# taz.de -- Daniel Cohn-Bendit wird 80: „Ich war die Sonne von 68“ | |
> Er ging in Paris auf die Barrikaden, saß 20 Jahre lang für die Grünen im | |
> Europaparlament. Über die Lust am Widerspruch und das eigene | |
> Posterboyimage. | |
Bild: „Man kann Hass fast immer überwinden – wenn es Politiker gibt, die e… | |
Daniel Cohn-Bendit lädt in seine Wohnung im Frankfurter Ostend zum | |
Interview ein. Kurz vor seinem 80. Geburtstag am 4. April ist er gut | |
gelaunt und hat, wie immer, Lust, etwas Neues zu denken. | |
taz: Daniel Cohn-Bendit, Sie wurden nach eigener Einschätzung in der Nacht | |
gezeugt, als die Alliierten im Juni 1944 in der Normandie landeten. Das ist | |
doch eine zu schöne Geschichte! | |
Daniel Cohn-Bendit: Nein, das ist einfach biologisch zu erklären. Da ich am | |
4. April 1945 geboren bin, muss ich neun Monate vorher gezeugt worden sein. | |
Und das war genau nach der [1][Landung der Alliierten im Juni 1944]. | |
taz: Ich will Ihren Eltern nicht zu nahe treten, aber was hat sie als | |
jüdische Deutsche im südfranzösischen Exil dazu motiviert, ein Kind zu | |
zeugen? | |
Cohn-Bendit: Das kann ich Ihnen sagen: Die Nachricht der Landung war für | |
sie eine Zeitenwende, um mal Neudeutsch zu sprechen. Der Schrecken des | |
Krieges, die Qual der Angst vor den Nazis wich der Hoffnung auf Freiheit. | |
Und deswegen haben sie dann im vollen Bewusstsein, dass diese Zeitenwende | |
jetzt ein neues Leben ermöglicht, ein zweites Kind gezeugt. Mein Bruder ist | |
1936 geboren. | |
taz: Die Zukunft war wieder offen. | |
Cohn-Bendit: Deswegen stimmt meine Behauptung, dass ich ein Kind der | |
Freiheit bin. Und wenn Pazifisten sagen, Militärinterventionen hätten noch | |
nie in der Geschichte irgendetwas Positives gebracht, dann sage ich: Doch, | |
mich. | |
taz: Sie wurden früh Vollwaise. | |
Cohn-Bendit: Die furchtbaren Jahre während des Krieges haben bei meinen | |
Eltern tiefe Spuren hinterlassen, die sie körperlich geschwächt haben. Das | |
ist vermutlich einer der Gründe, warum mein Vater nach seiner Rückkehr in | |
Frankfurt schon mit 56 gestorben ist, an Krebs. Obwohl meine Eltern | |
praktisch getrennt waren, ging dann 1958 meine Mutter auch aus Paris | |
zurück, um ihn zu pflegen. Sie starb 1963, auch mit 56 Jahren, an | |
Herzversagen. Ich selbst wollte auf keinen Fall nach Deutschland, das war | |
für mich Nazideutschland. | |
taz: Sie kamen dann doch und gingen auf die Odenwald-Reformschule. Später | |
wurde bekannt, [2][dass es dort sexuellen Missbrauch gab], die Schule wurde | |
geschlossen. Wie waren Ihre Erfahrungen? | |
Cohn-Bendit: Ich habe nur gute Erfahrungen dort gemacht. Alles, was danach | |
kam, war nicht in meiner Zeit. Ich bin da hin, weil es dort einen Lehrer | |
namens Ernst Jouhy gab. Eigentlich hieß er Jablonski. Das war ein jüdischer | |
Kommunist und Widerstandskämpfer. Der war meine Antifaschismusgarantie. Ich | |
habe alles auf der Odenwaldschule gelernt. Es war antiautoritär, wir haben | |
Theater gespielt, ich bin der jüngste Präsident des Schülerparlaments | |
gewesen, nach meinem ersten Wahlkampf. | |
taz: Kann man sagen, dass Sie durch Ihre Schulzeit schon | |
liberal-emanzipatorisch waren, bevor die Befreiungsbewegung von 1968 große | |
Teile der westlichen Gesellschaften liberalisierte? | |
Cohn-Bendit: Na ja, neben der Schule hat auch mein Bruder Gaby eine große | |
