| # taz.de -- Nach zehn Jahren zurück in Damaskus: Zwischen Heimkehr und Heimatl… | |
| > Hussam al Zaher hat nach zehn Jahren seine Familie in Syrien | |
| > wiedergesehen. Damaskus erinnert ihn trotz seiner Zerstörung an seine | |
| > syrische Identität. | |
| Bild: Leben in Trümmern: Menschen feiern das Ende des Monats Ramadan mit einer… | |
| Letzten Monat war ich wieder in Damaskus – zum ersten Mal seit meiner | |
| Flucht 2014. Im Oktober letzten Jahres schrieb ich in dieser Kolumne noch | |
| über mein zehnjähriges „Jubiläum“. Ich hatte mich über die Jahre mit me… | |
| Leben in Hamburg arrangiert und hatte meine Zukunft, ja, sogar meinen Tod | |
| hier geplant. Zum Teil, weil ich es so wollte und weil diese Stadt an der | |
| Elbe zu meiner Heimat geworden ist. Aber auch, weil die andere Heimat | |
| unerreichbar schien. | |
| Um nach so vielen Jahren meine Eltern wiedersehen zu können, hatten wir | |
| überlegt, uns in Jordanien zu treffen. Doch das Schicksal hatte einen | |
| anderen Plan. Assads Regime fiel am 8. Dezember, und Syrer*innen im Land | |
| und weltweit jubelten. „Syrien bekommt seine Kinder zurück“, schrieb ich | |
| und bemerkte, wie in mir wieder etwas aufblühte. | |
| Es war ein sehr besonderer Moment, als ich endlich im Haus meiner Familie | |
| stand. Nach über zehn Jahren war alles genauso vertraut – und doch so | |
| fremd. Meine Eltern, meine Schwestern, Nichten, Neffen, Cousinen und Tanten | |
| empfingen mich mit „zagharid“, den lauten Freudenrufen, die auch bei | |
| Hochzeiten oder Geburten erklingen. Es war besser als in meinen Träumen, | |
| ich habe minutenlang nur geweint und gelacht gleichzeitig. | |
| Unser Heimatort heißt al-Dyabiyeh. Er liegt eine halbe Stunde außerhalb von | |
| Damaskus, in der Nähe des schiitischen Wallfahrtsorts Sayyida Zaynab. Viel | |
| mehr als in der Hauptstadt sind hier die Kriegsspuren deutlich. Viele | |
| Häuser sind zerstört, andere bis auf die Stromleitungen in den Wänden | |
| ausgeraubt. Nun versuchen viele Menschen, mit dem Nötigsten zu überleben | |
| und ihr Zuhause langsam wieder aufzubauen. | |
| ## Die älteste durchgehend bewohnte Stadt | |
| Am zweiten Tag nach fuhr in die Stadt Damaskus hinein. Doch das Damaskus, | |
| das in meiner Erinnerung strahlte und nach Jasmin duftete, habe ich nicht | |
| wiedergefunden. Dort, wo einst pulsierendes Leben herrschte, sah ich nur | |
| Armut, Niedergeschlagenheit und Verwüstung. Die Menschen wirkten erschöpft. | |
| Ich sah viele Kinder, die am Straßenrand Kleinigkeiten verkauften oder | |
| bettelten. | |
| Damaskus ist in meiner Erinnerung eine würdevolle und stolze Stadt. Die | |
| älteste, durchgehend bewohnte Stadt, die von Syrer*innen auch als | |
| „Mutter der Welt“ („Umm al-'alam“) bezeichnet wird. Ich hatte gehofft, … | |
| klein wenig von der Magie meiner alten Heimat wiederzufinden. Stattdessen | |
| fand ich eine Stadt vor, die gelähmt scheint: vom Krieg, von der Korruption | |
| und von jahrzehntelanger Unterdrückung. | |
| Nichts verdeutlichte mir diese Lähmung so sehr wie die heruntergekommenen | |
| Gebäude und die Gesichter derjenigen, die nicht wissen, wie sie den Tag | |
| bestehen werden. Was mich am meisten schmerzt, ist die Perspektivlosigkeit, | |
| die man an jeder Straßenecke spürt. | |
| Und gleichzeitig habe ich auch zaghaftes Aufatmen bemerken können: An | |
| manchen Ecken sah ich Damaszener*innen, die ihre Geschäfte wieder eröffnen, | |
| die Gemüse und Obst verkaufen, die ihren Kindern mit einem Lächeln über den | |
| Kopf streichen – als wollten sie sagen: „Wir leben noch, wir geben nicht | |
| auf.“ | |
| Damaskus hat mich, in all seiner Heruntergekommenheit, doch wieder an meine | |
| syrische Identität erinnert. Ich trage zwei Welten in mir, und während die | |
| eine mir Sicherheit, Gemütlichkeit und Zukunft geschenkt hat, ist die | |
| andere für immer ein Teil meines Herzens – trotz aller traumatischen | |
| Erlebnisse und trotz der Zerstörung und Not, die ich gesehen habe. Ich | |
| lerne gerade, wie diese beiden Welten nebeneinander passen können. | |
| Es gibt viele Syrer*innen, die in einer ähnlichen Position sind wie ich. | |
| Sie warten auf die Zeit, in der sie zurückkehren können, [1][ohne Angst vor | |
| Unterdrückung, staatlicher Willkür], oder Krieg. Viele wollen erst mit | |
| einem [2][deutschen Pass] in der Hand zurückkehren, um notfalls eine | |
| sichere Rückkehr nach [3][Europa] zu haben. Ich kann ihnen das nicht übel | |
| nehmen, denn die syrische Geschichte hat uns gelehrt, wie schnell man | |
| [4][heimatlos werden] kann. | |
| 6 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hussam Al Zaher | |
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