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# taz.de -- Berollung des Berliner Mauerparks: Noch kein Park für alle
> Zum Mauerpark wollen alle. Nur kommen nicht alle überall hin. Das zeigt
> ein Termin des Behindertenbeirats Pankow mit Betroffenen und der Politik.
Bild: Gleich geht es los. Manuela Anders-Granitzki (links) und Cordelia Koch vo…
Berlin taz | „Gut gedacht, aber schlecht umgesetzt“, sagt Barbara Wecker
von der [1][Freiwilligenagentur Pankow], als sie vor der Rampe steht.
Eigentlich soll die Rampe im Mauerpark in Prenzlauer Berg Menschen im
Rollstuhl den Zugang zur Grünfläche erleichtern. Leider ist sie nicht
asphaltiert, sondern gepflastert. „Dadurch sieht sie zwar schöner aus, ist
aber viel unbequemer und umständlicher zu befahren“, ärgert sich Frau
Hufnagel, 71 Jahre alt und Rollstuhlfahrerin.
„Architektonische Schönheit und Barrierefreiheit sollten sich eigentlich
nicht ausschließen“, sagt Barbara Wecker dazu. Man könne es auch als
positive Herausforderung sehen, beides zu vereinen. Doch hier ist das
offensichtlich nicht passiert.
Die gepflasterte Rampe ist nur ein Beispiel dafür, wie schwer es Menschen
mit Behinderungen fällt, sich im Mauerpark zu bewegen. Auch unscheinbare
Poller, herumstehende E-Roller und Fahrräder sind Hindernisse. Deswegen hat
der [2][Behindertenbeirat Pankow] am Freitag zu einem Spaziergang durch den
Mauerpark eingeladen. Gemeinsam konnten sich 50 Betroffene und
Nicht-Betroffene über Barrieren austauschen und voneinander lernen.
Eine von ihnen ist Carmen Olivar. Das Rollen über Kopfsteinpflaster oder
Bordsteinkanten habe dazu geführt, dass sich Schrauben am Rollstuhl
lockerten oder herausgefallen sind. „Meine Krankenkasse musste ständig
meinen Rollstuhl reparieren“, sagt die 64-Jährige.
Vor Kurzem hat sich Olivar deshalb eine portable Rampe gekauft. Die hat sie
nun immer dabei. Doch unabhängig ist sie auch damit nicht: „Ich muss immer
irgendwelche Leute fragen, die mir dabei helfen, sie herauszuholen und
wieder einzupacken“, sagt Olivar. „Ich habe mich damit arrangiert, aber ein
schönes Leben geht anders.“
## Herumstehende Roller als Gefahr
Der 69-jährige Dieter S. ist fast blind. Für ihn sind vor allem die Poller
am Parkeingang ein Problem. Weil er fast immer mit seinem Mann unterwegs
sei, könne der ihm helfen, erklärt er. „Wenn ich allerdings allein
unterwegs bin, würden mir auffällige farbige Markierungen an den Pollern
helfen“. So könne auch er sie sehen.
Noch gefährlicher für blinde oder sehbehinderte Menschen sind herumstehende
E-Roller oder Fahrräder. Die bleiben nicht am selben Ort, sondern werden
immer neu abgestellt. Im Gegensatz zu den Pollern kann man sich also nicht
merken, wo sie stehen.
Gerade für Menschen im Rollstuhl sind herumstehende Roller und Fahrräder
oft ein unüberwindbares Hindernis. Wenn die Roller achtlos mitten auf dem
Weg abgestellt werden und dieser nur sehr schmal ist, können sie nicht
einfach drum herumfahren. „Wir dürfen bei den Fortschritten in der
Mobilität durch E-Roller nicht die anderen Menschen vergessen“, sagt
Barbara Wacker deswegen.
Auf dem Weg durch den Park kommt die Gruppe auch an einem eigentlich als
barrierefrei gedachten Trinkbrunnen vorbei. Doch leider funktioniert er für
viele Menschen im Rollstuhl nicht. Die Entwerfer*innen der
halbbogenförmigen Brunnen haben nicht bedacht, dass Rollstühle
unterschiedlich hoch sind. Manche sind zu groß, so dass die Räder nicht
unter den Bogen passen. Andere dagegen sind so klein, dass sie zwar
darunterpassen, die Betroffenen aber den Wasserhahn nicht erreichen können.