Rolle gespielt. Er wurde mit dem Tod meiner Eltern mein Vormund und mein | |
Vorbild. Er war sehr politisch. Er hat zuerst Philosophie studiert, war | |
dann Kommunist, ist rausgeflogen aus der Kommunistischen Partei, war | |
Trotzkist, ist rausgeflogen bei den Trotzkisten, und dann wurde er | |
libertärer Marxist. | |
taz: Warum flog Ihr Bruder überall raus? | |
Cohn-Bendit: Weil er die verschiedenen Dogmen des Stalinismus, Leninismus, | |
Marxismus, Trotzkismus irgendwann nicht mehr mitmachen wollte. Diese | |
politische Geschichte habe ich durch ihn miterlebt. Ich musste die | |
Häutungen nicht mehr selbst machen. Er lebte als Lehrer in der | |
französischen Provinz, ich war zum Studieren nach Paris gekommen. Die | |
ganzen Leute, auch Theoretiker, die er kennengelernt hatte, habe ich durch | |
ihn auch kennengelernt. [3][Jean-Paul Sartre], Edgar Morin, André Gorz und | |
so weiter. Und dann kam 68, und mit dieser doppelten Identität und | |
doppelten politischen Geschichte war ich schon etwas anders als die anderen | |
in Paris. | |
taz: 1968 war für die westlichen Gesellschaften eine große Zäsur. Für Sie | |
also nicht? | |
Cohn-Bendit: Doch. Man muss sich das so vorstellen: Ich war ein netter Typ. | |
Ich wollte gemocht werden. Ich war lustig, angenehm, sprachgewandt. Ich | |
hatte in der Uni einen Freundeskreis von Anarchos bis Libertären. Und | |
innerhalb von drei Monaten wurde ich eine weltbekannte Ikone. Und das alles | |
wegen eines Lächelns auf einem Foto mit einem französischen CRS-Polizisten. | |
taz: Sie sprechen vom 6. Mai 1968 in Paris. [4][Ein Bild von Ihnen ging | |
damals um die Welt.] Der Polizist der paramilitärischen Compagnies | |
Républicaines de Sécurité trägt darauf Stahlhelm und Knarre und sieht | |
finster aus, Sie lachen ihn freundlich an. | |
Cohn-Bendit: Ja, und dieses Lachen wurde zum Symbol einer Revolte. Damit | |
war ich ein anderer Mensch. Im Januar 68 ging ich auf die Straße, und das | |
interessierte keinen. Und im Mai 68 ging ich durch eine Straße in Paris – | |
und alle hielten an. Die einen sagten nette Sachen, die anderen nicht so | |
nette. Die meisten lächelten mich an, Lächeln wurde mein | |
Kommunikationstool. | |
taz: Manche riefen auch: „Cohn-Bendit nach Dachau“ | |
Cohn-Bendit: Aber alle erkannten mich. Frauen guckten mich anders an, alles | |
war plötzlich anders. Das war eine wahnsinnige Zäsur, alle projizierten | |
etwas in mich. Und dann merkte ich: Das bin ich nicht. | |
taz: Wer waren Sie nicht? | |
Cohn-Bendit: Ich war nicht der Revolutionsheld. Ich wollte nicht die | |
gleiche Fotoikone sein wie [5][Che Guevara]. | |
taz: Sondern? | |
Cohn-Bendit: Tja. Ich gebe ja immer gern an und sage, ich war die Sonne von | |
68. | |
taz: Heißt? | |
Cohn-Bendit: Das ganze Positive von 1968, dieser Aufbruch, dieses „Wir | |
wollen anders leben“, was andere Bewegungen ermöglicht und initiiert hat, | |
die danach kamen – Frauenbewegung, Schwulenbewegung, emanzipatorische | |
Bewegung –, dieses Positive, das war mein Lachen. | |
taz: Sie wurden zur Marke. „Dany le Rouge“, der Rote Dany. [6][Präsident de | |
Gaulle] hatte so die Hosen voll, dass er Sie über den Rhein schaffen ließ. | |
Cohn-Bendit: Ja, aber ich wollte nicht Dany le Rouge sein und musste | |
deshalb in Deutschland einen neuen Dany erfinden. | |
taz: Wer war das dann? | |
Cohn-Bendit: Na ja, erst mal kam ich in die Frankfurter Studentenbewegung, | |
