# taz.de -- Ukrainische NGO über US-Fördergelder: „Viele Projekte bangen um… | |
> Die NGO „2402 Foundation“ bildet Journalist*innen für | |
> Kriegssituationen aus. Nun werden ihre Fördergelder aus USA und | |
> Großbritannien gestrichen. | |
Bild: Gedenken an die Journalistin Wiktorija Roschtschyna | |
taz: Die „2402 Foundation“, deren Co-Gründerin und Direktorin Sie sind, | |
wird nach dem [1][24. Februar 2022] benannt, dem Tag, an dem Russland die | |
Ukraine großflächig in die Ukraine einmarschiert ist. Wie ist die Situation | |
für Reporter*innen vor Ort drei Jahre später? | |
Kateryna Sergatskova: 18 Journalist*innen sind seit dem russischen | |
Überfall getötet worden, nicht nur ukrainische, sondern auch | |
internationale. Dutzende Kolleg*innen sind verletzt worden, teils | |
schwer. Aber die andere Dimension ist die psychologische. Und das betrifft | |
nicht nur Journalist*innen an der Front, sondern auch in den | |
Redaktionen. | |
taz: Wie groß ist das Problem? | |
Sergatskova: Laut der Weltgesundheitsorganisation leiden mehr als 15 | |
Millionen Menschen in der Ukraine unter psychischen Problemen wie | |
posttraumatischer Belastungsstörung – das sind ungefähr die Hälfte der | |
Menschen, die noch im Land sind. Ich gehe von einer viel größeren | |
Dunkelziffer aus. Und das betrifft natürlich verstärkt auch | |
Journalist*innen, die täglich über diesen Krieg berichten. Wir bieten daher | |
Resilienztrainings an, in denen man lernt, Risiken einzuschätzen, damit man | |
unter diesen harten Bedingungen weiter funktionieren und berichten kann. | |
taz: Wie sehen diese Trainings aus? | |
Sergatskova: Wir haben bislang 2.500 Menschen geschult. Wir bringen ihnen | |
bei, reale Bedrohungen von Ängsten zu unterscheiden. Das ist wichtig. Denn | |
in einem feindlichen Umfeld muss man sich auf Fakten verlassen und | |
entsprechende Entscheidungen treffen. Die falsche Entscheidung könnte einen | |
das Leben kosten. Wir üben Atemtechniken, achten auf Puls in | |
Stresssituationen, probieren Entspannungsmethoden, die in Kriegseinsätzen | |
helfen. Zum Training gehört aber auch, etwa unterschiedliche Minen zu | |
identifizieren oder sich in verschiedenen Situationen verteidigen zu | |
können. Wir statten Journalist*innen zudem mit Helmen und | |
schusssicheren Westen aus. | |
taz: Welche Ängste haben Journalist*innen, die keine realen Bedrohungen | |
darstellen? | |
Sergatskova: Journalistinnen haben zum Beispiel oft Angst, von russischen | |
Soldaten vergewaltigt oder entführt zu werden. Das ist aber in der Praxis | |
sehr unwahrscheinlich. Eine der häufigsten Ursachen von Tod oder Verletzung | |
sind tatsächlich Autounfälle, weil Militärfahrzeuge in den Frontgebieten | |
schnell und gefährlich unterwegs sind. Das ist das größere Risiko. | |
taz: Die Angst, entführt zu werden, ist aber nicht ohne Anlass, wie der | |
Fall der [2][ukrainischen Journalistin Wiktorija Roschtschyna], erst 27 | |
Jahre alt, zeigt. Sie wurde zweimal von russischen Soldaten verhaftet, | |
starb im September in einem notorischen Foltergefängnis. | |
Sergatskova: Wiktorija ging nach dem großflächigen Überfall Russlands als | |
einzige ukrainische Journalistin in die besetzten Gebiete, sie war dort | |
mehrfach. Niemand konnte sie mehr überreden, das nicht zu tun, weil sie | |
unbedingt weiter vor Ort berichten wollte. Und das passiert leider, wenn | |
man nicht über reale Risiken und Bedrohungen nachdenkt. Sie wusste | |
wahrscheinlich, dass sie damit alles riskiert. Die allermeisten Redaktionen | |
würden das nicht zulassen, dass ihre Reporter*innen einfach so in diese | |
Gebiete reisen. | |
