# taz.de -- Die Wahrheit: „Darf ich Ihnen etwas vorspielen?“ | |
> Auf ein investigatives Gastro-Interview und eine C-Dur Sonate mit dem | |
> Nato-Generalsekretär Mark Rutte auf Stippvisite in Berlin. | |
Bild: Stolzer Besitzer einer Patat-Oorlog-Maschine: Mark Rutte | |
taz: Herr Rutte, wir stehen hier bei Mustafas Gemüsekebab in | |
Berlin-Kreuzberg in der Schlange. Danke, dass Sie sich spontan ein paar | |
Warteminuten Zeit nehmen, um mit der Wahrheit zu sprechen. Wir hätten Sie | |
nicht an diesem Ort erwartet! | |
Mark Rutte: Ja, da staunen Sie – und übrigens immer gerne, ich verfolge die | |
Wahrheit schon, seit ich fleißig Deutsch lerne. Aufklärung ist wichtig und | |
dass der Spaß nicht auf der Strecke bleibt! (Lacht und kickt eine Person, | |
die sich seitlich in die kilometerlange Gemüsekebab-Schlange mogeln will, | |
dezent weg.) | |
Was führt Sie nach Berlin? Sind Sie Vegetarier oder gar Veganer? | |
Aber nein! Ich bin geschäftlich auf Mission hier; zwischen zwei Terminen | |
beim Kanzler to go und beim Kanzler to be wollte ich mal wieder bei Mustafa | |
vorbeischauen. Den kenne ich, seitdem ich mit meiner Mutter Hermina | |
Cornelia selig auf einem Wochenendtrip 1997 hier war. Mutter, die das beste | |
Rezept für Bitterballen hatte, war begeistert von Mustafa …. kennen Sie | |
eigentlich Bitterballen? | |
Sicher doch, mir ist die niederländische Esskultur leidvoll durch mehrere | |
Aufenthalte in Ihrem Polderland bekannt. Mittags gibt es nur hartgekochte | |
Eier und ein Stück trocken Brot. Wenn es hochkommt, dazu ein, zwei Löffel | |
warme Suppe mit nichts drin. Nach der Arbeit wird geborrelt mit einem | |
Bier, einer überschaubaren Ecke Gouda und ebenden Bitterballen, eiskalt | |
frittierten Fleischbällchen. Mir fehlt in Holland die warme Tellermahlzeit | |
mittags. Stets diese Borrelcultuur! | |
(Rutte grinst und lächelt ununterbrochen, so wie er es auch vergangene | |
Woche bei seinem Besuch von US-Präsident Donald Trump in Washington getan | |
hat. Der Mann ist schwer zu knacken, eine beleidigte Leberwurst sieht | |
anders aus.) | |
Europäische Medien berichten seit Langem gerne von Ihnen, Sie waren ja auch | |
lange niederländischer Ministerpräsident, also sie berichten, dass Sie | |
immer schon so ein „vrolijk mannetje“, so ein fröhlicher Mensch waren! Sie | |
wohnen in einer kleinen Etagenwohnung in Den Haag, fahren einen alten Saab | |
und haben erst seit Kurzem ein Smartphone. | |
Alles korrekt (grinst weiter mit felsenfest geschlossenen Lippen). Jetzt | |
musste ich mir nur noch letzten Herbst eine kleine Einliegerwohnung nahe | |
dem Nato-Hauptquartier in Brüssel besorgen. Jeden Abend wieder in meine | |
Heimatregierungsstadt Den Haag pendeln, wäre zeitlich dann doch knapp | |
geworden, auch wenn Sie nach mir die Uhr stellen können (kräuselt pfiffig | |
seine Nase). Bin jetzt bei Uschi untergeschlupft, günstig. | |
Ursula von der Leyen? | |
(Rutte nickt professionell spitzbübisch.) | |
Ach. Isst die auch so gerne kalt wie Sie? | |
Sie isst praktisch gar nicht. Doch einmal, als ich einzog! Was es da gab, | |
entnehme ich als Frage Ihrem fragenden Blick? Ich hatte zum Einstand meine | |
tragbare Patat-Oorlog-Maschine ausgepackt. Die steht für übersetzt | |
„Pommes-Krieg“ – die handliche Maschine nehme ich nächstes Mal zu Trump … | |
ins Oval Office. So könnte es klappen, ihn über den kleinen runden Tisch | |
dort zu ziehen. Wissen Sie was? | |
Nein. | |
Knallharte und routinierte niederländische Freundlichkeit nach Art unserer | |
alten Gildenzünfte wird bei ihm sehr schnell nicht mehr reichen. Der Mann | |
ist äußerst emotionsstark. (grinst). Wo waren wir stehen geblieben? | |
Hier in der Gemüsekebab-Schlange. Und bei Patat Oorlog … | |
Richtig! Patat Oorlog! Zu Deutsch Pommes im Schlachtfeld, mit äußerst viel | |
Mayo, Zwiebeln und Erdnusssauce. Eine chaotische Zusammenstellung der | |
Zutaten, die an ein Schlachtfeld erinnert. | |
So was wie die Nato ohne die USA? | |
Das haben Sie gesagt, ich lasse mich da als Nato-Generalsekretär nicht | |
reinziehen, das habe ich auch Trump beim Stichwort Grönland letzte Woche | |
schon gesteckt. Lassen Sie mich vielmehr Ihnen etwas präsentieren! Als | |
Pianist von Kindesbeinen an (grinst), komponiere ich seit Neuestem auf | |
meinem brandneuen Smartphone. Darf ich Ihnen meine erste Klaviersonate in | |
C-Dur vorspielen? | |
Gerne, und da kommt ja auch schon das Gemüsekebab, Mahlzeit! | |
(Rutte fingert auf seinem Handy herum, blechern erklingt maschinell tönende | |
Klaviermusik.) | |
Harter Stoff, sage ich Ihnen, harter Stoff (lächelt routiniert und | |
abschließend). Ich wünsche Ihnen hier in Deutschland alles Gute bei Ihren | |
warmen Tellermahlzeiten und bin dann mal weg mit meinem Gemüsekebab … | |
Vielen Dank für das Gespräch, Mark Rutte und allzeit guten Appetit! | |
18 Mar 2025 | |
## AUTOREN | |
Harriet Wolff | |
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