Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SSW-MdB über die Tiraden des CDU-Chefs: „Ich dachte, bei Merz se…
> Stefan Seidler sitzt erneut für den Südschleswigschen Wählerverband im
> Bundestag. Er befürchtet Kürzungen bei Minderheitenrechten – aufgrund der
> AfD.
Bild: Stefan Seidler, hier bei einem Parteitag des Südschleswigschen Wählerve…
taz: Herr Seidler, [1][als Friedrich Merz am Tag vor der Bundestagswahl
über linke und grüne Spinner hergezogen hat,] haben Sie sich da auch
angesprochen gefühlt?
Stefan Seidler: Und ob. Ich fand das eine Sauerei. Die Demonstration, über
die er gesprochen hat, habe ich mitorganisiert. Ich dachte, bei Merz sei
eine Sicherung durchgeknallt und kurzzeitig hatte ich wirklich Schiss, dass
er vielleicht doch gemeinsame Sache mit der AfD macht.
taz: Apropos AfD. Bislang schien Schleswig-Holstein relativ immun gegen die
Partei zu sein. Jetzt hat sie dort 16,9 Prozent der Stimmen bekommen. Haben
Sie dafür eine Erklärung?
Stefan Seidler: Nicht wirklich. Sogar in Flensburg sind einige Wahlbezirke
braun geworden, zum Beispiel mein Heimatbezirk im Südwesten.
Entschuldigung, aber jetzt wird es richtig lokal. Dort gibt es ein Freibad,
das sollte schließen. Ich habe mich für die Erhaltung eingesetzt und Geld
in Berlin besorgt. Und jetzt zögert die Stadt noch, ob sie das Bad trotzdem
sanieren lassen will oder nicht. Ich glaube, das ist ein Beispiel, warum
die Leute die Nase von der Politik voll haben, im Kleinen wie im Großen.
taz: [2][In Anbetracht der außenpolitischen Lage wird derzeit in Sachen
Militärausgaben viel über eine Lockerung der Schuldenbremse und
Sondervermögen diskutiert]. Sollte der alte Bundestag da noch tätig werden?
Stefan Seidler: Bei der Schuldenbremse bin ich ganz klar für eine
Lockerung. Besonders auch im Norden müssen wir investieren – in den
Küstenschutz, unsere Häfen, überhaupt in die Infrastruktur, da bröckelt
alles auseinander. Bei den Militärausgaben würde ich mir wünschen, dass
zunächst mit den Linken Gespräche geführt werden, ob sie sich in
irgendeiner Form bewegen. Falls nicht, müssten wir das wohl jetzt noch
durchziehen. Es geht um nichts weniger als die Verteidigung von Freiheit
und Demokratie. Ehrlich gesagt, ich tue mich schwer damit, denn der SSW ist
ja traditionell eine pazifistische Partei, aber jetzt haben wir wirklich
eine akute Bedrohungslage, und das auch noch direkt vor der Haustür. Nehmen
wir mal den Ostseeraum, [3][wo Schiffe mit ihren Ankern Pipelines, Tunnel
und Kabel gefährden.] Die Joint Forces gemeinsam mit den Schweden, Dänen
und Polen sind dort ja bereits im Einsatz. Aber die Zusammenarbeit muss
vertieft werden. Dafür brauchen wir aber ein neues Seesicherheitsgesetz.
taz: [4][Einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte in der letzten Legislaturperiode
waren ja die Rechte von Minderheiten.] Geht der Einsatz an dieser Front
weiter?
Stefan Seidler: Auf jeden Fall. Es wäre geradezu fatal, bei den
Minderheiten zu sparen in einer Zeit, wo rechtsaußen immer stärker wird.
Diese Leute definieren Demokratie und Politik als Macht des Stärkeren.
taz: Haben Sie die Befürchtung, dass bei Geldern für Minderheiten künftig
gekürzt wird?
Stefan Seidler: Klar wird versucht werden, da mit dem Rotstift ranzugehen.