## Betroffene früh beteiligen
Es gibt also viel Handlungsbedarf. Für Umbauten braucht es allerdings Geld.
Das sei im Moment nicht ausreichend vorhanden. „Trotzdem bleibe ich
optimistisch“, sagt Jan Schrecker, Vorstand des Behindertenbeirats Pankow.
Ulrike, 58 Jahre alt und Mutter einer Tochter mit Down-Syndrom, denkt
allerdings, dass es durchaus möglich wäre, Berlin barriereärmer zu
gestalten. „Die Politiker*innen sind schon für Inklusion, aber sie
investieren einfach zu wenig“, kritisiert sie.
[3][Cordelia Koch, grüne Bezirksbürgermeisterin von Pankow], meint, dass
man nicht immer viel Geld in die Hand nehmen müsse, um etwas zu verbessern.
„Wir können hier im Park auch kleine Veränderungen vornehmen“, sagt sie.
„Und auch diese sind sehr wichtig.“
Solche Veränderungen könnten zum Beispiel Orientierungshilfen sein. Denn
auch diese sind für Menschen mit Behinderung hilfreich. Jan Schrecker
fordert deshalb mehr Markierungen für Blinde. Diese können sie mit ihrem
Blindenstock erspüren und wüssten dann, an welcher Stelle im Park sie sich
gerade befinden.
Auch Ulrike beschäftigt das Thema Orientierung. Sie fordert mehr
Piktogramme für Menschen, die nicht oder nicht gut lesen können oder eine
andere Sprache sprechen. So könnten auch sie mehr am öffentlichen Leben
teilhaben.
Während des Spaziergangs wird deutlich, was [4][Manuela Anders-Granitzki,
Stadträtin für Ordnung, Straßen, Umwelt und Grünanlagen in Pankow (CDU)]
gleich zu Beginn gesagt hat: „Die Anforderungen an die Barrierefreiheit
sind je nach Behinderung sehr unterschiedlich“. Deswegen sei es wichtig,
die Perspektive verschiedener Betroffener einzunehmen.
Einig sind sich alle, dass Menschen mit Behinderung zu wenig in Planungen
und Entscheidungen einbezogen werden. „Wenn man die Flächen erst
nachträglich barrierefrei umbaut, statt sie von Anfang an mitzudenken, wird
das viel teurer“, meint Jan Schrecker.
Das gilt auch für die Rampe aus Pflaster. Die Frage, warum diese nicht
asphaltiert wurde und ob Betroffene bei der Planung beteiligt waren, ließ
die landeseigene Grün Berlin GmbH als Bauherrin und Betreiberin des Parks
allerdings unbeantwortet.
Am Ende sind die Besucher*innen sehr zufrieden mit der „Berollung“, wie
Cordelia Koch den Spaziergang nennt. „Ich hatte sehr viele Einsichten“,
resümiert die Bezirksbürgermeisterin. Nun werde sie dafür einsetzen, die
Zahl der Bordsteinkanten zu reduzieren. Wegen des Brunnens will sie auch
mit den Berliner Wasserbetrieben reden.
Auch Carmen Olivar sieht das so. „Zuerst müssen die Barrieren in den Köpfen
der Menschen beseitigt werden, man muss mit Betroffenen reden und viel
fragen“, meint sie. Dafür seien Veranstaltungen wie diese ein wichtiger
Schritt und längst überfällig. „Mein Traum ist, dass Nicht-Behinderte
gegenüber Menschen mit Behinderung sensibilisiert sind.“
Der nördliche Teil des Mauerparks wurde erst vor einem Jahr umgebaut. Dort
sind die Flächen barriereärmer und inklusiver gestaltet. Cordelia Koch ist
damit sehr zufrieden. „Ich denke, dass diese Flächen nun auch für Menschen
mit Behinderung sehr gut nutzbar sind.“
Vielleicht kann diese Sanierung ja ein Vorbild für weitere Maßnahmen sein.
Die Autorinnen waren als Schülerpraktikantinnen bei der taz
20 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.ehrenamt-pankow.berlin/
[2] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/beauftragte/menschen…
[3] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksamt/dr-cordel…
[4] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksamt/manuela-a…
## AUTOREN
Miranda Bergmeier
Rosa Heine
## TAGS
Inklusion
Mauerpark
Berlin-Pankow
Ute Bonde
Bundesteilhabegesetz
Christian Specht
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