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# taz.de -- Thomas Ebermann über Wahn und Normalität: „Kluge Gedanken durch…
> Die szenische Lesung „Normal. Eine Besichtigung des Wahns“ zeigt
> satirisch und polemisch, wie wahnhaft die politische Ideologie der
> Normalität ist.
Bild: Fit für die Normalität: ganz normaler Wahnsinn im Fitnesscenter
taz: Herr Ebermann, in Hamburg haben gerade viel weniger Menschen AfD
gewählt als anderswo, am meisten Stimmen gab es für die regierende SPD. Hat
da die Vernunft noch mal über den Wahn gesiegt?
Thomas Ebermann: Wir haben oft genug im Fernsehen gehört, dass das an
Hamburgs Liberalität und Weltoffenheit liegt. Komisch, wieso dann gerade
hier Schill passieren konnte. Also nein: Der normale Anhänger der
knallharten instrumentellen Vernunft hat Olaf Scholz auf dem Spiegel-Titel
gesehen, „massenhaft abschieben“, und weiß, dass sein Anliegen ohne Schaum
vor dem Mund, aber in der Sache knallhart in guten Händen ist. Es ist also
eine Bestätigung dessen, was wir in unserer szenischen Lesung auch sagen:
Ja, es gibt den Wahn und er ist bedrohlich. Aber noch krepieren mehr
Menschen an der berechnenden Normalität; an dem, was Horkheimer
instrumentelle Vernunft nennt …
taz: … eine technisch-rationale Denkweise, die sich nur auf die Mittel zur
Erreichung von Zwecken konzentriert, ohne die Zwecke kritisch zu
hinterfragen.
Ebermann: Ziele sind gleichgültig, die Mittel sind alles: [1][Mittel zum
Erfolg], zum Vorankommen, um den Laden am Laufen halten und
Standortsicherung zu betreiben. Insofern: Wer im Hamburger Wahlergebnis
einen Grund sieht aufzuatmen, sieht die Dinge anders als ich. Wir machen
einen Abend gegen Irrationalismus und instrumentelle Vernunft. Dann ist
Hamburg ein gutes Beispiel, wie mörderisch die instrumentelle Vernunft ist.
taz: Berechnende Normalität ist gefährlicher als AfD-Erfolge?
Ebermann: Das eigentlich Beängstigende ist die Übernahme der
AfD-Positionen. Wenn man sagt, die AfD ist Symptom der gesellschaftlichen
Rechtsentwicklung und nicht lediglich Initiator, dann bekommt man eher
[2][Angst vor einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung]. Die Hauptgefahr
ist die Rechtsentwicklung innerhalb der Demokratie und nicht die
Abschaffung der Demokratie.
taz: Was kann man dagegen mit den Mitteln der Satire tun?
Ebermann: Wir haben in Graz zusammengesessen, uns ganz klassisch an Max
Horkheimers „Kritik der instrumentellen Vernunft“ geschult und versucht,
hinter die Geheimnisse zu kommen, die auch in den Andeutungen stecken. Ich
glaube, dass ein Abend witzig sein darf, wenn man ihm anmerkt, dass [3][der
Witz nicht die Unwissenheit kaschiert], sondern auf einer angelesenen
Klugheit basiert. Du kannst den Witz auf eine etwas vordergründigen Weise
verstehen oder auch den theoretischen Background, den man ja im Regelfall
nicht mitreferiert. Sonst ist es ja kein Theaterabend, sondern ein
Sachbuchvortrag.
taz: Wie sieht das auf der Bühne aus?
Ebermann: Der Abend ist zweigeteilt. Die erste Halbzeit ist etwas, wo der
ganze Saal mitlacht bei der Besichtigung des offensichtlich Wahnhaften,
Chemtrails oder so. Oder bei der Frage: Wie steht es mit den Linken und der
Esoterik? In der Coronazeit sind ja von autonom über gewerkschaftlich
orientiert bis antideutsch Heerscharen verrückt geworden.
taz: Und dann geht es um die instrumentelle Vernunft und die Normalität?
Ebermann: Ja, warum ist die instrumentelle Vernunft nicht der Gegensatz,
sondern das Fundament des Wahnhaften? Wir kritisieren die Normalität und
erzählen die Geschichte des Normalismus. Und auch hier fragen wir uns
wieder: Was passiert mit Linken, wenn sie der Normalität huldigen wollen?
Wir diskutieren zum Beispiel, ob Stephan Lessenichs Buch „Nicht mehr
normal“ nicht ein bisschen zu viel Verständnis für den normalen Menschen
hat. Es kann viel gelacht werden, aber es wird auch Momente der
Überforderung geben. Das ist ja ein bisschen unser Markenzeichen, dass man
sagt: Es gibt so kleine Inseln, die sind recht abstrakt und nicht so leicht
zu verstehen. Aber man findet wieder rein, weil es auch das Beispielhafte
und Episodische gibt. Wir wollen ein paar kluge Gedanken durch die
trostlose Zeit retten.
23 Apr 2025
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## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
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