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# taz.de -- Konzertdebüt von Londoner Trio Moin: Wabern gegen bleierne Tage
> Genialer Abend mit Moin! Das gehypte Londoner Noisetrio überzeugt bei
> seinem Konzertdebüt im Berliner „Silent Green“ mit konzentrierter
> Spielfreude.
Bild: Straff, groovy, null Schnörkel: Moin aus London
Berlin taz | Als Band der Stunde erweist sich am Mittwochabend in Berlin
eine Combo, deren Namen einen erst mal auf falsche Fährten locken kann.
Hinter Moin verbirgt sich keine Band von hemdsärmeligen Jungs aus dem hohen
Norden, sondern ein Londoner Trio, dessen erstes Konzert in Deutschland ein
brizzeliges Flirren in die Betonhalle des „Silent Green“ zaubert, diesen
karg-kühlen Veranstaltungsort im ehemaligen Krematorium – welche wohltuende
Antidot zur allgemeinen Stimmung in diesen bleiernen Tagen.
Anders als es bei einer Band zu erwarten ist, die mit noisigem
Feedback-Loops auftrumpft und Bezüge zum Posthardcore der 1980er und 90er
Jahre herstellt (auf eine Weise, die alles andere als epigonenhaft wirkt),
überwiegen im Publikum keine älteren Herren mit Faible für Shoegaze, Grunge
und Postrock.
Stattdessen hat sich eine bunt gemischte junge Crowd mit modischem
Sendungsbewusstsein eingefunden. Es gibt reichlich hippe Haartracht zu
bestaunen, während man darauf wartet, dass es auf der in der Raummitte
platzierten Bühne losgeht.
## Stabilisierende Beats
In den zehn Jahren, bevor 2021 Moins Debütalbum „Moot!“ erschien, bildeten
Tom Halstead und Joe Andrews zusammen das Elektronikduo Raime – sein Sound
düster, eher fokussiert auf grummelige Industrial-Texturen als auf Beats.
Rhythmen – solche, die die gerahmten Klangwelten stabilisieren und zugleich
weit aufspannen – sind dagegen das Markenzeichen von Valentina Magaletti,
einer kollaborationserprobten Schlagzeugerin mit süditalienischen
Wurzeln.
Magaletti versteht es, avantgardistische Improvisation mit Popappeal zu
betanken. Bei der psychedelischen Dreampop-Band Vanishing Twin spielte sie
ebenso mit wie bei Tomaga, einem Duo, das zwischen Industrial, Jazz,
Psychedelia und Minimalismus oszillierte und leider durch den Krebstod
ihres Mitstreiters Tom Relleen 2020 ein tragisches Ende fand.
Raime, so erklärte Andrews dem Onlinemagazin The Quietus unlängst, wähnten
sich nach ein paar Jahren gemeinsamen Schaffens in der Sackgasse.
[1][Magalettis Schagzeugspiel bot (neben den analogen Instrumenten, die die
beiden wieder in die Hand nahmen) offenbar den Ausweg und sorgte für neue
Fluidität.]
## Straff, groovy, ohne Schnörkel
Wirkte das Moin’sche Debütalbum noch ein bisschen wie die Ausformulierung
einer Idee, klingt der Nachfolger „Paste“ schon wie dessen geschmeidige
Umsetzung: straffere, verblüffend groovige Songs, in denen dennoch
Schnörkel steckten. Vergangenen Herbst erschien dann ihr bislang
zugänglichstes Album „You Never End“, bei dem die Band erstmals im großen
Stil mit Stimmen arbeitet. Davon ist beim Konzert jedoch nichts zu hören.
Die Tracks verschmelzen zu einem gut einstündigen, instrumentalen Amalgam
mit starker Sogwirkung. Gerade erst haben sie ihr Set mit „Cubby“ eröffnet,
einem Stück, bei dem Andrews geerdetes Gitarrenintro die Zuseher:Innen
erst bei der Hand nimmt, [2][nur um deren Imagination durch Magalattis
polyrhythmisches Geklöppel in alle Richtungen gleichzeitig zerstäuben zu
lassen], da ist das Konzert schon wieder vorbei.
Unterbrochen wird der wohlige Bewusstseinsstrom nur durch gelegentlichen
Applaus für Passagen, in denen die Ambiguitätstoleranz ihrer Klangwelten
besonders hell leuchtet. Produktive Beunruhigung trifft bei Moin auf eine
erstaunlich tröstliche Melancholie.
Auf der Bühne steht nicht nur das Trio, mit Halstead am Elektronik-Pult –
sondern auch ein vierter Musiker am Bass. Seinen Namen wird man nicht
erfahren; Ansagen gibt es keine. Die Band spielt konzentriert und bildet
einen Kreis inmitten eines grünlich ausgeleuchteten Raums. Die vier spielen
einander zugewandt. Trotzdem bleibt das Publikum nicht außen vor.
Durch [3][das konzentrierte Zusammenspiel] entsteht ein wabernder
Energiekreis, bei dem Uncanniness (eine Art Grusel) auf spröde Grooviness
trifft. Immersive Noisepassagen klingen live deutlich roher – aber doch
nach einem geschützten Kokon, in den man sich gerne fallen lässt. Derweil
verhindern die zentrifugalen Beats, dass es allzu hermetisch wird. Toll,
dass ein Hype wirklich mal passender Soundtrack zur Zeit sein kann.
27 Feb 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Stephanie Grimm
## TAGS
Noise
London
Konzert
Hype
Norwegen
Free Jazz
Brüssel
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