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# taz.de -- Wirtschaft treibt Umweltpolitik: Versicherungen nehmen Ewigkeitsche…
> Wenn sogenannte PFAS Schäden an Mensch und Umwelt verursachen, könnten
> Unternehmen künftig auf den Kosten sitzen bleiben. Hat die Politik eine
> Lösung?
Bild: PFAS können überall sein. Vermutlich auch in den Schaumkronen dieser Os…
Berlin taz | Die Versicherungswirtschaft wappnet sich gegen hohe Kosten,
die Ewigkeitschemikalien verursachen können. Möchte beispielsweise ein
Hersteller von Implantaten, die PFAS enthalten, eine
Betriebshaftpflichtversicherung abschließen, könnte seine Versicherung
künftig folgende Klausel in den Vertrag schreiben: „Ausgeschlossen sind
Pflichten oder Ansprüche wegen Schäden, die unmittelbar oder mittelbar auf
PFAS zurückzuführen sind. PFAS sind fluorierte Substanzen, die mindestens
eine vollständig fluorierte Methyl- oder Methylen-Gruppe (ohne daran
gebundenes Wasserstoff-, Chlor-, Brom- oder Iod-Atom) enthalten.“
Diese Handreichung für die Versicherungsunternehmen sei notwendig geworden,
„um das Risiko von PFAS besser erkennen, kalkulieren und auf ein
wirtschaftlich vernünftiges Maß begrenzen zu können“, heißt es vom
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
„Mithilfe dieser PFAS-Klausel können Versicherer Schäden durch diese
Chemikalien grundsätzlich erst einmal ausschließen – um dann in einem
zweiten Schritt mit den Kunden konkret zu vereinbaren, unter welchen
Bedingungen und in welcher Höhe Schäden durch bestimmte PFAS-Verbindungen
wieder versichert werden“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende
Hauptgeschäftsführerin des GDV.
PFAS sind eine mehrere Tausend Stoffe umfassende Gruppe von Chemikalien,
die in der Natur nicht vorkommen. Weil sie sowohl wasser-, fett- als auch
schmutzabweisend sind, finden sie Anwendung [1][in zahllosen Produkten, in
Geschirr, Kleidung, Löschschäumen, Verpackungen, Pflanzenschutzmitteln,
Kosmetika] und so weiter. Einige PFAS sind krebserregend, lösen Diabetes
aus oder machen unfruchtbar. Sie gelten sehr mobil – und als extrem
haltbar, was ihnen den Beinamen „Ewigkeitschemikalien“ eingebracht hat.
Sie können also etwa von Gewässern in Böden und von dort in die
Nahrungskette wandern.
## PFAS als Problem der Wasserversorger
PFAS werden unter anderem für die Versorgung [2][mit sauberem Trinkwasser
zunehmend zum Problem]. So informiert der Bundesverband der Energie- und
Wasserwirtschaft auf seiner Website Wasserversorger über die Möglichkeit,
Prozesse gegen Unternehmen mithilfe von Prozessfinanzierern anzustrengen.
In den USA wurden bereits zahlreiche Klagen gegen PFAS-Hersteller
erfolgreich geführt.
Auch in Deutschland wächst das Interesse an rechtlichen Schritten gegen
Verantwortliche – doch die hohen Prozesskosten stellen für viele Betroffene
eine Hürde dar“, [3][heißt es beim BDEW]. PFAS-Schadensfälle hätte –
insbesondere für Wasserversorger – potenziell hohe Streitwerte. Da diese im
Vergleich zu großen Chemiekonzernen oft über geringere finanzielle Mittel
verfügten, könne eine Prozessfinanzierung helfen, das wirtschaftliche
Ungleichgewicht auszugleichen und berechtigte Ansprüche effektiv
durchzusetzen.