wurde misstrauisch angesehen von den Platzhirschen und war auf der | |
politischen Ebene schon ein bisschen verloren im SDS. | |
taz: Im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, der die westdeutsche | |
Protestbewegung anführte und prägte. | |
Cohn-Bendit: Dann habe ich mich verliebt, dann kamen Wohngemeinschaften, | |
dann kam der Zusammenbruch des SDS und dann kam die Gruppe, die wir | |
gegründet haben, Revolutionärer Kampf, und dann konnte ich meine Position | |
als libertärer Antikommunist in der Debatte finden. Aber viele Linke haben | |
meine Positionen nicht akzeptiert. Diese Erfahrung habe ich später noch | |
öfter gemacht. | |
taz: Weniger dezent: Die Maoisten vom Kommunistischen Bund Westdeutschland | |
wollten Sie nach der Revolution als Verräter am nächsten Baum aufknüpfen. | |
Cohn-Bendit: Eine andere Geschichte erzählt vielleicht am besten, wie ich | |
in Deutschland am Anfang positioniert war. Wir machen so eine | |
Vietnam-Demonstration. Der ganze Unsinn, „USA, SA, SS“ und andere nicht | |
sehr sinnvolle Parolen. Am Rande stehen verärgerte Bürger. Ich habe eine | |
laute Stimme und schreie plötzlich: Wenn euch diese Demonstration nicht | |
gefällt, geht doch nach drüben, dort sind alle Demonstrationen verboten. | |
Die sozialismusfeindlichen Passanten waren völlig irritiert, die | |
sozialismusbegeisterten Demonstranten waren völlig irritiert, denn das war | |
etwas, das kriegten beide Seiten nicht zusammen. | |
taz: Bürger und Linke gleichzeitig zu irritieren, um festgefügte Positionen | |
zu erschüttern, ist das dann Ihre Strategie geworden? | |
Cohn-Bendit: Es Strategie zu nennen, das ist viel zu bewusst. Es war | |
intuitiv. Meine Art, zu intervenieren. Das heißt, Widersprüche schnell zu | |
erkennen und möglicherweise aufzubrechen, um etwas Neues daraus zu | |
entwickeln. Die Fantasie an die Macht! | |
taz: Warum hat es nach 1968 noch 50 Jahre gedauert, bis unsereins, also | |
Linksliberale, Linke, das Gute an der Bundesrepublik sehen konnten, | |
Demokratie, Rechtsstaat, Meinungsfreiheit pipapo? | |
Cohn-Bendit: Die Revolte war ja gegen eine autoritäre Bundesrepublik, deren | |
Lebens- und Moralvorstellungen dem widersprachen, was wir wollten. Da waren | |
wir nicht so gelassen zu sehen, dass es sich im Vergleich um eine ganz | |
passabel, wenn auch langweilig funktionierende Demokratie handelte. Ich | |
wollte damals eine Gesellschaft, wo wir überall in Selbstverwaltung leben, | |
in den Betrieben, in den Stadtteilen, in den Schulen, überall. Als | |
Gegenmodell zur „bürgerlichen Demokratie“. Meine nächste Zäsur war es, zu | |
verstehen, dass der Glaube der permanenten Politisierung des Lebens ein | |
Irrglaube ist. | |
taz: Inwiefern? | |
Cohn-Bendit: Die Mehrheit der Menschen will nicht tagtäglich Politik | |
machen. Sie wollen zwar das Recht haben, Nein zu sagen, aber sie wollen | |
leben. Sie wollen sich lieben und sich hassen. Sie wollen ins Kino gehen | |
und sich mit Kindern beschäftigen. Ich habe verstanden, dass man Formen der | |
politischen Delegation finden muss. | |
taz: Aus Sicht Ihrer linken Kritiker haben Sie Ihre Positionen zu schnell | |
gewechselt. | |
Cohn-Bendit: Welche Positionen habe ich gewechselt? | |
taz: Zu viele Positionen. | |
Cohn-Bendit: Ich habe sie weiterentwickelt. Das ist nicht das Gleiche. Es | |
sind Dogmatiker, die mich als Renegaten denunzieren. | |
