# taz.de -- Dokumentarfilm „Becoming Led Zeppelin“: Das Publikum hält sich… | |
> Im Dokumentarfilm „Becoming Led Zeppelin“ überzeugen die Konzertaufnahmen | |
> der Band. Die heiklen Kapitel ihrer Geschichte übergehen die Musiker. | |
Bild: Für Led Zeppelin ging die Karriere steil aufwärts | |
Es ist Skepsis angebracht, wenn von einem „offiziell genehmigten Film“ die | |
Rede ist, in dem eine Band erstmals in „eigenen Worten“ ihre Geschichte | |
erzählt. Der Verdacht liegt nahe, dass sich auf Kosten einer kritischen | |
Auseinandersetzung allzu sehr dem Wohlwollen der Beteiligten angedient wird | |
und so manch unrühmliche, aber nicht unwichtige Details des Schaffens | |
unbedacht bleiben. Diese Zweifel bestätigen sich recht schnell bei | |
[1][„Becoming Led Zeppelin“, ein als „hybrider Doku-Konzert-Film“] | |
angepriesener Dokumentarfilm des irisch-britischen Regisseurs Bernard | |
MacMahon. | |
In den zwei Stunden Laufzeit erzählen ausschließlich die drei noch lebenden | |
Mitglieder Jimmy Page (Gitarre), Robert Plant (Gesang) und John Paul Jones | |
(Bass) von den Ursprüngen und dem rasanten Aufstieg ihrer Band, die | |
zweifellos zu den größten und einflussreichsten Musikgruppen der | |
Rockgeschichte zählt. Tonbandausschnitte aus einem erstmals | |
veröffentlichten Interview des 1980 verstorbenen Drummers John Bonham | |
ergänzen die anekdotenreichen Erzählungen über die frühe Phase ihrer | |
Karriere, die erwartungsgemäß mit reichlich Archivmaterial unterlegt | |
werden. | |
Es mutet jedoch etwas befremdlich an, dass im ganzen Film mit keinem Wort | |
Bonhams fürchterliche Todesumstände erwähnt werden. Der schwere Alkoholiker | |
erstickte im Schlaf an seinem eigenen Erbrochenem, nachdem er vierzig Shots | |
Wodka hinuntergestürzt hatte. Eine Tragödie, die für seine Bandkollegen ein | |
großer Schock gewesen sein musste. | |
Dass es sich bei „Becoming Led Zeppelin“ mehr um eine arglose | |
Beweihräucherung der Pioniere des Hard Rock und Heavy Metal handelt (Led | |
Zeppelin lehnen bis heute diese Einordnung ab) als um eine differenzierte | |
Auseinandersetzung mit ihrem Schaffen, offenbart Regisseur MacMahon in | |
einem Interview. Um die Gunst von Jimmy Page, dem führenden Kopf der Band, | |
zu gewinnen, musste er ihm zunächst ein Storyboard mit jeder einzelnen | |
Einstellung des Films zeigen. Erst nachdem dieser das Skript absegnete, gab | |
der Rest der Band MacMahon die Zusage für sein Vorhaben. | |
Ihre eigene Geschichte können die drei Männer, die mittlerweile auf die 80 | |
zugehen, mit viel Charme und Witz erzählen. Wenn sie etwa auf ihre Kindheit | |
und Jugend im Nachkriegsengland zurückblicken und davon erzählen, wie sie | |
der aus den USA rüberschwappende Rhythm and Blues gleich einer | |
musikalischen Offenbarung in den Bann zog und ihren weiteren Werdegang | |
besiegelte. Led Zeppelins Sound wäre ohne den Einfluss afroamerikanischer | |
Musiker:innen nicht denkbar. | |
## Rechtsstreit zugunsten Willie Dixons | |
Dass sich die Band allzu freizügig an ihren Vorbildern aus Übersee bediente | |
und es nicht für nötig hielt, entsprechende Credits auszuweisen, sparen sie | |
in ihren Anekdoten geflissentlich aus. 1985 kam es zu einem Rechtsstreit | |
zugunsten Willie Dixons, dessen Song „You Need Love“ als Grundlage für die | |
Lyrics von Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ diente. 2011 kam es zwischen | |
der Band und dem Musiker Jake Holmes zu einer Einigung, dessen Song „Dazed | |
and Confused“ sie für ihr Debütalbum „Led Zeppelin I“ mit einem neuen T… | |
versahen und neu arrangierten – ohne Nennung der Urheberschaft. | |
Es wäre jedoch vermessen, hier von Plagiat zu sprechen. Led Zeppelin, das | |
beweisen die Bandmitglieder im Film ein aufs andere Mal, war eine Gruppe | |
extrem talentierter Musiknerds, die einerseits ihren Einflüssen Tribut | |
zollten und andererseits in der Verschmelzung mit Folk, Psychedelic und | |
nicht zuletzt hartem Gitarrenrock einen Sound für die Ewigkeit kreierten. | |
Ihr Song „Whole Lotta Love“ mag sich zwar lyrisch an Willie Dixons Werk | |
bedient haben, das eröffnende Gitarrenriff hat in seiner treibenden | |