Dass die Versicherungswirtschaft durch die neue Klausel die Risiken dieser
Chemikalien sichtbar mache und ihnen einen Preis gebe, hält Tom Kurz,
Referent für internationale Chemikalienpolitik beim Netzwerk Forum Umwelt
und Entwicklung, zwar für hilfreich. „Aber sie wollen Schäden durch PFAS
nur auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß beschränken – wieso ist es in
Ordnung, die Gesundheit von Menschen und die Umwelt zu gefährden, solange
es wirtschaftlich vernünftig ist?“
In der [4][EU wird derzeit ein Beschränkungsverfahren für PFAS verhandelt.]
Demnach sollen Ewigkeitschemikalien nach und nach aus dem Markt genommen
werden, zumindest in ihrer massenhaften Verwendung. In Anwendungen, in
denen ihre Eigenschaften nicht unbedingt gebraucht werden, sollen sie durch
ungefährliche Stoffe ersetzt werden. Ein Beispiel dafür sind einige
[5][Outdoorhersteller, die mittlerweile auf PFAS in Regenjacken] oder
Rucksäcken verzichten.
Für schwerer substituierbare Anwendungen sollen nach und nach ungefährliche
Alternativen entwickelt werden. Dazu gehören etwa Feuerwehruniformen, die
Chemikalien standhalten und feuerfest sein müssen. Einen Katalog von
Anwendungen, in denen PFAS nicht länger verwendet werden sollen, erarbeiten
derzeit Kommissionen der Europäischen Chemikalienbehörde.
## Koalitionsvertrag setzt auf Substitution
Der Idee der Substitution folgt auch der Koalitionsvertrag zwischen Union
und SPD: „Ein Totalverbot ganzer chemischer Stoffgruppen wie Per- und
polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) lehnen wir ab“, heißt es dort.
„Forschung und Entwicklung von Alternativstoffen werden forciert. Wo der
Einsatz von gleichwertigen Alternativen möglich ist, sollen PFAS zeitnah
ersetzt werden.“
Das sei zunächst einmal ein guter Ansatz, sagt Kurz. Die Umsetzung hänge
allerdings davon ab, wer dafür künftig im Wirtschafts- und
Umweltministerium verantwortlich zeichne. Kritisch sieht Kurz, dass die
Bundesregierung eine „Chemieagenda 45“ mit Ländern, Unternehmen und
Gewerkschaften erarbeiten wolle. „Umwelt- und Verbraucherschutzverbände
fehlen“, sagt Kurz. Wichtig für gute Lösungen sei, wer an den Diskussionen
teilhaben könne. „Davon hängt ab, welche Aspekte gesehen werden und welche
nicht“, so Kurz.
Die Versicherer seien in ihrer Einschätzung der Risiken offenbar weitaus
vorsichtiger als CDU/CSU und SPD, sagt Julios Kontchou, Umwelttoxikologe
bei Greenpeace. „Sie konnten sich in ihrem jüngst beschlossenen
Koalitionsvertrag nicht auf eine schnelle Regulierung der gefährlichsten
Stoffe aus der Gruppe der PFAS-Chemikalien einigen.“ [6][Hier müsse
dringend nachgearbeitet werden].
„Letztendlich liegt die einzige dauerhafte Lösung des PFAS-Problems in
einer strengen, entschlossenen Regulierung durch die Politik“, sagt
Kontcou. Das sieht auch das Umweltbundesamt (UBA) so. [7][Nach einer
Konferenz über die Belastung europäischer Böden mit
Ewigkeitschemikalien] fasst das UBA zusammen, PFAS in Böden seien ein
„gravierendes europaweites Problem, das konsequentes und koordiniertes
Handeln erfordert“.
15 Apr 2025
## LINKS
[1] /Outdoorkleider-mit-Chemikalien-belastet/!5999280
[2] /Lobbyschlacht-um-Ewigkeitschemikalien/!6062888
[3] https://www.bdew.de/wasser-abwasser/pfas-herausforderung-und-loesungen-fuer…
[4] /Kinderschutz/!6081698
[5] /Chemie-Skandal-in-Belgien/!5950859
[6] /Chemikalienpolitik/!6039898
[7] https://www.umweltbundesamt.de/themen/pfas-belastung-in-boeden-erfordert-me…
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Umwelt
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