# taz.de -- Die Linke nach der Wahl: Was tun? | |
> Nach dem Erfolg bei der Bundestagswahl muss sich die Linkspartei neu | |
> erfinden und ihren Prinzipien treu bleiben. Denn dafür wurde sie gewählt. | |
Bild: „Tax the Rich“: den Strampler bekam Linken-Politiker Jan van Aken fü… | |
Der [1][Überraschungserfolg der Linkspartei bei der Bundestagswahl] hat | |
auch im Ausland Aufsehen erregt. Der Journalist Owen Jones, ein Wortführer | |
der britischen Linken, war am Wahltag sogar in Deutschland und bei der | |
Wahlparty des Linken-Direktkandidaten Ferat Koçak in Berlin-Neukölln dabei. | |
Zwar kreise die AfD schon „wie die Aasgeier“ über der deutschen Politik, | |
[2][berichtete Jones nach Hause]. In Berlin aber habe er „eine neue, junge | |
Linke gefunden, die sich gegen sie erhebt“. | |
Und Natasha Lennard, Kolumnistin des linken amerikanischen Onlinemagazins | |
The Intercept, befand, die US-Demokraten könnten von der deutschen | |
Linkspartei lernen. [3][„Lass dir ein Rückgrat wachsen“], schrieb sie | |
ihnen. Die deutschen Wahlen zeigten, dass man den Faschismus nicht mäßigen, | |
sondern bekämpfen müsse. | |
Tatsächlich verdankt sich der Erfolg der Linkspartei maßgeblich der | |
Tatsache, dass sie sich als einzig glaubwürdige antifaschistische | |
Alternative zum allgemeinen Rechtsruck darstellen konnte. [4][Heidi | |
Reichinneks Bundestagsrede gegen Friedrich Merz ist dafür zum Symbol | |
geworden.] | |
Denn auch die Grünen haben zuletzt immer mehr Abstriche gemacht und waren | |
zu einer Koalition mit Merz bereit. Schon die [5][Räumung des Weilers | |
Lützerath] 2023, um den Tagebau Garzweiler auszuweiten, kostete die Partei | |
viele Sympathien. Ihre Zustimmung zur Verschärfung der europäischen | |
Asylpolitik und ihr Herumgedruckse zu israelischen Kriegsverbrechen in Gaza | |
besorgten den Rest: Die Grüne Jugend lief davon, und in der Gunst junger | |
Wähler:innen sackten die Grünen dramatisch ab. | |
## Mehr als Gendersternchen | |
Die Linkspartei hat davon profitiert. Doch sie hat auch hart auf ihren | |
Erfolg hingearbeitet – mit der laut eigenen Angaben „größten | |
Organizing-Kampagne ihrer Geschichte“ und einem Haustür-Wahlkampf, den es | |
in dieser Form in Deutschland noch nicht gab. Sie hat soziale Themen in den | |
Vordergrund gestellt, die viele Menschen bewegen. | |
In ihrem Wahlprogramm fordert die Partei einen bundesweiten Mietendeckel, | |
die Einführung von Vermögenssteuern und eine Erhöhung des Mindestlohns. Um | |
die Forderung nach mehr Umverteilung zu unterstreichen, lächelte Jan van | |
Aken im Wahlkampf in einem T-Shirt, auf dem „Tax the rich“ stand, von | |
seinen Plakaten. | |
Zudem bot die Linke mit Mietwucherrechner und Heizkostencheck praktische | |
Hilfeleistungen an. Damit widerlegte sie das Klischee, das ihre Nemesis | |
Sahra Wagenknecht über Jahre hinweg von ihrer ehemaligen Partei gezeichnet | |
hatte – nämlich, dass sie sich nur noch um vermeintlich abgehobene | |
Wokeness-Themen drehen würde, die nur ein großstädtisches und akademisches | |
Publikum interessierten. Von Gendersternchen und Transgendertoiletten war | |
im Wahlkampf der Linken keine Rede, von Themen wie Migration, Gaza und der | |
Ukraine auch nur am Rande. Das wird ihr nun zum Vorwurf gemacht. | |
Sie müsse ihren Pazifismus und ihre „verklärte Russlandpolitik“ überdenk… | |
schallt es ihr von Spiegel bis Zeit entgegen. Ferat Koçak, der als erster | |
linker Direktkandidat einen ehemals rein westdeutschen Wahlkreis erobert | |
