| # taz.de -- Sexismus im öffentlichen Raum: Frauenwaggons sind nicht die Lösun… | |
| > In Berlin und Hamburg fordern Initiativen Frauen-Waggons im ÖPNV. Heißt | |
| > das, den Kampf um einen öffentlichen Raum ohne Sexismus aufzugeben? | |
| Bild: Muss ja nicht zwingend rosa sein: ein U-Bahn-Waggon, der für Frauen rese… | |
| Hamburg taz | Seit Kurzem gibt es in Hamburg eine Petition für | |
| Frauenwaggons. Bislang haben 35.000 Menschen unterschrieben. Auslöser war | |
| für Doruntina Bajraktaraj, die die [1][Petition] ins Leben gerufen hat, | |
| eine Situation in der U-Bahn. „Platz machen“, schrie ein Mann, der an einen | |
| Sitzplatz wollte, und als sie sagte: „Das kann man auch freundlicher | |
| fragen“, stieß er sie zur Seite und beleidigte sie. Von den anderen | |
| Fahrgästen kam keine Reaktion. Das ist der eine Strang. Es geht um Gewalt | |
| im öffentlichen Raum. Vielleicht hat es bei dem Vorfall keine Rolle | |
| gespielt, dass das Gegenüber eine Frau war. Trotzdem geht es in der | |
| Petition um Schutzräume für Frauen. | |
| Bajraktaraj listet die Zahl der Sexualdelikte auf, die 2023 in Zügen und | |
| Bahnhöfen begangen wurden: 1.898 Sexualdelikte. Die Opfer sind, wenig | |
| überraschend, zu 90 Prozent Frauen. Um sie zu schützen, setzt sich | |
| Bajraktaraj für Waggons ein, die nur für Frauen, Kinder und | |
| Rollstuhlfahrende bestimmt sind. In Tokio gibt es solche Frauenwaggons | |
| bereits seit 2000, in Berlin setzen sich die Grünen dafür ein. | |
| Es ist ohne jeden Zweifel eine gute Nachricht, dass hier jemand darauf | |
| drängt, dass etwas Wirksames zum Schutz von Frauen passiert. Warum bleibt | |
| dann ein kleines Gefühl der Resignation, wenn man die Petition liest? Weil | |
| damit der Anspruch aufgegeben wird, den öffentlichen Raum für alle sicher | |
| zu machen? Weil potenzielle Opfer sich zurückziehen, statt dass dafür | |
| gesorgt wird, dass potenzielle Täter abgeschreckt werden? Und dennoch: Wäre | |
| es nicht dumm, einen wirksamen Schutz abzulehnen, nur weil er nicht die | |
| Maximalforderung erfüllt? | |
| Fragt man Doruntina Bajraktaraj und [2][Antje Kapek von den Berliner | |
| Grünen, die dort die Frauenwaggons einführen will], sagen sie etwas sehr | |
| Ähnliches dazu: nämlich, dass sie unbedingt dafür sind, den gesamten | |
| öffentlichen Raum für alle Beteiligten sicherer zu machen. Aber bis es so | |
| weit ist, wollen sie jetzt eine Lösung für von Gewalt betroffene Frauen | |
| schaffen. „Es soll nicht der Ersatz für ein Gesamtkonzept sein“, sagt | |
| Bajraktaraj, „sondern ein Zusatz.“ Und Kapek: „Natürlich ist ein | |
| diskriminierungsfreier öffentlicher Raum der Anspruch. Aber solange sich | |
| nicht alle an die Regeln halten, ist das ein freiwilliges Angebot.“ Dass | |
| Kapek betont, dass es ein freiwilliges Angebot ist, kommt nicht von | |
| ungefähr. Zu den Kritikpunkten an ihrem Vorschlag gehört ein Argument, wenn | |
| man es denn ein Argument nennen will: Wir sind doch nicht im Iran. | |
| ## Super Stimmung im Frauen-Waggon | |
| Eben den erwähnt die Raumplanerin und Expertin fü[3][r frauengerechtes | |
