# taz.de -- Teilhabe im ÖPNV: Die roten Engel sollen weiter helfen | |
> Steht der VBB-Begleitservice für mobilitätseingeschränkte Menschen auf | |
> der Kippe? Alle Parteien wollen das Angebot retten, der Ball liegt beim | |
> Senat. | |
Bild: Einsteigen, aussteigen, fertig? Nicht für alle ist das ohne Hilfe zu bew… | |
Berlin taz | Hat der Begleitservice des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg | |
(VBB) für mobilitätseingeschränkte Menschen doch noch eine Zukunft? In der | |
Plenardebatte des Abgeordnetenhauses, wo das Thema am Donnerstag auf Antrag | |
der Linksfraktion mit Dringlichkeit behandelt wurde, sah es so aus, als | |
setze sich keineswegs nur die Opposition für den Erhalt des Angebots ein. | |
Die Entscheidung darüber liegt allerdings beim Senat. | |
Den Begleitservice gibt es seit 2008. Er stand schon im Jahr 2014 kurz vor | |
dem Aus, wurde aber noch einmal gerettet. Menschen mit einer Geh-, Seh- | |
oder kognitiven Behinderung, die Hilfe bei Bus- und Bahnfahrten und beim | |
Umsteigen benötigen, können für die Zeit zwischen 7 und 22 Uhr eine | |
Begleitperson buchen. Das Angebot wird sehr gut angenommen: Laut VBB nutzen | |
es jeden Tag im Schnitt 100 Personen. Bei Umfragen habe der Service „sehr | |
hohe Zufriedenheitswerte erreicht“. | |
Allerdings geht aktuell die Sorge um, dass es bald vorbei sein könne mit | |
dem Dienst. Gleich zwei Petitionen fordern seinen Erhalt. Abbas Yalahow, | |
der [1][Anmelder der Petition auf change.org], nutzt den Begleitservice | |
selbst. Er schreibt, er habe vor Kurzem die „erschütternde Nachricht“ | |
erhalten, dass es das Angebot ab dem nicht mehr geben werde. | |
„Diese Entscheidung löst bei mir – und vielen anderen Betroffenen – tiefe | |
Traurigkeit und große Unsicherheit aus. Wie sollen wir uns künftig sicher | |
durch die Stadt bewegen? Wer unterstützt uns, wenn wir den öffentlichen | |
Nahverkehr nutzen wollen?“, so Yalahow. Durch die drohende Einstellung | |
würden „soziale Isolation und Abhängigkeit von Dritten massiv zunehmen“, | |
die Bemühungen um eine barrierefreie, inklusive Stadt würden „erheblich | |
zurückgeworfen“. | |
## Förderprogramm läuft aus | |
Der Hintergrund: 35 der 80 BegleiterInnen werden aktuell aus dem | |
„Solidarischen Grundeinkommen“ (SGE) finanziert, einem 2019 von noch von | |
Rot-Rot-Grün aufgelegten Pilotprojekt zur Arbeitsmarktförderung. Das SGE | |
läuft in diesem August planmäßig aus. Die Beschäftigten, die an ihren | |
Einsatzstellen nicht regulär weiterbeschäftigt werden können, müssen sich | |
anderweitig nach einem Job umsehen – oder die Beschäftigungsgarantie | |
nutzen, die der Senat seinerzeit für die 1.000 Menschen im SGE | |
ausgesprochen hatte. | |
Das bedeutet im Zweifel aber nur, dass sie irgendwo zu Hilfstätigkeiten in | |
einer Verwaltungseinheit eingesetzt werden. Mittel, um die entsprechenden | |
Stellen beim VBB-Begleitservice zu erhalten, soll es nicht geben, wie die | |
Senatsverkehrsverwaltung kürzlich dem RBB mitteilte: „Angesichts der großen | |
finanziellen Herausforderungen im Zuge des 3. Nachtragshaushalts 2024/25 | |
und der Einsparbemühungen auch für die Jahre 2026 ff. kann eine | |
Anschlussfinanzierung nicht zusätzlich aus dem Etat der Verkehrsverwaltung | |
getragen werden.“ | |
Im Landesparlament nun konfrontierte Katina Schubert, die Sprecherin der | |
Linksfraktion für Soziales und Inklusion, die Verkehrssenatorin mit der | |
folgenden Aussage: Man müsse „alles daran setzen“, damit die Dienste der | |