Einfachheit jedoch keinerlei Ähnlichkeit zu Dixons Song. | |
Im Gegensatz zu The Who oder wenig später den [2][Sex Pistols] findet sich | |
in Led Zeppelins Musik keine Rebellion, kein Klassenstandpunkt, kein | |
Aufbegehren gegen den Konservatismus ihrer Zeit. Die Band interessierte | |
sich weniger für Politik und umso mehr für ihre musikalischen Spielereien. | |
Ihre Mitglieder waren keine Mods oder Punks, die mit der Bandgründung | |
erstmals ein Instrument in der Hand hielten. So lernten sich Jimmy Page und | |
John Paul Jones in den 60ern kennen, als sie bereits als professionelle | |
Studiomusiker zusammenarbeiteten und für so illustre Musiker:innen wie | |
Shirley Bassey tätig waren, jene Sängerin des Titelsongs von James Bonds | |
„Goldfinger“. | |
## Aufstieg zu Superstars | |
Es ist bis heute verblüffend, mit welcher Geschwindigkeit sich die Band von | |
ihrer Gründung im August 1968 über die Aufnahmen ihres Debüts „Led Zeppelin | |
I“ in den Londoner Olympic Studios bis zum Erscheinen ihres zweiten Albums, | |
„Led Zeppelin II“, im Oktober 1969 an den Zenit ihrer Karriere | |
hochkatapultierten. Bereits auf ihrer ersten Amerikatour, zu der sie an | |
Heiligabend 1968 aufbrachen, spielten sie insgesamt 139 Konzerte und nahmen | |
zwischendrin noch in 12 verschiedenen Studios in fünf Städten ihr zweites | |
Album auf. | |
Die körnigen Konzertaufnahmen aus dieser Zeit, einige der gespielten Songs | |
werden in Gänze gezeigt, sind zweifellos das Herzstück des Films, der für | |
die IMAX-Leinwand produziert wurde. Wie jene von ihrem Auftritt in der | |
Royal Albert Hall im Januar 1970, nachdem Led Zeppelin auch in ihrem | |
zunächst gleichgültigen Heimatland zu Superstars aufstiegen, oder | |
zahlreiche Fernsehauftritte, in denen dem Publikum die körperliche | |
Erfahrung der Musik wortwörtlich anzusehen ist (manche halten sich die | |
Ohren zu), die der für damalige Verhältnisse radikale Sound ausgelöst | |
hatte. | |
Dass dieser neuartige Sound von der Kritik zunächst verschmäht wurde, wird | |
zwar kurz erwähnt. Doch warum sich Publikum und Musikpresse teils so | |
uneinig waren (der amerikanische Rolling Stone verriss das Debütalbum und | |
bezeichnete Jimmy Page als begrenzten Produzenten, der „schwache Songs ohne | |
Ideen“ schreibe), lässt der Film unbeantwortet. | |
Vielleicht hatten ja auch die dümmlichen und zuweilen frauenverachtenden | |
Songtexte ihren Anteil daran, dass die Band nicht ernst genommen wurde. | |
Wenn es in „Dazed and Confused“ heißt „Every day I work so hard, bringin… | |
home my hard-earned pay / Try and love you baby but you push me away“, | |
dürften auch damals schon manche Kritiker:innen innerlich | |
zusammengezuckt sein. | |
## Adrette Rock-Opas | |
Led Zeppelin revolutionierte nicht nur den Rock, sondern etablierte als | |
eine der ersten Bands das, was gern als „Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll“ | |
verharmlost wird. Wer wissen möchte, was das im Falle Led Zeppelins | |
bedeutet, dem sei die schonungslose Biografie von Bob Spitz zu empfehlen, | |
die im Oktober letzten Jahres auf Deutsch erschien und keine Details | |
ausspart. Etwa dass der Manager Peter Grant die Konzertveranstalter zwang, | |
in bar zu zahlen, um Steuern zu vermeiden. | |
So tourte die Band mit Hunderttausenden von Dollar im Gepäck durch die USA. | |
Oder dass sich dessen Handlanger Richard Cole unter der Bühnenfront | |
versteckte, um zu nahe kommende Fans mit einem Hammer auf die Kniescheiben | |
zu schlagen. | |
Auch das Verhältnis [3][des damals 29-jährigen Jimmy Page] mit einem | |
14-jährigen Mädchen wird im Buch nicht ausgespart. Eine der | |
erschreckendsten Stellen darin erzählt von einer Party in Seattle während | |
der US-Tour 1969, auf der ein 17-jähriges Mädchen von zwei Männern [4][mit | |
einem Fisch sexuell missbraucht wurde] – im Beisein von Bandmitgliedern und | |
ihren Ehefrauen. Einzelheiten, die das Bild der adretten Rock-Opas in | |
„Becoming Led Zeppelin“ nur stören würden. | |
19 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Obermeier | |
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