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# taz.de -- Ausrangierte Telefonstelen: Zur Zeit gestört
> Telefonstelen, die nicht mehr funktionieren, sind ein beliebtes
> Fotomotiv. Das liegt vor allem am Hinweis auf ihrem Display.
Bild: Ja, gerade ist es schwer, meldet die Säule. Aber bald, bald, da kommt al…
Ein wiederkehrendes Motiv in meinen Social-Media-Kanälen zeigt ein Stück
ausrangiertes Stadtmobiliar. Das kann in Berlin stehen, in Saarbrücken oder
fast überall sonst in Deutschland. Es handelt sich um Telefonstelen,
dieser letzten, schon sehr reduzierten Ausführung der klassischen
Telefonzellen, die vor rund zwei Jahren final vom Netz genommen wurden. An
vielen Orten existieren die Stelen weiter vor sich hin, häufig einer Art
urbanen Verwitterung ausgesetzt, einem Mix aus Graffitis, Stickern,
Ritzereien, abgestelltem Müll und anderem Krams, was ihnen gleichermaßen
Individualität und eine gewisse street toughness verschafft.
Doch es ist weniger diese urbane Patina, welche sie zum beliebten Fotomotiv
macht. Es ist vor allem ihr Display, auf dem matt erleuchtet, schwarz auf
gelbgrün steht: „Entschuldigung, zur Zeit gestört“.
Das löst etwas aus. „Fühle ich!“, ist eine Reaktion, oder: „Wir alle,
kleine Säule, wir alle …“ Der Hinweis berührt, wohl auch wegen des
naiv-optimistischen Mittelteils „zur Zeit“. Ja, gerade ist es schwer,
meldet die Säule. Aber bald, bald, da kommt alles wieder in Ordnung,
bestimmt! Hat ihr denn niemand gesagt, dass sie nie wieder ans Netz gehen
wird? Und: Ist das nicht auch der Weg, wie wir mit der dauerangespannten
Weltlage umzugehen versuchen, um nicht völlig durchzudrehen?
Dass der Hinweis da überhaupt steht, also dass da überhaupt noch
Telefonstelen stehen, hat indes mehrere Gründe. Eigentlich, so informiert
die Deutsche Telekom, sollten die rund 12.000 Telefonzellen und -stelen,
die am 30. Januar 2023, dem Abschalttag, noch existierten, längst
verschwunden sein. Doch so einfach ist das nicht, denn entfernt man die
Stele, muss man auch das Fundament ausgraben. Da sind Bauämter involviert,
regionale Energieversorger, Recyclingfirmen, es gilt, auf Genehmigungen und
verkehrsrechtliche Anordnungen zu warten, für Tausende Standorte. Allein
„von der Beauftragung bis zur Stromlosschaltung eines Standortes“ können
Monate vergehen.
Und die Formulierung? Das hoffnungsfrohe „zur Zeit“? Nun, dieser Satz war
schon im System hinterlegt, als die Säulen eigentlich noch funktionierten
und Störungen wirklich nur vorübergehend waren. Niemand hat sich die Mühe
gemacht, für den Nachtod-Zustand eine neue Formulierung einzuprogrammieren.
Ein paar Tausend der Telefonzellen- und -stelen hatten übrigens auch über
den Januar 2023 noch eine Funktion: Als sogenannte Small Cells verbesserten
sie die Versorgung mit schnellem Internet in ihrer unmittelbaren Umgebung.
Doch selbst diese Small Cells werden heute kaum noch gebraucht, die
Netzabdeckung ist inzwischen auch so gut genug.
Bei der Deutschen Telekom hofft man, dass alle Zellen und Säulen bis Ende
2025 abgebaut werden können. Bis dahin verbreiten sie ihre Botschaft tapfer
weiter. Man würde sie am liebsten ein wenig in den Arm nehmen.
24 Mar 2025
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
wochentaz
Telefon
Öffentlicher Raum
Urbanität
GNS
Bildungspolitik
Schwerpunkt Stadtland
Disko
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