taz: Russland verweigert bis heute, Wiktorija Roschtschynas Leichnam | |
zurückzugeben. Um ihre Todesursache zu vertuschen? | |
Sergatskova: Sie wurde höchstwahrscheinlich gefoltert, dafür sprechen | |
einige Indizien. Sie wog nur noch 30 Kilogramm, als sie gestorben ist. Aber | |
wir wissen immer noch nicht, was ihr genau passiert ist. | |
taz: Wie viele Journalist*innen sind noch [3][in russischer | |
Gefangenschaft]? | |
Sergatskova: Wir wissen von bis zu 30 Journalist*innen. Manche sind aus der | |
Krim, die 2014 von Russland annektiert wurde, manche aus dem Donbas und | |
wurden teilweise schon vor dem großflächigen Überfall Russlands gefangen – | |
ohne Prozess. Viele wurden in den vergangenen drei Jahren in besetzten | |
Gebieten festgenommen, sie konnten nicht mehr entkommen. | |
taz: Wie wirkt sich der Krieg auf die Pressefreiheit in der Ukraine aus? | |
Sergatskova: Natürlich hat das einen Effekt. Zum Beispiel aktuell in Sumy, | |
an der Grenze zur Oblast Kursk in Russland, wo die ukrainische Armee nun in | |
Schwierigkeiten geraten ist und wieder abzieht, gelten diverse | |
Einschränkungen. Als Journalist bekommt man in der Regel keine Genehmigung, | |
dorthin zu reisen. Es gibt oft Sicherheitsgründe dafür, was nachvollziehbar | |
ist. Aber natürlich gibt es auch manchmal die Sorge, dass über Sachen | |
berichtet wird, die nicht so gut laufen – und dass das schlecht für die | |
Moral sein könnte. Man muss das aber mit anderen Kriegsgebieten | |
vergleichen, zum Beispiel in Gaza, wo die internationale Presse gar keinen | |
Zugang hat. Insofern haben wir in der Ukraine weiterhin viele Freiheiten, | |
weil wir in den meisten Fällen noch von der Front berichten können. | |
taz: Ihre Arbeit ist jetzt von Kürzungen betroffen. Nachdem [4][Trump | |
USAID-Programme eingestellt hat], hat die 2402 Foundation eine große | |
Finanzierungslücke. Auch Gelder aus Großbritannien wurden eingestampft. Wie | |
gehen Sie damit um? | |
Sergatskova: Wir sind unter Schock. Und bei uns läuten nun alle | |
Alarmglocken. Unser Ziel ist, Journalist*innen zu ermutigen und zu | |
ermöglichen, über Russlands brutalen Krieg zu berichten. Wir bilden | |
Menschen aus, die eine kritische Rolle übernehmen: die Öffentlichkeit | |
darüber zu informieren, nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit. Und das | |
ist nun gefährdet, obwohl die Nachfrage für unsere Programme weiterhin sehr | |
hoch ist. | |
taz: Was bedeuten diese Kürzungen für Pressearbeit in der Ukraine? | |
Sergatskova: Das betrifft nicht nur uns, sondern viele Medienorganisationen | |
in der Ukraine, die aufgrund des Krieges kein nachhaltiges Businessmodell | |
haben und auf Fördergelder angewiesen sind, aber auch letztlich | |
demokratische Bastionen der ukrainischen Verteidigung sind. Bis zu 90 | |
Prozent der Medien in der Ukraine bekamen finanzielle Unterstützung aus den | |
USA, besonders lokale Medien und Graswurzelprojekte, die vor Ort über den | |
Krieg berichten. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und | |
demokratische Institutionen müssen weiterhin gestärkt und gefördert werden, | |
man kann nicht nur auf militärische Lösungen setzen. | |
taz: Die 2402 Foundation hat eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Wie | |
läuft sie? | |
Sergatskova: Wir haben bislang 10.000 Euro gesammelt, aber wir brauchen | |
monatlich rund 40.000 Euro, um unsere Sicherheitstrainings und | |
Schutzausrüstung weiter anzubieten. Viele Projekte in der Ukraine bangen | |
derzeit ums Überleben. | |
28 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Nicholas Potter | |
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