# taz.de -- Vor der Abstimmung zum Sondervermögen: Befreiungsschlag in Sicht | |
> Das Finanzpaket der künftigen Bundesregierung wird die Konjunktur beleben | |
> und dazu beitragen, dass der Standort nicht weiter verfällt, sagen | |
> Ökonomen. | |
Bild: Baustelle Deutschland: Ein hoher Schuldenberg könnte den Standort retten… | |
Die Konjunkturflaute in Deutschland hält an, aber dank der in Aussicht | |
stehenden Investitionen ist Licht am Ende des Tunnels. Die wirtschaftliche | |
Schwäche setze sich im März fort, teilte das grün geführte | |
Bundeswirtschaftsministerium am Montag in seinem Monatsbericht mit. | |
Allerdings: Von den derzeit diskutierten Vorhaben der künftigen Regierung | |
könnten „stabilisierende Erwartungseffekte und zunehmende | |
Planungssicherheit für private Haushalte und die Wirtschaft ausgehen“. | |
An diesem Dienstag stimmt der [1][Bundestag über das Finanzpaket] der | |
künftigen Bundesregierung ab. Dabei geht es neben der Lockerung der | |
Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben um die Einrichtung eines | |
kreditfinanzierten „Sondervermögens“ in Höhe von 500 Milliarden Euro. Mit | |
dem Geld sollen Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität | |
finanziert werden. | |
Damit stehen erhebliche Gelder für öffentliche Investitionen zur Verfügung. | |
Deren Ausbleiben wird von Ökonomen auch als Grund für die schwache | |
Konjunktur in Deutschland gesehen. Die Baubranche etwa liegt am Boden. | |
Investierte der Staat etwa in großem Stil in den sozialen Wohnungsbau, | |
würde die Baukonjunktur anspringen. | |
Die deutsche Wirtschaft ist zwei Jahre in Folge geschrumpft, für 2025 | |
erwarten Wirtschaftsinstitute keine Trendwende. Die geringe Nachfrage, die | |
sprunghafte Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump und der | |
Ukrainekrieg sorgen für Unsicherheit. | |
## Es wird Zeit brauchen | |
Das Essener [2][RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung] geht in | |
seiner aktuellen Konjunkturprognose von einem weiteren Rezessionsjahr aus. | |
Das Münchener Ifo-Institut hat in seiner Wirtschaftsprognose am Montag die | |
Wachstumserwartungen für dieses Jahr von 0,4 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts auf 0,2 Prozent gesenkt. „Die deutsche Wirtschaft | |
steckt fest“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der ifo-Konjunkturprognosen. | |
Mit dem Investitionsprogramm dürfte sich die Lage zumindest mittelfristig | |
ändern. Der Investitionsstau in Deutschland ist enorm, wie marode Brücken, | |
baufällige Schulen und Kliniken, kaputte Schienen oder die fehlende | |
Digitalisierung etwa in der staatlichen Verwaltung zeigen. Außerdem sind | |
hohe Investitionen nötig, um das Ziel der [3][Klimaneutralität 2045] zu | |
erreichen. Dazu müssen etwa die Stromnetze ausgebaut werden. | |
Für das laufende Jahr werden die neuen Investitionsspielräume von Bund, | |
Ländern und Kommunen allerdings wenig Auswirkungen haben. Denn es wird | |
einige Zeit brauchen, bis die zur Verfügung stehenden Mittel auf den Weg | |
gebracht werden, erwartet der Ökonom Sebastian Dullien, wissenschaftlicher | |
Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der | |
gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Für 2026 dürften dagegen bereits | |
in größerem Umfang Mehrausgaben wachstumswirksam werden“, erwartet er. | |
Dullien geht davon aus, dass 2026 das Wirtschaftswachstum um gut 1,5 | |
Prozent wachsen dürfte. „Wenn tatsächlich nun die öffentlichen | |
Investitionen über die kommenden zehn Jahre um 500 Milliarden Euro erhöht | |
werden, könnte das die deutsche Wirtschaftsleistung bis über die Mitte des | |
Jahrhunderts hinaus spürbar erhöhen“, sagt er. | |
## Nur ein Strohfeuer? | |
Das sieht das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) | |
ähnlich. „Mittel- bis langfristig könnte es zum dringend benötigten | |
Befreiungsschlag für die deutsche Wirtschaft werden und zusammen mit | |
Strukturreformen das Wachstumspotenzial erhöhen“, schätzt IW-Direktor | |
Michael Hüther. Der Standort verfalle, weil der Staat über Jahre zu wenig | |
investiert habe. „Jetzt bietet sich die Chance zur konjunkturellen | |
Trendwende“, sagt er. „Vorausgesetzt, Union und SPD erliegen nicht der | |
Versuchung, die freigewordenen Mittel für Soziales umzuwidmen.“ | |
Grundsätzliche Kritik kommt von der [4][Ökonomin Veronika Grimm], Mitglied | |
des Sachverständigenrats Wirtschaft. Sie befürchtet eine Schuldenkrise in | |
der EU und dass die Investitionen nur ein „Strohfeuer“ auslösen würden. | |
Nach ihrer Einschätzung könnte die Wirtschaft in den Jahren 2026 und 2027 | |
zwar um 0,6 oder 0,7 Prozent wachsen. Aber ohne Strukturreformen werde das | |
Produktionspotenzial nicht steigen, außerdem drohe die Inflation | |
zuzunehmen. Unter Strukturreformen versteht Grimm herbe Einschnitte bei | |
Leistungen des Staates, etwa der Rente. | |
Die Summe von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur | |
erscheint gigantisch. Aber der tatsächliche Modernisierungsstau dürfte | |
damit nicht komplett aufgelöst werden. Denn der Bedarf ist höher, wie | |
Studien zeigen. Nach Berechnungen etwa der Denkfabrik [5][„Dezernat | |
Zukunft“] sind bis 2030 insgesamt 782 Milliarden Euro erforderlich. | |
18 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Einigung-mit-den-Gruenen/!6075921 | |
[2] https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/pressemitteilung… | |
[3] /-Einigung-zu-Finanzpaket-/!6075711 | |
[4] /Oekonomin-Veronika-Grimm/!5992147 | |
[5] https://dezernatzukunft.org/was-kostet-eine-sichere-lebenswerte-und-nachhal… | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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