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# taz.de -- Kriminalität auf Urlaubsinsel: Bali, das Malle Australiens
> Auf Bali wurde ein Mann erschossen. Als unsere Autorin dort arbeitete,
> brachten Touris vor allem Müll mit sich. Dass es jetzt Gewalt ist, ist
> nur logisch.
Bild: Kuta Beach, Bali: Wo kommt der Müll denn her? Doch nicht etwa vom Touris…
Es ist einer der wenigen Orte auf diesem Planeten, wo Deutsche nicht die
meisten der Tourist_innen ausmachen: Bali. Etwa 4,5 Millionen Menschen
wohnen dort. [1][2023 kamen mehr als dreimal so viele Tourist_innen auf die
kleine indonesische Insel]. Auf Platz eins der ausländischen Anreisenden
sind mit beeindruckendem Abstand die Australier_innen. Das war schon so,
als ich 2017/2018 ein halbes Jahr dort arbeitete.
Von den Aussies haben die Balines_innen jetzt genug. Mitte Juni wurde auf
der Insel ein Mann aus Melbourne, ein Vater von sechs Kindern, in einer
gemieteten Villa von drei Angreifern erschossen. Ein weiterer Mann kam mit
Verletzungen davon. Das Motiv für die Tat ist bisher noch unklar, die
Polizei mutmaßt jedoch, dass es sich um Bandengewalt handelt –
australische. Denn auch die [2][mutmaßlichen Täter stammen von dort]. Sie
wurden gefasst und könnten je nach Urteil selbst durch Schüsse eines
Exekutionskommandos getötet werden.
Derartig extreme Fälle sind auf Bali selten, [3][häufen sich jedoch
besonders nach Covid]. Seitdem gibt eine jedes Jahr größer werdende
Tourismuswelle: Backpacker_innen, wohlhabende Expats, digitale Nomad_innen,
darunter auch viele Australier_innen. Im Norden des Landes ist man einen
nicht mal dreistündigen Flug von Bali entfernt. Schon 2017 nannten Deutsche
vor Ort Bali deshalb das Malle Australiens.
## Unangenehm aber noch harmlos
Den stereotypen Australier auf Bali erkannte man 2017 an seinem Schnauzer –
damals noch nicht ganz so en vogue –, am Vokuhila, am ironisch gemeinten
Tanktop mit dem roten Sternemblem des indonesischen Bintang-Biers, an
schlechten Tattoos und natürlich am Akzent, der die übermäßige Verwendung
der Wörter fucking und cunt zu beinhalten schien.
Und man erkannte ihn häufig am sogenannten [4][Bali-Kiss] – Wunden am
Körper, die durch einen Rollerunfall entstanden waren –, der für viele
Tourist_innen, besonders für die betrunkenen, ein obligatorisches Souvenir
ist. Auch ich wurde dort zweimal geküsst: von brennend heißen
Auspuffrohren, die hässliche Narben an meinen Waden hinterlassen haben.
Dieser Standardaustralier war zwar unangenehm, aber noch recht harmlos,
vergleichbar etwa mit den Deutschen, die am Ballermann randalieren. Und
genau wie am [5][Ballermann] waren es, das ist keine Überraschung, zum
Großteil Männer, die sich nicht unter Kontrolle hatten.
Wenn die Polizei ins Spiel kam, dann wegen betrunkenem Rollerfahren, wegen
Unfällen, selten wegen Drogen oder Schlägereien. In Australien ist das
Trinken an vielen öffentlichen Orten verboten, genau wie es Bars untersagt
ist, nach zwei Uhr nachts Alkohol auszuschenken. Auf Bali sah man, warum
man das zu Hause für nötig hielt. Natürlich waren auch Nicht-Aussies
beteiligt.
## Eigene westliche Arroganz ertappt
Schon am ersten Tag auf der Insel schämte ich mich dafür, dort zu sein. Die
meisten Menschen kamen in zwei Kategorien: diejenigen, die die Insel für
ihren malleähnlichen Exzess in Anspruch nahmen, die ein Gefühl von „Wir
zahlen, also können wir machen, was wir wollen“ lebten.
Und die anderen, die spirituellen [6][Eat-pray-love-Influencer_][7][innen],
die Matcha-Yoga-Açaïbowl-Meditationsfraktion (Lieblingsfilm „Into the
Wild“, Lieblingsband Khruangbin), die sich darüber beschwerte, wie dreckig
manche Orte seien, voller Plastikmüll, den die Gentrifizierung durch sie
aber überhaupt erst ins Wasser und auf die Strände getrieben hatte. Doch
die Insel lebt nun mal größtenteils von ihren Tourist_innen, von genau
diesen Leuten.
Durch meine Arbeit in einem Surfcamp auf der südlichen Halbinsel Balis habe
ich beide Sorten dutzendfach kennengelernt. Natürlich gab es auch Facetten
ihres Verhaltens in mir – ich war genervt vom Gestank des brennenden
Plastikmülls, ich war frustriert darüber, dass der an Krebs erkrankte Mann
einer Kollegin zum Heiler und nicht ins Krankenhaus ging. Diese
Feststellung meiner eigenen westlichen Arroganz war es, die meine Scham
wachsen und den Wunsch, von dort zu flüchten, immer dringender werden ließ.
Seitdem sind acht Jahre vergangen. Acht Jahre, in denen die Anreisenden die
Mallefizierung noch vorangetrieben haben. Und acht Jahre, nach denen sie
nicht mehr nur Surfbretter, Yogamatten und Müll mitbringen – sondern auch
Drogen, Raubüberfälle und Schießereien.
20 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.balihotelsassociation.com/monthly-passengers-statistic/2023/?ut…
[2] https://www.euronews.com/2025/06/26/indonesian-police-suspect-three-austral…
[3] https://www.theguardian.com/world/2025/jul/17/bali-crime-rising-indonesia-a…
[4] https://www.dailymail.co.uk/news/article-13517749/Bali-Tourist-captured-wal…
[5] /Malle-Antifa-von-Kommando-Internet/!6090820
[6] https://www.businessinsider.com/russian-tourists-deported-bali-nude-photos-…
[7] https://www.businessinsider.com/russian-tourists-deported-bali-nude-photos-…
## AUTOREN
Valérie Catil
## TAGS
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