# taz.de -- Die Wahrheit: Am Brünnlein vor dem Tore | |
> Was macht eigentlich Olaf Scholz, Kanzler a. D.? Der wahre Hausbesuch in | |
> Potsdam. | |
Bild: „Sie backt göttlich“: Olaf Scholz über seine Britta | |
Den „Olaf“ soll hier jeder kennen. So weiß es zumindest die | |
Boulevardpresse, auf deren heißen Spuren wir die Landesgrenze von Berlin | |
und Brandenburg fürs Erste problemlos überwunden haben. Nur Jacky Peters | |
sagt in Potsdam [1][der ehemalige Bundeskanzler] nichts, dessen größte Ehre | |
es war, „der Bundesrepublik Deutschland zu dienen“. | |
Der Biker mit dem tätowierten Helm kratzt sich an der noch tätowierteren | |
Glatze. „Olaf? Hamwa hier nich. Aber vielleicht da vorne, am Brunnen vor | |
dem Tore beim Schloss vom Fritze, da waren mal so schwarze Autos mit so | |
dicken Chauffeuren gestanden.“ | |
Und tatsächlich: Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum, und da | |
macht uns auch schon der Mann auf, der mit 1.245 Tagen Amtszeit als neunter | |
Bundeskanzler der BRD der am drittkürzesten amtierende Regierungschef war, | |
nach Kurt Georg Kiesinger und Ludwig Erhard. | |
Und der, wir erinnern uns, auch wenn es seit Ampelende Ende Februar schon | |
recht lange her ist, „Scholzomat“ genannt wurde, weil er nichts | |
Menschelndes herauspresste durch seine nüchternen Lippen. Doch ist das etwa | |
passé, vorbei, aus? Denn vor uns im Potsdamer Türrahmen steht ein Bild von | |
einem Mann nach seinen besten Jahren. | |
## Es duftet nach Keksen | |
Ein Medley aus Supertramp und alten Volksweisen trällernd, zieht uns Scholz | |
in seine vielstöckige Etagenwohnung hinein. Wir stolpern über seine | |
lässigen Laufschuhe „von Lidl an der Ecke“, wie der wie stets stoppelig | |
Rasierte uns augenzwinkernd aufklärt. Seine Frau, Britta Ernst, die | |
ehemalige brandenburgische Bildungsministerin, winkt uns aus der witzigen | |
Küche im Camping-Landhausstil frisch und fröhlich zu, es duftet nach | |
Keksen. | |
„Britta ist eine göttliche Bäckerin, diesen Fakt wollte ich schon während | |
meiner Amtszeit als Bundeskanzler mitteilen, dazu ist es aber aus diversen | |
Gründen nicht gekommen.“ Da ist sie wieder, die Scholzomat-Sprache, kein | |
Wunder, es geht um seine ausgeschüttete Kanzlerschaft. Doch gleich fängt | |
sich der Hausbesuchte wieder. „Hier, probieren Sie mal, Spinatmakronen mit | |
Dubai-Dip!“ | |
Wir verschlucken uns gerade an der süßen Bombe, als Britta Ernst, | |
Luftbussis verteilend, an uns vorbei das Haus verlässt. „Ihren Lesezirkel | |
mit bunten Zeitschriften und anschließender Diskussion lässt meine Frau | |
nicht ausfallen, seitdem wir beide beruflich kürzer treten“, vermeldet | |
Scholz. | |
Zeit, ihn nach seinem „neuen Leben“ zu befragen. Wir setzen direkt an. „W… | |
geht es Ihnen heute, Herr Scholz?“ Der Altkanzler runzelt die Hände und | |
reibt sich die Stirn: „Mir geht es hervorragend, die Weltlage macht mir | |
natürlich Sorge, aber ich habe mein Scherflein getan, und da ist ja auch | |
noch [2][Lars Klingbeil], die Geheimwaffe der SPD.“ | |
## Ein nur leicht gehässiges Lächeln | |
Wir glauben, ein leicht, aber nur leicht gehässiges Lächeln um die | |
grinsende Mundpartei, nein, Partie, des Kanzlers a. D. auszumachen. Doch | |
darum geht es uns heute vor den hübschen Toren Berlins nicht. Es geht uns | |
um Olaf Scholz ganz und gar ganz privat. „Sie gestatten die Nachfrage: Wie | |
geht es Ihnen wirklich, also so zu Hause, hier in Potsdam?“ | |
Scholz kratzt sich ausgiebig am Kinn, dann gießt er einen Earl-Grey-Tee für | |
sich und uns auf. Das dauert zirka 25 Minuten, weshalb der Earl-Grey-Tee | |
auch etwas stark und bitter schmeckt. Dann erfolgt eine Antwort auf unsere | |
Frage. „Ich sage jetzt gerne mal: Abwarten und Tee trinken und in sich | |
hineinspüren! Was da ist, da drinnen bei mir, Olaf Scholz?“ Wir nicken, der | |
a. D. macht es recht spannend. Wir rutschen auf der Stuhlkante hin und her. | |
„Nun, ich habe ja noch mein Bundestagsmandat.“ Ob das alles sei, fragen wir | |
zurück. „Nein.“ Olaf Scholz richtet sich auf, bindet sich akkurat die | |
Schnürsenkel seiner Hausschuhe. „Ich summe jetzt recht oft auch vor mich | |
hin. Zum Beispiel: ‚Am Brünnlein vor dem Tore, da steht ein Lindenbäumchen, | |
ich träumt in seinem Schatten so manch süßes Träumchen‘“. | |
Ein mit sich wohl über weite Strecken im Reinen und Feinen lebender Olaf | |
Scholz a. D. bringt uns nach einer zweiten Tasse Earl Grey zu besagtem | |
Lindenbaum vor den Toren Potsdam. Dann geht er im Schlosspark Sanssouci | |
eine Runde Laufen auf seinen Lidl-Schuhen. | |
Was [3][Robert Habeck] wohl gerade macht? Wir bleiben dran. | |
18 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Harriet Wolff | |
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