinsteiger*innen und Lehrer*innen im
Ruhestand ansprechen und für den Schuldienst in Brandenburg gewinnen.
Nun macht sich [2][die seit Dezember amtierende Koalition aus SPD und BSW]
an den Entwurf des Haushalts. Besser gesagt, den Entwurf für die
Haushaltskürzungen. Und auch der Bildungsbereich soll demnach sparen. Im
Raum steht, dass Brandenburger Lehrer*innen künftig eine Stunde mehr
arbeiten sollen. Der Entwurf ist am Donnerstag im Landtag in die erste
Lesung gegangen.
Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert die Pläne
vehement. „Das ist eine nicht hinnehmbare unbefristete
Arbeitszeiterhöhung“, heißt es von der GEW, die [3][für den 21. Mai auch zu
einer Großdemo gegen die Sparpläne] in Potsdam mobilisiert. Die
Landtagsabgeordneten fordert die Gewerkschaft dazu auf, den Entwurf von SPD
und BSW abzulehnen.
Konkret laufen die Pläne darauf hinaus, dass Lehrer*innen an
Grundschulen bei einer vollen Stelle 28 Stunden unterrichten, an
Oberschulen, Gesamtschulen und Gymnasien wären es 26 Stunden. Damit kämen
Lehrer*innen in Brandenburg auf genauso viele Stunden [4][wie ihre
überlasteten Kolleg*innen in Berlin].
## Bildungsgewerkschaft läuft Sturm
Die GEW will die Sparpläne nicht hinnehmen. „Es ist ein Unding: Das sind
Beschlüsse, die stehen diametral gegen das, was sie vor der Wahl gesagt
haben“, sagt der Landesvorsitzende Günther Fuchs. Die Regierung in Potsdam
stellt zwar zugleich in Aussicht, dass Lehrer*innen von anderen,
unterrichtsfernen Aufgaben entlastet werden sollen. Doch auch das überzeugt
Fuchs nicht. „Man verordnet die Stundenerhöhung einfach, und guckt dann, wo
können wir entlasten“, kritisiert er. „Das macht keinen Sinn.“
Dazu kommt, dass Brandenburg vor einem Jahr – unter der vorherigen
Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen – noch [5][eine Vereinbarung zur
Entlastung von Lehrer*innen] getroffen hatte. „Die Entlastung sollte auf
der Grundlage der Bedingungen vor einem Jahr stattfinden“, sagt Fuchs,
„nicht aufgrund der nun angekündigten Arbeitszeiterhöhung.“
Zwischenzeitlich hatte das SPD-geführte Bildungsministerium außerdem
verkündet, dass aktuell keine Lehrer*innen mehr eingestellt werden
könnten. Das sei ein „Moratorium“ gewesen, ein kurzes Innehalten, um die
Zahlen einmal genau zu erheben, heißt es vom Bildungsministerium. Seit dem
9. April seien Einstellungen wieder möglich, bestätigte das Ministerium auf
Nachfrage.
Günther Fuchs sieht im Vorgehen der Landesregierung „eine neue Art des
Umgangs“. Bisher habe die GEW mit dem Land gemeinsam nach Lösungen gesucht.
„Das scheint diese Regierung nicht zu wollen“, sagt er. Und er fürchtet:
„Wir werden als Land immer unattraktiver.“ Junge Lehrer*innen könnten
sich angesichts der Sparvorgaben und der Arbeitszeiterhöhung umorientieren
und in andere Bundesländer gehen. „Das bedeutet, dass Schulen, die bereits
Zusagen hatten, nun noch mal neu suchen oder Lehrer*innen versetzen
müssen“, sagt er.
Der GEW-Chef meint zudem, dass durch die Verpflichtung zu einer weiteren
Unterrichtsstunde kaum mehr Unterricht zu erwarten sei. Denn: „Bereits
eingestellte Lehrer*innen könnten vermehrt in Teilzeit gehen.“ Auch der
Krankenstand sei bereits jetzt hoch.
## BSW-Finanzminister Crumbach wiegelt ab
Unterdessen prescht BSW-Landeschef und Finanzminister Robert Crumbach mit
weiteren Forderungen vor. In einem [6][Interview mit dem Tagesspiegel]
sagte er, er finde die eine Stunde „nicht dramatisch“. Auch kündigte er an,
dass in die Anpassungen auch die unterrichteten Fächer miteinbezogen werden
könnten. Lehrer*innen für Fächer mit hohem Korrekturaufwand könnten
demnach weniger Stunden zugeteilt bekommen als etwa Sportlehrer*innen.
Crumbach fordert darüber hinaus, dass die Arbeitszeiten von Lehrer*innen
erst mal „richtig“ erfasst werden: „Das ist ohnehin eine europarechtliche
Vorgabe.“ Und ein alter Hut. Die Gewerkschaften sprechen sich schon seit
Langem für eine Arbeitszeiterfassung aus.
Doch die Landesregierungen zeigten in dieser Angelegenheit bisher kaum
ernsthafte Ambitionen. Schließlich könnte sich so herausstellen, dass die
Arbeitszeiten über den rechtlich zulässigen Werten liegen. „Es gibt
Untersuchungen. Aber die zeigen immer das Gegenteil: dass Lehrer*innen
nämlich viel zu lang arbeiten und dass freie Zeiten die Belastungsspitzen
und die Länge der Arbeit nicht ausgleichen“, sagt GEW-Chef Fuchs.
Die Universität Osnabrück hat im vergangenen Schuljahr eine repräsentative
Studie unter Lehrer*innen in Berlin durchgeführt, deren Ergebnisse die
Forscher Anfang Juni veröffentlichen werden. Eine ähnliche Studie gab es
2024 in Hamburg. In Niedersachsen hatte die dortige GEW bereits
herausgearbeitet, dass Schulleiter*innen oft [7][mehr als 50
Wochenstunden arbeiten], vorgesehen sind für Beamt*innen mit einer
Vollzeitstelle 40 Wochenstunden. Darin sind arbeitsfreie Ferienzeiten
berücksichtigt. Dieses Ergebnis sei auch relevant für Lehrer*innen, sagt
die dortige GEW.
Was die Brandenburger Forderung brisant macht: Eine weitere
Unterrichtsstunde bedeutet für Lehrer*innen keineswegs nur 45 Minuten
Mehrarbeit. Für Lehrer*innen geht damit auch deutlich mehr Vor- und
Nachbereitungszeit für die Unterrichtsplanung einher, sie haben eventuell
mehr Klassenkonferenzen und mehr Korrekturarbeit.
10 Apr 2025
## LINKS
[1] https://mbjs.brandenburg.de/aktuelles/pressemitteilungen.html?news=brandenb…
[2] /Neue-Regierung-in-Brandenburg/!6055830
[3] https://www.gew-brandenburg.de/2025/04/grossdemo-gegen-die-beabsichtigte-ar…
[4] /Lehrermangel-in-Berlin/!6076380
[5] https://bildungsklick.de/schule/detail/mehr-zeit-fuer-guten-unterricht-bran…
[6] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/brandenburgs-bsw-finanzmini…
[7] https://www.gew-nds.de/aktuelles/detailseite/ovg-verfahren-zur-arbeitszeite…
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
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