# taz.de -- Wehrpflicht-Debatte: Pflicht zu „Freiheitsdienst“ | |
> Zwei Grünen-Politiker aus Bayern wollen alle Menschen von 18 bis 67 zu | |
> sechsmonatigem Dienst für Deutschland zwingen. Umgesetzt wird das wohl | |
> kaum. | |
Bild: Vortreten: Reservisten in Bayern | |
Zumindest eine gewisse Originalität ist der bayerischen Landtagsfraktion | |
der Grünen nicht abzusprechen. In der Debatte über eine Wiedereinsetzung | |
der Wehrpflicht schlägt deren Vorsitzende Katharina Schulze jetzt gemeinsam | |
mit dem innenpolitischen Sprecher Florian Siekmann einen verpflichtenden | |
„Freiheitsdienst“ vor. | |
Am Wochenende haben sie ihre Vorstellungen veröffentlicht: Demnach sollen | |
alle in Deutschland lebenden Menschen zwischen 18 und 67 Jahren irgendwann | |
für insgesamt sechs Monate entweder Wehrdienst bei der Bundeswehr schieben, | |
im Bevölkerungsschutz tätig sein oder einen Gesellschaftsdienst ableisten. | |
„Es ist an der Zeit, die Frage zu stellen: Was kannst du für dein Land | |
tun?“, begründet Schulze ihren Vorstoß. „Der Freiheitsdienst ist ein | |
Gemeinschaftsprojekt für Deutschland von allen für alle.“ | |
Das Konzept sieht vor, dass nach Ablauf der Schulpflicht eine allgemeine | |
Musterung stattfindet, auf der neben der Prüfung der gesundheitlichen | |
Eignung umfassend über die drei Zweige des „Freiheitsdienstes“ informiert | |
werden soll. Die sechs Dienstmonate sollen entweder am Stück oder zeitlich | |
verteilt bis zum 67. Lebensjahr erfüllt werden können. Gelten soll die | |
Pflicht „für alle mit festem Aufenthalt in Deutschland, unabhängig von | |
Staatsbürgerschaft oder Geschlecht“. | |
## Dazu zählen soll etwa Jugendarbeit | |
Ausgenommen sein soll nur, wer bereits Wehr- oder Zivildienst geleistet | |
hat. Ansonsten soll ehrenamtliches Engagement, „das dem Gesellschaftsdienst | |
entspricht“, angerechnet werden. Dazu zählen Schulze und Siekmann den | |
Einsatz als Trainerin beim Sport, als Jugendleiter in der Jugendarbeit oder | |
auch Lesebegleitung durch Großeltern in Schulen. | |
„Der Freiheitsdienst ist viel mehr als der alte Wehrdienst, er zielt auf | |
eine Gesamtverteidigung mit gesellschaftlicher Widerstandskraft“, wirbt | |
Siekmann für das neue bajuwarische Modell. Allerdings passt es [1][nicht so | |
ganz zum grünen Bundestagswahlprogramm], in dem es heißt, statt der | |
Wiedereinführung eines Zwangsdienstes wolle die Partei „den freiwilligen | |
Wehrdienst und die Reserve für eine breite Zielgruppe attraktiver machen“. | |
Zustimmung kommt von der [2][Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, | |
Eva Högl (SPD)]. Den Vorschlag der beiden Grünen finde sie „super“ und | |
„sehr, sehr gut“, sagte Högl am Montag im Deutschlandfunk. Sie würde | |
begrüßen, „wenn es perspektivisch in diese Richtung in unserer Gesellschaft | |
geht“. Das sei, wofür Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier „seit Jahren | |
sehr engagiert wirbt“. Eine reale Chance auf Umsetzung hat die Initiative | |
von Schulze und Siekmann allerdings nicht. | |
Wie die beiden zu Recht feststellen, bedürfte es dafür einer Änderung des | |
Grundgesetzes. Doch die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag ist | |
nicht in Sicht – selbst wenn sich Union und SPD davon begeistern ließen. | |
Die dafür erforderliche Linkspartei winkt schon ab. „Das gesellschaftliche | |
Miteinander mit Zwang stärken zu wollen, ist äußerst befremdlich“, sagte | |
die Linksfraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek der taz. | |
## Linke will lieber Freiwilligendienste stärken | |
Reichinnek plädiert stattdessen dafür, die Freiwilligendienste zu stärken. | |
Schon jetzt wollten viele einen Freiwilligendienst ableisten, der ihnen | |
jedoch verwehrt bleibe, weil es zum einen nicht genug Plätze gebe und zum | |
anderen viel zu wenig dafür gezahlt werde. „Die letzten Regierungen haben | |
mit Hinweis auf die Kosten jegliche Verbesserung bei den | |
Freiwilligendiensten verhindert“, kritisierte sie. | |
Von einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht durch die Hintertür will die | |
Linke ohnehin nichts wissen. „Es wäre ein zivilisatorischer Rückschritt, | |
die Wehrpflicht wieder einzuführen“, kommentierte Parteichefin Ines | |
Schwerdtner am Montag die Diskussion. | |
In ihren Koalitionsverhandlungen sind sich CDU, CSU und SPD noch uneinig, | |
wie sie mit dem Thema umgehen wollen. Die zuständige Arbeitsgruppe hat nur | |
den Dissens schriftlich festgehalten: Weil ein „konsequenter und rascher | |
Aufwuchs unserer Streitkräfte notwendig“ sei, müsse „die Aussetzung der | |
Wehrpflicht beendet“ werden, findet die Union. „Der neue Wehrdienst soll | |
auf Freiwilligkeit basieren“, meint laut des Arbeitsgruppenpapiers hingegen | |
die SPD. Nun wird auf höherer Ebene nach einem Kompromiss gesucht. | |
Die Wehrbeauftragte Högl warb am Montag dafür, auf [3][ein Modell von | |
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)] zurückzugreifen. Der hatte im | |
vergangenen November einen „Auswahlwehrdienst“ vorgeschlagen. Danach sollen | |
alle jungen Menschen mit Vollendung des 18. Lebensjahrs angeschrieben | |
werden. Die Frauen könnten, die Männer müssten darauf antworten. | |
Anschließend soll die Bundeswehr entscheiden, wer zur Musterung eingeladen | |
wird. Auch die soll für die ausgesuchten Männer verpflichtend sein. | |
Dies wäre eine Möglichkeit, „einen leichten Zwang einzubauen“, sagte dazu | |
Högl – „ein bisschen Pflicht“, aber „trotzdem mit Freiwilligkeit“. | |
31 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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