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# taz.de -- Spielfilm über die Galapagos-Affäre 1934: Eden, ein Missverständ…
> Der Film „Eden“ zeigt das Drama deutscher Aussteiger, die sich 1934
> bekriegten. Eine Begegnung mit Margit Niedermaier, die eine der Figuren
> gut kannte.
Bild: Ist das hier das Paradies? Daniel Brühl und Sydney Sweeney als Heinz und…
Wenn man sie nach Margret Wittmer fragt, bekommt Margit Niedermaier
Herzklopfen. „Jetzt läuft es mir kalt über den Rücken“, sagt Niedermaier,
während sie beim Videocall mit dem Handy in der Hand durch ihr Haus in
Macas im Südosten von Ecuador läuft, auf der Suche nach Ruhe vor dem
Baulärm vom Nachbargrundstück. Vor allem aber nach Bildern, Briefen,
Erinnerungen. An „diese ganz liebe Frau“, die sie einst auf der
Galapagos-Insel Floreana kennenlernen durfte.
Als Teil der „Galapagos-Affäre“ hatte Wittmers Geschichte schon in den
1930ern Leser:innen in Europa und den USA fasziniert. Die Journalistin
Niedermaier brachte die längst vergriffenen Erinnerungen Wittmers Mitte der
1990er Jahre zurück auf den deutschen Buchmarkt. Nun kommt die Geschichte
ins Kino – wenn auch nicht ganz so, wie Niedermaier sich das vorgestellt
hätte.
„Eden“ heißt der Film des Oscar-prämierten Regisseurs Ron Howard. Er
erzählt [1][das Drama einer kleinen Gruppe meist deutschstämmiger
Auswander:innen], die auf der südlichsten der zu Ecuador gehörenden
Galapagos-Inseln ihr Glück suchten – und fast alle fatal scheiterten. Einer
verdurstet auf einer Insel ohne Trinkwasser, einer stirbt mutmaßlich an
einer Vergiftung, zwei verschwinden spurlos.
Da sind zum einen der Berliner Arzt Friedrich Ritter, hier gespielt von
Jude Law, und seine Lebensgefährtin Dora Strauch, die schon seit Ende der
1920er Jahren auf Floreana lebten. Sie wollten dort eine neue,
ganzheitliche, auf Vegetarierertum, Nudismus, Nietzsche und Laotse
beruhende Philosophie begründen. Ritter sitzt meist in einer kargen Hütte
an seiner Schreibmaschine und hämmert seine Traktate aufs Papier. Weil die
gern von führenden Magazinen in den USA und Europa gedruckt werden, sind
Ritter und Strauch Gesprächsthema in den Salons.
Und sie locken Nachahmer:innen an. Zum Beispiel Heinz und Margret
Wittmer aus Köln. Er hatte zuvor im Sekretariat des Kölner
Oberbürgermeisters Konrad Adenauer gearbeitet. Die Wirtschaftskrise der
späten 20er Jahre, der aufkommende Nationalsozialismus und die Krankheit
von Heinz Wittmers Sohn aus erste Ehe treiben die beiden aus dem Land, so
weit weg wie möglich.
## Verlockung am Ende der Welt
Auf die Inselgruppe im Pazifik hatte sie das 1926 erschienene Buch über
„Galapagos. Das Ende der Welt“ von William Beebe geführt. „Das stand bei
der Omi im Regal“, erinnert sich Niedermaier. Ritters Berichte hätten dann
den Ausschlag gegeben, es auf Floreana zu versuchen, wo in den
Jahrhunderten zuvor zwar immer wieder mal Piraten oder Walfänger Station
gemacht hatten, alle Versuche einer echten Besiedlung aber gescheitert
waren.
Dass Ritter nicht gerade begeistert war über diese Folge seiner
Berühmtheit, erzählt der Film sehr anschaulich. Der Arzt erklärt den
Wittmers nur kurz, dass Floreana alles andere als das Paradies sei, in dem
einem die Früchte in den Mund fallen. Dann weist er sie ab und rät ihnen,
es oben in den Höhlen zu versuchen, in denen einst die Piraten hausten.
Doch anders als von Ritter vermutet und erhofft, scheitern die
Neuankömmlinge nicht. Im Gegenteil, ihr Garten beginnt zu sprießen. Und
Margret Wittmer bringt wenig später als erste Frau auf Floreana ein Baby
zur Welt, ganz allein in der gerade erst fertig gewordenen Hütte, während
ihr Mann Heinz unterwegs war.
Die unterschiedliche Herangehensweise an das Leben der beiden
Aussteigerpaare schildert Ron Howard mit einleuchtenden Bildern. So zeigt
er, wie Ritter mühsam versucht, eins der auf der Insel wild lebenden
Schweine aus seinem Gemüsegarten zu vertreiben, während Wittmer – gespielt
von Daniel Brühl – umgekehrt eine wilde Kuh in seinen Garten treibt, um sie
zu domestizieren.
Komplett aus dem Gleichgewicht gerät die Inselgesellschaft Monate später,
als eine „Baronin“ mit zwei Männern im Schlepptau auftaucht, die verkünde…
am Strand ein Hotel für durch den Pazifik kreuzende Millionäre errichten zu
wollen. Die gibt es tatsächlich. So schippert etwa mehrfach der
US-Amerikaner Allan Hancock vorbei, der dank Ölfunden in Hollywood reich
wurde und nun gern mit der Baronin einen Piratenfilm drehen würde.
Doch mit dem Hotelneubau geht es nicht voran. Stattdessen wachsen Neid und
Missgunst, Eifersucht und Wassermangel in der Trockenzeit. Tabak und
Konserven gehen so sehr zur Neige, dass die Inselbewohner:innen
beginnen, sich gegenseitig zu beklauen. Das Drama nimmt seinen Lauf – mit
am Ende vier Toten im Jahr 1934.