hat, erntet Misstrauen, weil er Israels Kriegsverbrechen in Gaza als | |
„Genozid“ bezeichnet hat. Er sei „ein radikaler Aktivist“, schrieb der | |
Tagesspiegel und meinte das nicht als Kompliment. | |
Die Linke lehnt Waffenlieferungen an Kriegsparteien prinzipiell ab, egal, | |
ob an Israel oder an die Ukraine. Dass es gerade an ihren Prinzipien liegen | |
könnte, dass sie viele junge Leute gewählt haben, kommt ihren Kritikern | |
nicht in den Sinn. Während alle andere Parteien nach rechts rückten, wirkte | |
die Linke wie die letzte Partei, die noch universelle Menschenrechte, das | |
Asylrecht und das Völkerrecht verteidigt. | |
## Die Strukturen sind verkrustet | |
Klar aber ist, die Partei muss sich neu erfinden. Sie steht vor der | |
Herausforderung, den neuen Schwung zu einem Neuaufbau der Partei zu nutzen. | |
Die Linke hat ihre Mitgliederzahl seit Ende 2023 verdoppelt und ist auf | |
über 100.000 Mitglieder angewachsen. Die Neuen sind im Schnitt 28 Jahre alt | |
und mehrheitlich weiblich. Zwei Drittel der Linke-Fraktion sind zudem neu | |
im Bundestag. Das alles ist eine Chance, die Partei organisatorisch und | |
inhaltlich neu aufzustellen. | |
Denn die Strukturen der Partei sind teilweise verkrustet. Die Gliederung in | |
verschiedene Strömungen, die sich eifersüchtig beäugen, ist überholt. Es | |
wäre an der Zeit, sie aufzulösen. Zugleich muss die Partei ihren Prinzipien | |
treu bleiben und sich ihr Rückgrat bewahren. Eine Linke, die eine massive | |
Erhöhung des Wehretats und Waffenlieferungen in alle Welt einfach abnickt, | |
statt sich für mehr Wohnungen, mehr soziale Gerechtigkeit und gegen eine | |
Aufrüstungsspirale einzusetzen, braucht kein Mensch. | |
Im Vergleich zu anderen linken Parteien in Europa ist die deutsche | |
Linkspartei ohnehin nicht besonders radikal. Waffenlieferungen nach Israel | |
zu stoppen und Palästina als Staat anzuerkennen, das vertreten in anderen | |
Ländern auch Sozialdemokraten, etwa in Spanien, Belgien oder Irland. | |
Nur in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Linke derzeit an | |
Regierungen beteiligt. Beide Länder stimmten im Bundesrat für das | |
Schuldenpaket von Friedrich Merz, das die Partei eigentlich ablehnt. Das | |
zeigt, welche Zerreißproben zwischen Fundamentalopposition und Pragmatismus | |
ihr noch bevorstehen könnten. Aber man kann auch aus der Opposition heraus | |
Druck machen und Veränderungen anstoßen. Dass Union und SPD in ihren | |
Sondierungsgesprächen beschlossen haben, die Mietpreisbremse zu verlängern, | |
dürfte auch dem Druck von links geschuldet sein. | |
Doch dabei muss es nicht bleiben. In Berlin war die Linke bei der | |
Bundestagswahl die stärkste Kraft. Dort wird im Herbst 2026 gewählt, und | |
die Linke kann dort selbstbewusst eine Kandidatin für das Rote Rathaus ins | |
Rennen schicken. Ihre ehemalige Parteichefin Katja Kipping, die zuletzt in | |
Berlin als Sozialsenatorin wirkte, ist weit über ihre eigene Partei hinweg | |
anerkannt. Sie wäre eine ideale Kandidatin für diesen Job. | |
25 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlerfolg-der-Linken/!6071319 | |
[2] https://www.theguardian.com/commentisfree/2025/mar/03/afd-berlin-new-young-… | |
[3] https://theintercept.com/2025/02/25/german-election-die-linke-democrats-lef… | |
[4] /Linke-Politikerin-Heidi-Reichinnek/!6063355 | |
[5] /Klimaprotest/!5982855 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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