# taz.de -- Die CSU und das Agrarministerium: Alles auf null | |
> Noch bevor die neue Regierung steht, ist Markus Söder sein | |
> Landwirtschaftsminister abhandengekommen. Seinen wichtigsten Job hat er | |
> aber erledigt. | |
Bild: Knapp daneben ist auch vorbei, Günther Felßner wird doch nicht Agrarmin… | |
München taz | Man kann es durchaus als Coup bezeichnen, was Markus Söder da | |
im November gelungen war. In der ihm eigenen Art missachtete der CSU-Chef | |
alle politischen Gepflogenheiten und kürte einfach schon mal den nächsten | |
Landwirtschaftsminister: [1][Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner.] | |
Der Wahlkampf hatte da noch nicht einmal begonnen. Und selbst wenn sicher | |
gewesen wäre, dass es nach der Wahl auf das von Söder favorisierte | |
schwarz-rote Regierungsbündnis hinauslaufen würde, hätte es zum guten Ton | |
unter Koalitionspartnern gehört, dass sich alle mit Aussagen zu | |
Personalfragen zurückhalten. Diese werden immer erst am Ende der | |
Verhandlungen geklärt. Schließlich, so die gängige Behauptung, geht es ja | |
um Inhalte. | |
Nichtsdestotrotz verfügte Söder, dass der bayerische Bauernpräsident | |
Günther Felßner ins Bundeskabinett einziehen werde – und stieß damit | |
interessanterweise auf keinerlei Widerspruch der Partner in spe. | |
Insbesondere in der Schwesterpartei CDU, der einzigen damals für den Fall | |
eines Wahlsieges schon gesetzten Koalitionspartnerin, hielt man sich | |
auffallend zurück. | |
Ein Ordnungsruf von Friedrich Merz, immerhin Kanzlerkandidat? Fehlanzeige. | |
Man muss wohl Söders Ankündigung als eine der üblichen Shows des | |
Polit-Entertainers aus dem Süden abgetan oder sie bewusst ignoriert haben, | |
um vor der Wahl keinen Streit vom Zaun zu brechen. | |
## Lobbyist durch und durch | |
Ein Coup war es aber vor allem, weil Söder so [2][den in Bayern mit der CSU | |
rivalisierenden – und regierenden – Freien Wählern (FW) ihren größten | |
Trumpf aus der Tasche ziehen konnte]. Intern gab man auch zu, dass dies der | |
einzige Grund für die Personalentscheidung war. | |
Schließlich war es FW-Chef Aiwanger, der im Winter 2023/24 den meisten | |
Profit aus den Protesten der Landwirte gezogen hatte, indem er sich | |
ungeniert, aber nicht ohne Erfolg als Bauernführer inszenierte. Mit der | |
Personalie Felßner gelang es Söder vor dem entscheidenden Wahlkampf, ein | |
starkes Signal an die Landwirtschaft zu senden: Die Partei der Bauern, das | |
sind wir, die CSU. | |
Denn Felßner, CSU-Mitglied, aber bislang nur in der Kommunalpolitik tätig, | |
ist als Präsident des bayerischen Bauernverbands [3][Lobbyist durch und | |
durch]: Fürsprecher für Pestizide und Massentierhaltung, bestimmt keiner, | |
von dem zu erwarten wäre, dass er Maßnahmen verhängt, die den Bauern Opfer | |
abverlangen. Im Zuge der Bauernproteste hatte der 58-Jährige gedroht: „Wir | |
werden notfalls Deutschland lahmlegen.“ Und Söders Botschaft verfing: Die | |
Freien Wähler gingen bei der Wahl krachend unter. | |
[4][Nach Protestaktonen vermeintlicher Tierschützer auf Felßners Hof in | |
Mittelfranken am Montag und darauf folgender dessen Ankündigung, nicht mehr | |
für das Ministeramt zur Verfügung zu stehen], steht nun alles wieder auf | |
Null. Wer wird Landwirtschaftsminister? Wird Söder das Ressort für seine | |
Partei reservieren können? Man mag Söder glauben, dass er „traurig“ über | |
Felßners Rückzug ist, wie er es am Dienstag in der CSU-Zentrale vernehmen | |
ließ. Gleichwohl bietet die Entscheidung für ihn auch neue Optionen. | |
## Doch fachfremdes Personal? | |
Dankbar kann Söder dem Bauernpräsidenten schon jetzt sein. Denn seinen aus | |
Söders Sicht wichtigsten Job, nämlich die Freien Wähler kleinzuhalten, hat | |
Felßner so oder so schon vollendet. Dafür dürfen sich die Mitglieder der | |
CSU-Landesgruppe nun Hoffnungen machen, dass eine weitere oder ein weiterer | |
aus ihrem Kreise einen Ministerposten bekommt. Dem Vernehmen nach waren in | |
der Landesgruppe ohnehin nicht alle glücklich über die Entscheidung für | |
Felßner. Eine externe Lösung dürfte damit jetzt vom Tisch sein. | |
Auch dass er jemanden aus seinem bayerischen Kabinett nach Berlin schicken | |
würde – hier wäre die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber | |
eine heiße Kandidatin gewesen –, hatte Söder bereits ausgeschlossen. | |
Kategorische Aussagen sind beim CSU-Chef zwar immer relativ, aber es | |
scheint in der Tat plausibel, dass jetzt nur Bundestagsabgeordnete für die | |
CSU in die Regierung gehen. Kaniber etwa gehört zwar zum Team der CSU bei | |
den Koalitionsgesprächen, sitzt allerdings noch nicht einmal in der | |
Arbeitsgruppe Landwirtschaft, sondern verhandelt die Themen Wirtschaft, | |
Industrie und Tourismus. | |
In der Arbeitsgruppe Landwirtschaft wiederum sitzen neben Felßner der Bauer | |
Artur Auernhammer und die Bürokauffrau Martina Englhardt-Kopf. Beide sind | |
sie Mitglieder der Landesgruppe, beide sind sie allerdings außerhalb ihrer | |
Wahlkreise weitgehend unbekannt. Endlich mal ein Fachmann im | |
Landwirtschaftsministerium, hatte sich Söder noch über seine eigene Idee, | |
Felßner zu installieren, gefreut. Nun könnte es sein, dass er doch wieder | |
auf fachfremdes Personal ausweichen muss. Oder aber Söder verabschiedet | |
sich aller vollmundigen Ankündigungen zum Trotz doch von dem Ressort und | |
handelt dafür ein aus seiner Sicht besseres Gesamtpaket für die CSU heraus. | |
Jedenfalls muss sich der CSU-Chef künftig nicht mehr verbiegen, wenn er | |
über Nichtregierungsorganisationen und insbesondere deren Präsenz in den | |
Ministerien der scheidenden Bundesregierung herzieht. Seine rechtfertigende | |
These, der Bauernverband sei keine Lobbyorganisation, sondern eine | |
Denkfabrik, war schließlich mehr als steil. | |
26 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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