## Geschichten für ein Hollywood-Drehbuch
All diese Geschichten klingen wie für ein Hollywood-Drehbuch geschrieben.
Aber sie sind belegt, unter anderem durch die Erinnerungen von Margret
Wittmer, die unter dem Titel „Postlagernd Floreana“ über Jahrzehnte immer
wieder neu aufgelegt wurden. Am prominentesten aber waren die Berichte von
Georges Simenon. [2][Der vielschreibende Autor der Maigret-Krimis] war
gerade auf einer Weltreise in New York angekommen, als ihm „amerikanische
Kollegen Schauergeschichten über das Schicksal der „freiwilligen Robinsons“
erzählten. So berichtete es Simenon in einer Artikelserie, die 1935 in der
Zeitung Paris-Soir erschien.
Simenon hatte das Glück, das Schiff zu erreichen, das nur zweimal jährlich
von Ecuador zu den Galapagos fuhr, konnte Vernehmungsprotokolle der Polizei
studieren und mit Überlebenden vor Ort sprechen. Was tatsächlich geschehen
war, konnte er dennoch nicht sagen. Wer hat Schuld am Tod der anderen? War
es Mord? Selbstmord? Oder doch nur Flucht? „Als Schriftsteller hätte ich
mir niemals erlauben können, derart ausgefallene Begebenheiten zu erfinden
– aus Furcht, vom Leser belächelt zu werden“, schrieb Simenon in seiner
Reportage. Auch als er die Ereignisse später zu einem Roman verdichtete,
ließ er das Rätsel stehen.
Ron Howard bettet die Geschichte in teils wunderschöne Landschaftsaufnahmen
ein, allerdings wurden weite Teile des Films in Australien gedreht. Daher
spielt [3][die faszinierende Tierwelt der Galapagos] auch keine Rolle. Zwar
tauchen gelegentlich Robben über die Leinwand, aber sie wirken wie in den
Film geklebt. Fataler aber ist, dass der Film es nicht aushält, ein Rätsel
zu bleiben. Howard entscheidet sich in allen Details für ein Who-done-it.
Margret Wittmer denkt er eine starke Rolle zu, aber mit Schattenseiten. Für
einen Kinokrimi wäre das okay. Für einen nach Authentizität schielenden
Spielfilm ist es das nicht.
Wenn man Margit Niedermaier vom Ende des Films erzählt, hört man sie nur
die Nase rümpfen. Sie hatte die damals schon über 80-jährige Margret
Wittmer Mitte der 1980er Jahre kennengelernt. Daraus entstand eine bis zu
Wittmers Tod im Jahr 2000 haltende Freundschaft.
Nicht nur die ähnlichen Vornamen und die Leidenschaft zu schreiben verband
die beiden – auch das Erleben von Kriegsfolgen. Darüber hätten sie sich
viel unterhalten, erzählt Niedermaier. Sie selbst kam 1944 in Österreich
zur Welt und wuchs „wie Heidi auf der Alm“ bei ihrem Großvater auf, weil es
bei den Eltern in der Stadt nichts zu essen gab. Später setzte sie sich als
erste Frau in einer Zeitungsredaktion durch. Margret Wittmer musste
erleben, dass ihre Mutter starb, nachdem sie eine Wurst mit Sägemehl aß,
weil es während des Ersten Weltkriegs nichts Besseres gab.
## Eine blöde Entscheidung
Trotz dieser Nähe weiß auch Niedermaier nicht, was 1934 tatsächlich auf
Floreana passiert ist. Einmal habe Wittmer begonnen: „Ich erzähle dir
jetzt, was damals war.“ Doch sie habe Angst bekommen vor der Verantwortung
und das Gespräch abgelenkt, sagt Niedermaier. Später habe sie erkannt, wie
blöd das war. Jetzt macht sie sich Sorgen um Wittmers Ruf. Die werde in den
Geschichten vieler Tourguides auf den Galapagos als Hexe verunglimpft,
ärgert sich die Journalistin. Dabei sei Wittmer nur eine starke Frau
gewesen, die überlebt habe, weil sie sich Traditionen bewahrt habe.
Auch deshalb habe sie selbst versucht, die Geschichte ins Kino zu bringen,
als die einer starken Frau, die sich durchsetzt. Die Pläne seien schon
recht konkret gewesen, erinnert sich Niedermaier. Hannah Herzsprung habe
Wittmer spielen sollen. Als Regisseur sei Oliver Hirschbiegel im Gespräch
gewesen. Aber dann entzogen ihr Margret Wittmers Erben die Filmrechte.
Einen Traum habe Wittmer gehabt, erzählt Niedermaier dann noch: Sie wollte
einmal 10.000 Mark auf einem Haufen sehen. Niedermaier brachte ihr deswegen
die Tantiemen für ihre Erinnerungen mit auf die Insel, in bar. „Sie war
total gerührt, und beim nächsten Besuch sagt sie, sie habe damit eine
Kühltruhe gekauft, so groß, dass ein ganzes Kalb darin Platz fand.“ Da war
Wittmer schon 90 Jahre alt und plante für die Zeit, die noch kommt.
Das hält auch Margit Niedermaier so. Sie schwenkt ihre Handykamera zur
lärmenden Baustelle nebenan. Dort lässt sie sich ein Haus bauen, damit sie
nicht mehr zur Miete wohnen muss. Vor ein paar Tagen ist sie 81 Jahre alt
geworden.
3 Apr 2025
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## AUTOREN
Gereon Asmuth
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