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# taz.de -- Femizide als Straftat: Neue italienische Härte
> Italien will Femizide mit einem neuen Gesetz zum eigenen Straftatbestand
> machen. Ist das Symbolpolitik oder Zeichen des kulturellen Wandels im
> Land?
Bild: Rote Schuhe zum Gedenken an Femizide in Amalfi, Italien
Rom taz | Lebenslänglich: Dies soll in Zukunft in Italien das
Standardstrafmaß für Femizide werden – für Femizide, die als eigener
Straftatbestand Eingang ins Gesetzbuch finden. Dies jedenfalls sieht der
pünktlich zum Frauentag am 8. März von der Regierung unter Giorgia Meloni
vorgelegte Gesetzentwurf vor.
„Wer den Tod einer Frau verursacht, wenn die Tat als Akt der
Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder
um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt,
wird mit lebenslanger Haft bestraft“, heißt es in dem Entwurf.
Die Verabschiedung im Parlament gilt als sicher, denn nicht nur die
Regierungs-, sondern auch die Oppositionsparteien unterstützen das
Vorhaben. Aber ändert die neue Norm überhaupt etwas außer der Tatsache,
dass in Zukunft die Verurteilung wegen „Femizid“, nicht wegen „Mord“
erfolgt? Spektakuläre Fälle der jüngeren Vergangenheit scheinen für das
Gegenteil zu sprechen.
Im November 2023 erschütterte [1][der Fall der Studentin Giulia Cecchettin]
Italien. Die 22-Jährige wurde von ihrem Ex-Freund und Kommilitonen Filippo
Turetta ermordet, weil sie ihn verlassen hatte. Turetta hatte das Delikt
akribisch geplant – ganz so wie sechs Monate zuvor Alessandro
Impagnatiello. Der 31-jährige Barkeeper hatte seine schwangere Freundin mit
zahlreichen Messerstichen getötet, sich aber schon in den Monaten zuvor im
Internat ausführlich über Giftmorde informiert. Beide Täter erhielten auf
der Grundlage der schon geltenden Normen lebenslänglich.
## „Kollektive Bewusstwerdung“
Dennoch begrüßten die beiden Väter der ermordeten Frauen jetzt das neue
Gesetz; Gino Cecchettin erklärte, der neue Tatbestand Femizid sei ein Akt
„kollektiver Bewusstwerdung, eine Differenzierung, die nötig war“. Nötig
zumindest in den Fällen, in denen Gerichte mildernde Umstände für den
Frauenmörder fanden. So verurteilte im Jahr 2022 ein Gericht in Palermo
einen Unternehmer zu 19 Jahren Haft, der seine schwangere Geliebte
erstochen hatte.
Das Gericht machte sich die Einlassungen des Angeklagten zu eigen, er habe
im „Raptus“ gehandelt, als Impulstäter. Allerdings hob das
Kassationsgericht das Urteil als zu milde auf, und in der Neuverhandlung
gab es doch lebenslang. Solche Neuverhandlungen würden mit dem neuen Gesetz
eher unwahrscheinlich, da lebenslänglich zur Norm wird. Und auch wenn
einige Oppositionspolitiker:innen beklagten, das neue Gesetz sei
bloß ein „Werbespot“ für die Regierung, steht es doch für den radikalen
kulturellen Wandel, den Italien in den letzten 40 Jahren erlebt hat.
Erst im Jahr 1981 wurden die Bestimmungen zum „Ehrendelikt“ aus dem
Strafgesetzbuch gestrichen. Sie sahen vor, dass Ehemänner, Väter, Brüder
mit Haft von bloß drei bis sieben Jahren bestraft wurden, wenn sie eine
Frau aus ihrer Familie wegen „illegitimer fleischlicher Beziehungen“
umbrachten. Und meist gab es in den Urteilen eher drei als sieben Jahre.
Früher höchst mild bestrafte „Ehrendelikte“, in Zukunft äußerst hart
sanktionierte „Femizide“: Der Wind hat sich gedreht.
## Keine Prävention
[2][Doch die Regierung Meloni] muss sich aus den Reihen der Opposition
vorwerfen lassen, sie tue nicht genug, sie setze bloß auf Repression, nicht
auf Prävention. Bis heute ist in Italiens Schulen die Sexual- und
„Beziehungserziehung“, wie es im Land heißt, kein bindender Bestandteil der
Lehrpläne, und wenn es nach der regierenden Rechten geht, soll das auch so
bleiben. So erklärte ein Lega-Abgeordneter, über „heikle Themen“ solle
gefälligst zu Hause, nicht in der Schule, geredet werden. Sonst, so
fürchtet er, könnten „politisierte Lehrer“ ja dabei auch die
„Gender-Ideologie“ in den Unterricht tragen.
Ganz anders sieht das Franco, der Vater der im Jahr 2023 ermordeten Giulia
Tramontano. „Vorbeugen, nicht bloß verurteilen“ sei der Weg. Vorbeugen,
auch in der Erziehung in den Schulen, vorbeugen, aber auch mit ökonomischer
Hilfe für bedrohte Frauen. So sieht das auch der Gewerkschaftsbund CGIL:
„Die Frauen wollen Rechte als lebende Personen“.
10 Mar 2025
## LINKS
[1] /Ein-Femizid-beschaeftigt-ganz-Italien/!5971331
[2] /Der-Aufstieg-von-Giorgia-Meloni/!6039577
## AUTOREN
Michael Braun
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