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# taz.de -- Neujahrsfeiern auf Bali: Der Sturm vor der Ruhe
> Im balinesischen Kalender steht der Jahreswechsel an. Erst ziehen
> Riesenfiguren durch die Straßen, am Neujahrstag steht dann die ganze
> Insel still.
Bild: Die selbst gebauten Figuren stellen böse Geister und Götter dar
Ende Februar, unterwegs auf Bali. Mit dem Mofa erkunde ich die Insel.
Vieles ist anders, alles ist spannend hier für mich, ständig neue
Eindrücke, Erfahrungen, Entdeckungen. Darunter auch meterhohe Figuren aus
Pappmaché, sie stehen in offenen Hallen in jedem Dorf. Manche noch
mattweiß, manche schon bunt bemalt, ihre Posen expressiv, angriffslustig.
Einige von ihnen haben mehr als zwei Arme, nur der Kopf, der fehlt meistens
noch.
Von meiner Gastgeberin erfahre ich, dass die Figuren Ogoh-ogoh heißen. Sie
symbolisieren böse Geister oder Götter und werden für den Jahreswechsel auf
Bali gebaut, der bald ansteht. Die indonesische Insel ist stark
hinduistisch geprägt, das alte Jahr endet immer in einer Neumondnacht im
März.
Die offenen Hallen, sie nennen sich Bale Banjar, sind eine Art
Gemeindezentren. Abends sieht man dort in diesen Tagen viele männliche
Jugendliche, sie sitzen auf dem Boden und üben die traditionelle
Gamelan-Musik, ebenfalls für die Feierlichkeiten. Die repetitiven
Soundflächen, immer und immer wieder neu angesetzt, begleiten meinen
gesamten Urlaub. An dessen Ende haben einige der Figuren dann auch Köpfe.
Meine Reise liegt mehrere Wochen zurück, die der Ogoh-ogoh kann nun endlich
beginnen. An diesem Freitag haben sie ihren großen Auftritt. Da werden die
riesigen Figuren in großen Prozessionen durch die Straßen getragen und die
meisten von ihnen schließlich mit viel Lärm verbrannt. Eine Art Exorzismus,
ähnliches kennt man aus vielen Kulturen. Doch was nach dem Sturm kommt, das
fasziniert mich viel mehr: Nyepi, der Tag der Stille.
Am Neujahrstag um 6 Uhr morgens kehrt Ruhe ein auf Bali. Und das ist keine
Übung, das ist keine symbolische Schweigeminute, keine „In [1][der Earth
Hour] machen wir für eine Stunde das Licht am Brandenburger Tor
aus“-Aktion. Niemand arbeitet. Niemand verlässt das Haus. Kein Schiff
fährt. Kein Flugzeug fliegt. Kein Feuer ist erlaubt, kein Licht, keine
Geräusche. Die lokalen Fernseh- und Radiostationen senden nicht, teilweise
wird auch das Internet ausgestellt.
## Keine Ausnahme für Tourist:innen
Und obwohl Bali wirklich stark [2][vom Tourismus lebt]: Ja, das gilt für
alle. Wer unbedingt das Licht anmachen muss, soll bitte die Jalousien
schließen, wer Musik hören muss, tut das bitte leise. Das Hotel verlassen
geht auf keinen Fall. Die Religionspolizei – nur sie und Rettungsdienste
dürfen auf den Straßen sein – wacht darüber.
Ich amüsiere mich bei der Vorstellung von Bali-Reisenden, die erst ganz
kurz davor von Nyepi erfahren und dann damit umgehen müssen. Wie hätte ich
reagiert? Auf jeden Fall wäre der Tag unvergesslich geworden.
Es heißt, die Stille soll den bösen Geistern vorgaukeln, dass die Insel
unbewohnt sei. Damit sie weiterziehen. Vielleicht geht es auch bloß um
innere Einkehr und Reinigung. Oder beides ist wahr. 24 Stunden später, am
Sonntagmorgen um 6 Uhr, ist Nyepi jedenfalls vorbei. Dann kann das neue
Jahr beginnen. 1947, was wirst du uns bringen?
28 Mar 2025
## LINKS
[1] /Umweltexpertin-zu-Lichtverschmutzung/!5999517
[2] /Natururlaub-im-Nordwesten-Balis/!5211667
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
Bali
Hinduismus
Neujahr
wochentaz
Reiseland China
Kolumne La Strada
Silvester
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