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# taz.de -- Marxistische Abendschule in Hamburg: Beim Marx-Lesen sieht der Verf…
> Sind Marx-Lesekreise schon der Versuch, das System zu stürzen? Ein
> Hamburger Verein wehrt sich gegen den Vorwurf des Verfassungsschutzes –
> mit Erfolg.
Bild: Marx' Geburtsstadt Trier ehrt den Philosophen und Revolutionär als Ampel…
Hamburg taz | Wer in diesem Verfahren am Dienstag vor dem
Verwaltungsgericht Hamburg der Kläger und wer der Beklagte ist, damit kommt
zu Beginn der Verhandlung auch der vorsitzende Richter kurz durcheinander.
Verwunderlich ist das aber nicht: Formal klagt zwar die [1][„Marxistische
Abendschule Forum für Politik und Kultur e.V.“ (Masch) gegen das Landesamt
für Verfassungsschutz.]
Doch verteidigen müssen sich die Kläger auch vor dem Verwaltungsgericht
gegen den vom Verfassungsschutz erhobenen und publizierten Vorwurf, mit
ihren Büchern, Lesekursen und Diskussionsveranstaltungen Bestrebungen gegen
die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu unternehmen. „Wir empfinden
diese Vorwürfe wirklich als Frechheit“, sagt Armin Grambart-Mertens, der
Vorsitzender des gerade einmal 26-köpfigen Vereins ist.
Schon seit 1981 gibt es den Verein, der in Hamburg vor allem für seine
einführenden Lese-Kurse in „Das Kapital“ von Karl Marx bekannt ist. Die
finden immer zweimal im Jahr statt, parallel zu den Hochschulsemestern.
„Wir sind keine Marxsche Verheiligungsschule, sondern ein Diskussionsforum,
das sich wissenschaftlich-kritisch mit marxistischen Texten
auseinandersetzt“, sagt Grambart-Mertens. Kommende Woche gehen, parallel
zum startenden Sommersemester, wieder die Lesekurse los, die meist in den
Räumen der Uni Hamburg stattfinden.
Doch gerade die zurückliegenden Ursprünge schätzt der Hamburger
Verfassungsschutz auch vier Jahrzehnte später noch als so relevant ein,
dass die Masch bis 2021 im jährlichen Verfassungsschutzbericht auftauchte.
1981 nämlich war sie als Vorfeldorganisation der Deutschen Kommunistischen
Partei (DKP) gegründet worden. „Aber wir haben schon seit mindestens den
1990ern keine Verbindung mehr dazu“, erklärt Grambart-Mertens dem Gericht.
## Verein nicht mehr gemeinnützig
Und: Wenn eins von 26 Vereinsmitgliedern Mitglied der DKP ist, könne wohl
kaum von einer engen Bindung gesprochen werden, wie es der
Verfassungsschutz in seinen Jahresberichten behauptet. Das tat er die
vorangegangenen 14 Jahre zwar auch schon, nur: 2021 beschloss das
zuständige Finanzamt, wegen der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht dem
Verein die Gemeinnützigkeit zu streichen. Um also [2][die Gemeinnützigkeit
zurückzuerlangen,] beschloss der Verein, gegen den Verfassungsschutz zu
klagen.
Der aber bleibt auch Mittwoch bei seiner Einschätzung. „In der
Gesamtschau“, so erläutert es ein Amtsmitarbeiter, verfolge der Verein das
Ziel, [3][den Kapitalismus zu überwinden.] Und das, so schrieb das Amt
zuvor, „unter dem Deckmantel der Wissenschaft und der Bildung“.
Besondere Beachtung findet im Urteil des Verfassungsschutzes auch ein Buch.
Der Verein ist Herausgeber des 2015 erschienenen Sammelbands „Aufhebung des
Kapitals. Ökonomien einer Übergangsgesellschaft“, in der Autor:innen
über das Scheitern sozialistischer Staaten, über das bedingungslose
Grundeinkommen oder über Demokratie in Unternehmen schreiben. Fehlt da
nicht eine zur Diskussion anstiftende Gegenposition, die den Kapitalismus
entgegen den restlichen Autor:innen positiv bewertet, fragt auch der
vorsitzende Richter am Dienstag mahnend an.
Dass die Masch seit ihrer Klage nicht mehr im Verfassungsschutzbericht
auftaucht, habe hingegen nichts mit einer geänderten Einschätzung des Amtes
zu tun. Man habe die Berichte nur „rechtssicherer“ machen wollen und
weniger, aber eindeutigere Akteure aufzählen wollen. Damit müsse das Amt
nicht mehr so viel Zeit investieren, vor Gericht zu erscheinen: In den
vergangenen Jahren hatten mehrere in den Berichten genannte Akteure teils
erfolgreich geklagt.
Zur Gesamtschau über die Masch komme der Verfassungsschutz auch, weil die
Masch Veranstaltungen nicht nur in Uni-Gebäuden, sondern auch in
„linksextremen Szeneveranstaltungsorten“ durchführe. So etwa im „Centro
Sociale“ im Hamburger Karoviertel.
Ob das wirklich ein gutes Indiz ist? Zu Beginn der Verhandlung ließ einer
der beiden beteiligten ehrenamtlichen Richter mitteilen, dass er auch schon
mal eine Veranstaltung im Centro Sociale besucht habe, zum „Erhalt der
Nutzpflanzenvielfalt“. Und: Er habe in West-Berlin Mitte der 1980er auch
mal an einem von den Jusos organisierten marxistischen Lesekreis
teilgenommen. Auf einen Befangenheitsantrag verzichtete der
Verfassungsschutz aber. Vielleicht, weil so ein Lesekreis dann doch nicht
böse ist?
Am Mittwochmorgen gab das Verwaltungsgericht seine Entscheidung bekannt –
ein Sieg für die Masch: Der Verfassungsschutz darf seinen Jahresbericht
2021, gegen den die Masch geklagt hatte, mit der Erwähnung des Vereins als
angeblich linksextremen Akteur nicht mehr veröffentlichen. Entsprechend
müsste das zuständige Finanzamt dem Verein nun seine Gemeinnützigkeit
wieder zugestehen.
9 Apr 2025
## LINKS
[1] /Marx-Lesekreis-nicht-mehr-gemeinnuetzig/!5741941
[2] /Nach-Merz-Anfrage/!6076882
[3] /Gastgeber-ueber-neuen-Roten-Salon-Hamburg/!5986056
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Hamburg
Verfassungsschutz
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Marx-Lesekreis nicht mehr gemeinnützig: Ein Gespenst geht um in Hamburg
Weil der Verfassungsschutz die Marxistische Abendschule als
„linksextremistisch“ einstuft, hat die Finanzbehörde ihr die
Gemeinnützigkeit entzogen.
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