# taz.de -- Filmemacherin über Doku „Blinder Fleck“: „Ich gebe den Betro… | |
> Es gibt Menschen, die erinnerten sich an Missbrauch in ihrer Kindheit, | |
> aber die Justiz kann nichts finden. Liz Wieskerstrauch lässt sie zu Wort | |
> kommen. | |
Bild: Schreckliche Erinnerungen: Nachgestellte Verhörszene mit der Darstelleri… | |
taz: Frau Wieskerstrauch, was ist der „blinde Fleck“, über den Sie diesen | |
Film gemacht haben? | |
Liz Wieskerstrauch: Es geht darin um Menschen, die unter dissoziativen | |
Identitätsstörungen leiden. Das ist eine Traumafolgestörung, bei der | |
Erinnerungen abgespalten werden. Dies ist eine Überlebensstrategie des | |
Gehirns, die genial ist, aber den Nachteil hat, dass die Menschen diese | |
innere Aufspaltung ihr ganzes Leben lang behalten und darum | |
Erinnerungslücken haben. | |
taz: Und sehr oft erinnern sich diese Frauen an ritualisierte sexuelle | |
Gewalt in ihrer Kindheit. Was verstehen Sie darunter? | |
Wieskerstrauch: Es ist erwiesen, dass es pädokriminelle Organisationen | |
gibt, die kinderpornografische Aufnahmen produzieren, mit denen [1][sich | |
Kriminalbeamte weltweit beschäftigen müssen]. Die Kinder darin müssen lange | |
trainiert werden, um dann so zu funktionieren, wie die das brauchen. | |
taz: Und der blinde Fleck besteht darin, dass diesen Frauen meist nicht | |
geglaubt wird? | |
Wieskerstrauch: Ja! Es gibt unfassbar viele Menschen, die solche | |
Erinnerungen haben, und ich thematisiere das deshalb, weil es keine einzige | |
wissenschaftliche Studie gibt, die erklärt, wo das alles herkommen kann, | |
wenn es nicht wahrheitsbasiert ist. | |
taz: Sie haben vor 20 Jahren schon einmal für die ARD eine zweiteilige | |
Dokumentation zu diesem Thema mit dem Titel [2][„Höllenleben“] gemacht. Gab | |
es danach juristische Konsequenzen? | |
Wieskerstrauch: Es wurden Ermittlungen in Gang gebracht, die dann aber zu | |
nichts führten. Die Menschen erinnerten sich an schwerste Gewalt in | |
frühester Kindheit aber die Justiz konnte nichts finden. | |
taz: In Ihrem Film befragen Sie den renommierten [3][Fallanalytiker Axel | |
Petermann] und auch der sagt, dass er intensiv zu diesem Thema ermittelte | |
und dennoch keine Belege für Verbrechen gefunden hat. Unterminieren Sie | |
damit nicht selber ihre Grundthese von einer weitverbreiteten | |
ritualisierten Gewalt? | |
Wieskerstrauch: Es ist wichtig, dass man bei solch einem Film auch die | |
Infragestellung mit einbaut und immer alles selber hinterfragt. Das gilt | |
auch für das Gespräch mit der Opferanwältin Ellen Engel, die ja auch | |
vorsichtig ist und nicht alles ein zu eins übernimmt. Das halte ich für die | |
richtige Haltung. | |
taz: Glauben Sie, dass im Vergleich zu den Publikumsreaktionen vor 20 | |
Jahren den Frauen nach dem Paradigmenwechsel durch die [4][Me-Too-Bewegung] | |
jetzt mehr geglaubt wird? | |
Wieskerstrauch: Im Gegenteil! Als die Dokumentation damals in der ARD | |
gesendet wurde gab es eine überraschend hohe Einschaltquote und nur | |
positive Kritik von allen Seiten. Jetzt ist es so, dass ich alleine | |
dadurch, dass ich den Betroffenen ein Sprachrohr gebe, eine | |
Verschwörungstheoretikerin genannt werde. Aber ich möchte im | |
journalistischen Sinn ausgewogen sein. Natürlich bin ich empathisch auf der | |
Seite der Betroffenen. Auch weil die Kritiker diese Frauen gerne lächerlich | |
machen. Aber wenn es tatsächlich einmal wissenschaftlich erwiesen würde, | |
dass diese Erinnerungen nur Hirngespinste sind, dann wäre das auch für mich | |
eine große Erleichterung. Das muss aufgeklärt werden und dies ist der | |
Impuls, warum ich „Blinder Fleck“ gemacht habe. | |
Transparenzhinweis: Der Autor des Interviews, Wilfried Hippen, ist | |
Vorsitzender der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW), die den Film | |
„Blinder Fleck“ als „besonders wertvoll“ ausgezeichnet hat. An der | |
Bewertung des Films war er nicht beteiligt. Hippen kennt die Regisseurin | |
Liz Wieskerstrauch seit Längerem und hat sie in früheren Texten bereits | |
zitiert. | |
23 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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