taz: Unsereins ist geprägt von einer politischen Kultur, die den | |
Idealzustand in der Jugend, festen Positionen und ewiger Revolte sieht. | |
Alles andere ist Opportunismus und Altersschwäche. Dafür stehen für einige | |
Leute Sie. | |
Cohn-Bendit: Das ist wohl so, aber man muss weiterdenken, sich den | |
Realitäten stellen. Das kann man Fortschritt nennen. Das zeigt uns [7][die | |
Geschichte von Bob Dylan]. Er begann mit Folkmusik auf der normalen | |
Gitarre. Und plötzlich greift er zur Elektrogitarre. Was passiert? Ein | |
Aufstand der Guten. Du bist ein Verräter am Traditionalismus, Bob. Du bist | |
die Ikone der klassischen Gitarre, und das hast du dein Leben lang zu sein. | |
Nein. Deswegen heißt das neue Buch [8][von Claus Leggewie und mir] „Zurück | |
zur Wirklichkeit“. Es geht darum, sich permanent politisch an der | |
Wirklichkeit zu reiben und dann weiter zu denken. Die einen sagen, das ist | |
Verrat. Ich sage, das ist intelligent. Und fantasievoll und letztendlich | |
politisch notwendig. | |
taz: Sie haben einfach Lust auf Widerspruch. | |
Cohn-Bendit: Ja! Es gibt, zum Beispiel, einen berühmten Satz, den Linke | |
entwickelt haben, in der Migrationsdebatte der 90er Jahre: Liebe Ausländer, | |
lasst uns nicht allein mit den Deutschen. Können Sie sich erinnern? | |
taz: Klar. | |
Cohn-Bendit: Ich habe daraufhin gesagt, toll, ich wandere in die Türkei | |
aus. Da gibt es keine Deutschen, das muss eine wunderbare Gesellschaft | |
sein. Daran sieht man die Absurdität solcher Sätze. Die Migration zu | |
verteidigen, indem man dem deutschen Selbsthass frönt, bringt uns nicht | |
weiter. | |
taz: Sie haben sich immer geweigert, für die deutsche | |
Fußballnationalmannschaft zu sein. Sie sind für Frankreich. | |
Cohn-Bendit: Und wissen Sie, wer das am wenigsten versteht? Mein Enkel. Der | |
ist fünf, und er ist für Deutschland. | |
taz: Für wen denn sonst? | |
Cohn-Bendit: Sein Vater ist ja nicht mal für Deutschland. Den habe ich noch | |
infiziert. Im Fußball ist man geprägt von seiner Kindheit. Ich bin in Paris | |
aufgewachsen, außerdem liebe ich guten Fußball. [9][Dass Ungarn 1954 | |
verloren hat], war für mich schlimm. | |
taz: Eine große Zäsur in Ihrem Milieu war auch Ihre Heirat 1997. So was | |
Bürgerliches machte man nicht. | |
Cohn-Bendit: Stimmt. Aber die Zäsur war eine andere, lange davor. Zu Beginn | |
der 80er Jahre haben Ingrid und ich zueinander gefunden. Eine | |
leidenschaftliche Liebe. Sie hatte schon ein Kind. Und einen Ehemann. Die | |
Trennung war eigentlich schon vollzogen, wir haben das sehr verantwortlich | |
gestaltet. Sie war Mutter, und ich wollte lange selbst kein Kind haben. | |
taz: Warum nicht? | |
Cohn-Bendit: Ich dachte: Ich bin selbst noch ein Kind. Obwohl ich schon | |
sehr alt war, über 35. Aber man spinnt auch manchmal. Dann wurde Ingrid | |
sehr krank. Es ging um Leben und Tod. Danach haben wir beschlossen: Wir | |
wollen ein Kind zusammen. 1990 wurde Bela geboren. Da waren wir immer noch | |
nicht verheiratet. Dann kam bald die nächste Zäsur. 1994 bin ich zum ersten | |
Mal ins Europaparlament gewählt worden. Dank Joschka Fischer. | |
taz: Der spätere Vizekanzler hat Sie durchgesetzt. | |
Cohn-Bendit: Jürgen Trittin, Ludger Volmer, Claudia Roth, alle hatten ein | |
absolutes Veto gegen mich eingelegt. Drei Wochen vor dem Parteitag, auf dem | |
die Europaliste aufgestellt wurde, war ein Sonderparteitag zu Bosnien. | |