„roten Engel“ vom Begleitservice (so genannt wegen ihrer Arbeitskleidung) | |
auch in Zukunft mit gesicherter Finanzierung angeboten werden könnten, denn | |
Mobilität sei „ein Menschenrecht“. Das Ganze war ein Zitat von | |
CDU-Senatorin Ute Bonde selbst, allerdings vom Herbst 2023, als sie noch | |
Geschäftsführerin des VBB war. | |
Anstatt die Personen im SGE nun irgendwo zum Aktensortieren abzuordnen, | |
solle der Senat ihre Tätigkeit für den VBB verstetigen, forderte Schubert: | |
„Das kostet das Land keinen Cent mehr.“ Für Blinde oder sehbeschädigte | |
Personen etwa gebe es einfach kein Alternative zum Begleitservice, um | |
sicher mit dem ÖPNV durch die Stadt zu kommen. Auf die Hilfe anderer | |
Fahrgäste könnten die sich jedenfalls nicht verlassen: „Die gucken doch | |
alle nur auf ihre Handys.“ | |
## „Mit dem Abbruchhammer“ | |
Schubert [2][verwies auf die UN-Behindertenrechtskonvention], die das Land | |
dazu verpflichte, Teilhabe zu ermöglichen und Barrieren abzubauen. | |
Stattdessen gehe der Senat „mit dem Abbruchhammer durch inklusive Politik“ | |
und baue neue Barrieren auf. | |
Während die Linken-Abgeordnete die schwarz-rote Landesregierung dringend | |
zum Umdenken aufforderte, stellte ihr CDU-Kollege Danny Freymark es so dar, | |
als renne sie damit offene Türen ein: „Wenn es den Begleitservice nicht | |
gäbe, müsste man ihn erfinden.“ Verkehrssenatorin Bonde setze sich auch | |
schon sehr dafür ein, dass die im Rahmen des SGE finanzierten Stellen | |
verstetigt würden. Schlecht nur, dass „der Eindruck entstanden“ sei, die | |
Stellen würden weggekürzt, so Freymark. | |
Auch Grüne und SPD stießen ins selbe Horn: Teilhabe sei kein „nice to | |
have“, sondern eine Verpflichtung, fand der Sozialdemokrat Lars Düsterhöft. | |
Und: „Einsparungen sind Gift für das Miteinander in unserer Stadt.“ Wenn am | |
Ende der Begleitservice in seiner jetzigen Stärke erhalten werden sollte, | |
stellt sich dennoch die Frage, ob damit das Mögliche an Teilhabe wirklich | |
ausgeschöpft ist: Schon jetzt übersteigt die Nachfrage das Angebot, und | |
nicht alle, die Hilfe benötigen, bekommen sie zum gewünschten Zeitpunkt. | |
14 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.change.org/p/erhalt-des-vbb-bus-bahn-begleitservice-in-berlin-f… | |
[2] /Menschen-mit-Behinderung/!5997721 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Ute Bonde | |
VBB | |
UN-Behindertenrechtskonvention | |
Inklusion | |
Schwarz-rote Koalition in Berlin | |
Behindertenpolitik | |
Menschen mit Behinderung | |
UN-Behindertenrechtskonvention | |
Leben mit Behinderung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Behindertenparlament: Fokussieren auf die größten Baustellen | |
Bei der Auftaktveranstaltung zum diesjährigen Berliner Behindertenparlament | |
gibt es viele Forderungen – und immerhin schon ein Versprechen. | |
Hilfe für Menschen mit Behinderung: Ein schwerer Rückschlag | |
Das Modell der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderung ist in | |
Gefahr. Beschäftigte sind schlechter gestellt als Angestellte von | |
Assistenzdiensten. | |
Berliner Behindertenparlament: Inklusion in kleinen Schritten | |
Der Senat nimmt die Institution mittlerweile ernst. Doch die Politik tut | |
sich immer noch schwer damit, Forderungen auch umzusetzen. | |
Menschen mit Behinderung: „Als Opfer und Last gesehen“ | |
Auch 15 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention haben in Deutschland wenig | |
verbessert. Die EU-Abgeordnete Langensiepen fordert mehr Beteiligung. |