Und das schlägt immer doppelt zu Buche. Da geht es nämlich nicht um eine
kleine Hochglanzbroschüre oder eine nette Kulturveranstaltung, sondern es
geht an die Substanz: Schulen, andere Institutionen. Wenn die die Lichter
ausmachen, ist das unwiderruflich. Außer den Minderheiten werde ich mich
natürlich auch um meine anderen Themen weiter kümmern.
taz: Als da wären?
Stefan Seidler: Küstenschutz, Entwicklung der Infrastruktur sowie Bildungs-
und Sozialpolitik nach nordischem Vorbild. Ich könnte mir auch vorstellen,
einen Fokus auf Kultur zu legen, weil ja auch da immer gespart wird. Ich
habe in der vergangenen Periode übrigens immer gut mit der Linken
zusammengearbeitet. Sie waren es, die mir hier und da eine kleine Anfrage
ermöglicht haben. Inhaltlich haben wir Schnittmengen, zum Beispiel bei der
Wohnungspolitik. Da würde ich gerne mal erklären, wie das in Skandinavien
funktioniert.
taz: Die AfD wird mit 152 Abgeordneten im neuen Bundestag sitzen. Was
erwarten Sie für die parlamentarische Arbeit?
Stefan Seidler: Der Eiertanz fängt ja schon auf dem Flur an, weil man nicht
weiß, wem man da über den Weg läuft oder wer mit einem im Aufzug steht. Die
Stimmung dürfte schlechter werden. Normalerweise bewege ich mich gerne in
diesen Räumlichkeiten. Vielleicht kommt es so weit, dass ich irgendwann
denke: Bloß schnell weg hier, wenn die Arbeit getan ist.
Im Parlament rechne ich mit mehr Druck seitens der AfD. Unter Demokraten
gibt es ja die klare Abmachung, dass diese Partei keinen Platz im Präsidium
des Bundestags bekommt. Ob das jetzt noch aufrechterhalten werden kann,
weiß ich nicht. Ich werde mich jedenfalls dafür starkmachen. Und dann
werden wir wieder das Klagelied hören, dass sie hier unterdrückt werden und
dass wir die Antidemokraten sind. Das alles macht mir große Sorgen.
taz: Jetzt gucken wir noch mal etwas weiter in den Norden. Was können wir
von Dänemark lernen?
Stefan Seidler: Bürgerbeteiligung gleich von Anfang an mitdenken. Nicht
immer darauf warten, dass man sich 140 Prozent bei einer Sache sicher ist,
sondern vielleicht schon mal bei 80 Prozent loslegen. Dann schaffen wir den
Rest auch noch.
taz: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Stefan Seidler: Ja, eins meiner Lieblingsthemen, den Küstenschutz. Wegen
steigender Wasserstände haben wir mobile Deiche angeschafft, mussten dann
aber feststellen, dass das an der Ostküste teilweise nicht wirklich etwas
bringt. Okay, das Geld wurde falsch ausgegeben, aber immerhin haben wir
etwas gelernt: Dass wir die Schleusen und Deiche ein bisschen höher bauen
müssen.
1 Mar 2025
## LINKS
[1] /Totalausfall-von-Friedrich-Merz/!6071285
[2] /Debatte-ueber-Schuldenbremse/!6072173
[3] /Hybride-Kriegsfuehrung/!6049672
[4] /Wahlkampf-als-Kleinstpartei/!6049703
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
SSW
Schleswig-Holstein
Minderheitenrechte
GNS
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Kleinstparteien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte über Schuldenbremse: Woher kriegt die neue Regierung ihre Kohle?
Selbst die Union ist nun bereit, mehr Geld auszugeben – wenn auch nur über
ein neues Sondervermögen. Aber es gibt auch Alternativen.
CDU delegitimiert NGOs: Rechter Kulturkampf der Merz-Lauchs
Hätte Merz ohne Omas gegen Rechts die absolute Mehrheit geholt? Das
suggeriert eine CDU-Anfrage im Bundestag. Warnung: Auf den Staat ist kein
Verlass.
Wahlkampf als Kleinstpartei: „Ich bin hier der Kleinste“
Wahlkampf im Winter? Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte
Kleidung, findet Stefan Seidler, einziger Abgeordneter seiner Partei im
Bundestag.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.