| # taz.de -- Ostermarsch 2025: Tiefe Gräben, wenig Alternativen | |
| > Der Berliner Ostermarsch ist zu russlandfreundlich, meint Michael Schulze | |
| > von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft. Gibt es Alternativen? | |
| Bild: Eine Regenbogenflagge weht am Potsdamer Luisenplatz. Dort fand am letzten… | |
| taz: Herr Schulze von Glaßer, gehen Sie am Samstag auf den Ostermarsch der | |
| Friedenskoordination (Friko) Berlin? | |
| Schulze von Glaßer: Nein. Ich bin aber ebenfalls auf den Straßen unterwegs. | |
| Freitag haben wir eine Auftaktaktion gegen Atomwaffen vor dem Bundestag. Am | |
| Samstag bin ich bei Aktionen in Stuttgart und Montag in Frankfurt. | |
| taz: Warum gehen Sie nicht zum Ostermarsch in Berlin? | |
| Schulze von Glaßer: Der ist für mich nicht attraktiv, da er meistens sehr | |
| unkritisch gegenüber Russland ist. Genau an diesem Konflikt spaltet sich | |
| die Friedensbewegung. | |
| taz: Was meinen Sie damit genau? | |
| Schulze von Glaßer: In der Friedensbewegung gibt es zwei Strömungen: die | |
| pazifistische, die jeden Krieg verurteilt, egal von wem er ausgeht. Es gibt | |
| aber auch eine Friedensströmung, die eben nicht jede Gewalt verurteilt, | |
| sondern sich zu einem Staat hingezogen fühlt. | |
| taz: Und was ist Ihre Kritik am Ostermarsch der Friko? | |
| Schulze von Glaßer: Darauf möchte ich hier nicht genauer eingehen. Es | |
| finden dazu auch durchaus Gespräche untereinander statt und wir schauen ob | |
| und wie man vielleicht in Zukunft zusammenarbeiten kann – oder eben auch | |
| nicht. | |
| taz: Und was ist Ihre Position? | |
| Schulze von Glaßer: Zunächst ist es wichtig, insbesondere vor dem | |
| Hintergrund gegenwärtiger Aufrüstung militärkritisch zu sein. Uns ist dabei | |
| aber wichtig, bei den Grundsätzen zu bleiben, gegen jeden Aggressor zu sein | |
| und jede Gewalt klar zu verurteilen. Konkret heißt das, klar zu sagen, dass | |
| es ein russischer Angriffskrieg ist – die Nato aber auch eine unrühmliche | |
| Rolle in der Geschichte des Konflikts spielt. Klar zu sagen, dass die Hamas | |
| ein schreckliches Massaker angerichtet hat – aber auch klar die israelische | |
| Regierung für ihr Vorgehen zu kritisieren. Uns geht es um Empathie mit den | |
| Opfern auf allen Seiten. | |
| taz: Reicht es in Zeiten wie diesen überhaupt aus, sich „für Frieden“ zu | |
| positionieren? | |
| Schulze von Glaßer: Es ist eine klare Position für die Menschen, die unter | |
| Krieg leiden. Wir kritisieren immer die Staaten, die Menschen in den Krieg | |
| schicken. Wir sagen, es muss eine andere Lösung geben. Natürlich ist es | |
| schwierig, diplomatische Mittel anzuwenden. Aber ich finde, da müssten wir | |
| wieder hinkommen. Durch Aufrüstung wird es am Ende nur noch schlimmer. | |
| Frieden darf man nicht mit Nichtstun verwechseln, aber eben auch nicht mit | |
| Waffenlieferungen. | |
| taz: Sind Sie gegen Waffenlieferungen an die Ukraine? | |
| Schulze von Glaßer: Wir wollen nicht, dass Waffen an die Ukraine geliefert | |
| werden. Wir sprechen uns für die Lieferung von zivilen Hilfsgütern aus. Den | |
| Menschen in der Ukraine fehlt es an vielem – es müssen nicht immer | |
| Waffenlieferungen sein. Und jede Granate, die Deutschland an die Ukraine | |
| liefert, kontaminiert beim Einsatz wieder ukrainischen Boden. Auch junge | |
| russische Soldaten sterben durch deutsche Waffen, obwohl sie gar nicht im | |
| Krieg kämpfen wollten, weil sie zwangsrekrutiert wurden. Das sind Probleme, | |
| die kaum in der Debatte vorkommen. | |
| taz: Sie sind am Samstag nicht in Berlin. Wohin können | |
| Kriegsgegner:innen am Samstag gehen? | |
| Schulze von Glaßer: Es ist schwierig. Es gibt natürlich noch andere | |
| Ostermärsche in anderen Städten der Republik. In Jena und Gardelegen in | |
| Sachsen Anhalt wären beispielsweise Ostermärsche, die ich empfehlen kann. | |
| taz: Ist die Friedensbewegung noch zu retten? | |
| Schulze von Glaßer: Die Frage stelle ich auch oft in Debatten. Ich glaube | |
| schon. Allerdings muss sich dafür einiges verändern. Inhaltlich muss die | |
| Bewegung klarer werden. Man muss alle Kriege und jegliche Gewalt | |
| verurteilen. Außerdem müsste sich die Friedensbewegung moderner aufstellen. | |
| Die Ostermärsche sind ja eine sehr traditionelle Veranstaltung und ziehen | |
| vor allem ältere Menschen an. Es bräuchte neue Methoden, aber es fehlt eine | |
| kritische Masse, die sich mal an einen Panzer kleben will oder so. | |
| 17 Apr 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicolai Kary | |
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| Sahra Wagenknecht | |
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