taz: In Jugoslawien herrschte Krieg. | |
Cohn-Bendit: Ich stellte einen Antrag für eine Militärintervention zum | |
Schutz der Bosnier. Ein grandioser Erfolg. 30 oder 40 waren dafür, 700 | |
dagegen. | |
taz: Die Grünen wollten Pazifisten sein, das war einer ihrer politischen | |
Grundpfeiler. | |
Cohn-Bendit: Und deshalb war in der Partei eine richtige Hassstimmung. Und | |
dann kommt der Parteitag. Alle tun sich zusammen, damit ich nicht gewählt | |
werde. Nicht als Zweiter, nicht als Vierter, nicht als Sechster. Und dann | |
ist Joschka zu Trittin und hat gesagt: Jetzt ist Schluss, ich gehe raus aus | |
der Partei, wenn Dany nicht reinkommt. | |
taz: Sie wurden der einzige EU-Abgeordnete, der für Deutschland und | |
Frankreich im Parlament war. | |
Cohn-Bendit: Ja, zweimal in Deutschland gewählt und zweimal in Frankreich – | |
Dany, der Europäer. | |
taz: Weil es oft Missverständnisse gibt: Sie waren immer Deutscher. Und | |
wurden auch Franzose. | |
Cohn-Bendit: Erst 2015. Für die Europawahl muss man aber nicht Franzose | |
sein, um in Frankreich zu kandidieren. Da habe ich gesagt: Ich will jetzt | |
meine politische Rückkehr nach Frankreich organisieren. | |
taz: Waren da alle begeistert? | |
Cohn-Bendit: Das ist jetzt eine andere Frage. Aber ich wurde französischer | |
Spitzenkandidat der Grünen. Und dann hat Ingrid gesagt: Weißt du was, Dany? | |
Wir heiraten jetzt. Das war 1997. Ich wollte damit auch klar machen, dass | |
meine Kandidatur in Frankreich nicht den Weggang aus meinem | |
Lebenszusammenhang in Frankfurt bedeutet. | |
taz: Trotzdem sind Sie bis heute in Frankreich noch populärer als in | |
Deutschland. Warum? | |
Cohn-Bendit: Erstens weil 1968 da noch populärer ist. Zweitens wurde ich | |
für ein bestimmtes Frankreich zum Aushängeschild des Europäers. | |
taz: Sie haben speziell in einem erfolgreichen EU-Wahlkampf 2009 in | |
Frankreich [10][das gemäßigt progressive Europäertum neu formiert gegen | |
den nationalen Populismus], das war nicht nachhaltig. Robert Habeck hat es | |
auch versucht, aber war mäßig erfolgreich. Warum? | |
Cohn-Bendit: Weil es ein langer Prozess ist, mit Höhen und Tiefen. Im | |
Endeffekt geht es darum, eine postnationale Identität unserer | |
Gesellschaften zu stärken. Eine humanistische, offene Identität. Aber wir | |
leben in einer Zeit von Kriegen, Ängsten, Pandemien, wo diese Offenheit für | |
viele zurückgedrängt wird. Deswegen wird ein Rückgriff auf das Nationale | |
und sogar eine ethnische Identität stärker. | |
taz: Herr Cohn-Bendit, Sie haben stets behauptet, Sie seien ein Glückskind | |
und in einen Topf mit Zaubertrank gefallen. Hat diese Autosuggestion etwas | |
gebracht und sehen Sie das mit 80 noch so? | |
Cohn-Bendit: Auf jeden Fall. Ich denke deshalb immer, es ist alles möglich, | |
es kann einen positiven Ausgang geben, man kann Hass fast immer überwinden | |
– wenn es Politiker gibt, die es wollen. Das gilt auch in einer so miesen | |
Situation wie heute. | |
taz: Das Leben hat keinen positiven Ausgang. | |
Cohn-Bendit: Doch! Es könnte sein, dass ich eines Tages selbst entscheiden | |
werde, wie ich sterben will, weder der Staat noch die Religion, sondern ich | |
mit meinen Engsten. Die Möglichkeit, sich für den Selbsttod zu entscheiden, | |
wäre die endgültige Freiheit. | |
4 Apr 2025 | |
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