# taz.de -- Deutschlands Wehrhaftigkeit: Wehrpflicht versus Berufsarmee | |
> Die Bundeswehr kann ihr modernes Equipment finanzieren. Lösungen für das | |
> Personalproblem stehen indes aus und sind umstritten. | |
Bild: Karten spielen in Zeiten der Friedensdividende: Rekruten der Bundeswehr v… | |
Geld ist genug da. Nachdem der alte Bundestag schnell noch beschlossen hat, | |
die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit weitgehend von der | |
Schuldenbremse auszunehmen, sind die finanziellen Hürden gegen eine massive | |
Aufrüstung abgeräumt. Was fehlt, sind Soldaten. Circa 182.000 stehen | |
zurzeit unter Waffen, und die Bundeswehr hat mit Schwund zu kämpfen. Dabei | |
wären mehr als 200.000 nötig, und der Bedarf wird noch wachsen. Doch woher | |
nehmen? | |
Zu Zeiten des Kalten Kriegs war es einfach. Die Wehrpflicht – in der | |
Bundesrepublik 1956 eingeführt, in der DDR 1962 – verschaffte beiden Armeen | |
einen stetigen Zufluss junger Männer. Auf 170.000 Mann wuchs die NVA, auf | |
500.000 kam die Bundeswehr. Dass ab dem Ende der Blockkonfrontation 1990 | |
die Zahl kontinuierlich sank, durfte als Friedensdividende gebucht werden. | |
Allein der Wehrgerechtigkeit wegen war es geboten, die Wehrpflicht 2011 | |
auszusetzen. | |
Der ewige Frieden ist vorbei – eigentlich schon seit der Annexion der Krim | |
und dem Beginn des Kriegs im Donbass, spätestens aber seit dem | |
[1][russischen Überfall auf die Ukraine] am 24. Februar 2022. Nach drei | |
Jahren Krieg hat Putin seine Kriegsziele zwar nicht erreicht, wähnt sich | |
aber, auch weil Trump ihm entgegenkommt, auf der Siegerstraße. Und es soll | |
nicht bei der Ukraine bleiben, davon gehen zumindest westliche | |
Geheimdienste aus. Ab 2029 wird Russland vermutlich in der Lage sein, | |
Angriffe auf Nato-Staaten, etwa die baltischen Nachbarn, zu wagen. | |
Allein schon um möglichen [2][Nato-Verpflichtungen] nachkommen zu können, | |
muss Deutschland also kriegstüchtig werden. Verteidigungsminister Boris | |
Pistorius hatte das Wort bewusst gewählt: Es bedeutet, dass wir in der Lage | |
sein sollen, einen militärischen Angriff abzuwehren. Um auf die notwendige | |
Truppenstärke zu kommen, werden verschiedene Modelle diskutiert. | |
## Den Dienst an der Waffe attraktiver machen | |
Da ist zum einen die Wehrpflicht. Vom damaligen Verteidigungsminister | |
Karl-Theodor zu [3][Guttenberg 2011 nicht abgeschafft, sondern lediglich | |
ausgesetzt], kann sie mit einfacher Bundestagsmehrheit wieder eingesetzt | |
werden. Das würde auf einen Schlag viele junge Männer – für Frauen gilt sie | |
nicht – mobilisieren, für die es jedoch weder ausreichend | |
Musterungsbehörden noch Kasernen und Ausbilder gibt, von Ausrüstung nicht | |
zu reden. | |
Kann aber nur ein kleiner Teil gemustert und eingezogen werden, drängt sich | |
sofort wieder die Gerechtigkeitsfrage auf. Warum muss ich zum Bund und mein | |
Nachbar nicht? Um dieses Dilemma zu umschiffen, bietet sich ein | |
Freiwilligenmodell an. [4][Der „Neue Wehrdienst“], ein Vorschlag des | |
Sozialdemokraten Pistorius, basiert auf Freiwilligkeit: Jeder 18-Jährige | |
füllt einen Musterungsfragebogen aus. Bekundet er Interesse, in der | |
Bundeswehr zu dienen, wird er zur Musterung eingeladen. | |
Einen sechsmonatigen „[5][Freiheitsdienst]“ schlagen bayerische Grüne vor, | |
für alle zwischen 18 und 67 Jahren, unter dem nicht ganz unpathetischen | |
Motto: Was kannst du für dein Land tun? Problem: Dazu müsste das | |
Grundgesetz geändert werden, die nötige Zweidrittelmehrheit ist jedoch | |
nicht in Sicht. | |
Zudem lehnen nicht wenige junge Leute einen solchen Pflichtdienst ab. | |
Stattdessen müsse, so Juso-Chef Philipp Türmer, die Bundeswehr attraktiver | |
werden: „Egal ob Pflege, Kita oder Bundeswehr: Wir brauchen gute Bezahlung | |
und gute Arbeitsbedingungen statt Zwangsdienste für Jugendliche.“ Noch | |
radikaler drückt es [6][Ole Nymoen], Autor des Bestsellers „Warum ich | |
niemals für mein Land kämpfen würde“, aus: Im Ernstfall würde er lieber in | |
Unfreiheit leben, als für Freiheit zu sterben. | |
## Freiwillig kommt günstiger | |
Das ist der Sound der postheroischen Gesellschaft. Den summten schon die | |
Rekruten in den 1980er Jahren: Daran, dass die Bundeswehr festen Willens | |
war, die DDR zu überfallen, glaubte dort keiner mehr, auch wenn anderes | |
vorgetragen wurde. In bundesdeutschen Kasernen dürfte es ähnlich gewesen | |
sein. In dieser Lage sei das größte Problem kultureller Art, sagt der | |
bulgarische Politologe Ivan Krastev. Weil so lange Frieden geherrscht habe, | |
sei Krieg undenkbar geworden. | |
Jetzt die Menschen auf einen Krieg vorzubereiten, sei ein großer Bruch. | |
Bevor wir weiter abwägen zwischen Pflicht und Freiheit, hilft vielleicht | |
die Frage nach den Kosten weiter: Was ist teurer – eine Berufsarmee oder | |
eine Wehrpflichtigenarmee? Das [7][Deutsche Institut für | |
Wirtschaftsforschung] und das [8][ifo Institut] kommen übereinstimmend zu | |
dem Ergebnis: Die Bundeswehr mit mehr Personal auszustatten, ist über eine | |
Marktlösung gesamtwirtschaftlich deutlich günstiger als über die | |
Wehrpflicht. | |
Und selbst wenn es doch etwas teurer werden sollte – [9][genug Geld ist ja | |
da]. | |
5 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150 | |
[2] /Nato-Vorgabe-fuer-Ruestungsbudget/!5992405 | |
[3] /Erfolg-fuer-Guttenberg/!5135786 | |
[4] /Plaene-fuer-Neuen-Wehrdienst/!6058024 | |
[5] /Wehrpflicht-Debatte/!6075788 | |
[6] https://www.zeit.de/2024/32/wehrpflicht-deutschland-kaempfen-junge-menschen… | |
[7] https://www.diw.de/de/diw_01.c.906580.de/nachrichten/die_wiedereinfuehrung_… | |
[8] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Oeffentliche-Fi… | |
[9] /Nach-Einigung-mit-den-Gruenen/!6075921 | |
## AUTOREN | |
Stefan Mahlke | |
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