| Bauen], Eva Kail, wenn man sie nach ihrer Haltung zu Frauenwaggons fragt. | |
| Eine Kollegin habe ihr von der „tollen Stimmung“ in den iranischen | |
| Frauenwaggons erzählt, ihre eigene Erfahrung in einem solchen Waggon in | |
| Kairo sei ähnlich gewesen. Dabei sieht sie durchaus das Dilemma, dass es | |
| ein gewaltfreier öffentlicher Raum eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ | |
| ist, die schon in den Schulen beginnt. Weil es eben um nichts weniger geht | |
| als ein gesellschaftliches Klima, wo sexuelle Gewalt geächtet wird. | |
| Bleibt die Frage, ob die Einrichtung von Frauenwaggons eine Kapitulation | |
| vor der Größe der Aufgabe ist. Eine Idee, auf die Rosa Parks nicht gekommen | |
| wäre, schrieb ein Kollege über das Konzept des Frauenwaggons. Natürlich | |
| hinkt der Vergleich mit der Schwarzen Bürgerrechtlerin an ein paar Ecken, | |
| aber eben nicht an allen. Braucht es mehr Parks-Absolutheit beim Kampf | |
| gegen sexuelle Übergriffe? Mehr „play it big“? | |
| Eva Kail ist in ihrer Antwort gleichermaßen pragmatisch wie empathisch mit | |
| den Ängsten der potentiell Betroffenen: „Das kann nicht das Argument dafür | |
| sein, die Übergriffe bis dahin auszuhalten.“ Aufschlussreich sind da | |
| vielleicht auch die Reaktionen von Verkehrsbetrieben und Politik auf eine | |
| Anfrage zur Sicherheit im Berliner ÖPNV, nämlich: eher mau. Zusammengefasst | |
| verweisen sie auf die unzureichenden Maßnahmen, die es bereits gibt. Beim | |
| Hamburger HVV heißt es völlig zurecht und sehr vage: Die Sicherheit solle | |
| nicht an der Fahrzeugtür enden. | |
| ## Erfolgsgeheimnis: männliche Trainer | |
| Weniger abstrakt ist eine Überlegung von Eva Kail: Führen die | |
| Frauen-Waggons dazu, dass Frauen außerhalb als Freiwild angesehen werden? | |
| Letzten Endes, so sagt sie, müsse das ein Pilotprojekt zeigen. Eines, das | |
| wissenschaftlich solide die Vorher-Situation mit einbezieht – und klärt, | |
| welche Maßnahmen die Zielgruppen, potentielle Opfer und potentielle Täter | |
| gleichermaßen, erreichen. Sie erinnert sich an die Erfahrungen einer | |
| kenianischen Fraueninitiative, die lange ergebnislos versuchte, Fahrer für | |
| sexuelle Übergriffe in ihren Bussen zu sensibilisieren. Das gelang erst, | |
| als junge Männer die Trainings übernahmen. | |
| Tatsächlich gibt es noch mehr Empirie, die man sich in Hamburg und Berlin | |
| zunutze machen könnte. In Mexico City begann bereits 2000 ein „Pink | |
| Transportation“ Programm, das sich ausschließlich an Frauen, Kinder und | |
| ältere Menschen richtet. Es beinhaltet Busse ausschließlich für diese | |
| Gruppe, von Frauen gefahrene Frauen-Taxis, aber auch ausschließlich mit | |
| Frauen besetzte Servicestellen in den meist genutzten Metrostationen. Das | |
| Ergebnis: Die überwältigende Mehrheit der Frauen nutzt diese Angebote, wenn | |
| sie die Wahl haben. Dennoch fühlen sich 70 Prozent grundsätzlich weiter | |
| unsicher, wenn sie den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Klarer kann ein | |
| Auftrag eigentlich nicht sein: Klein beginnen, ohne die großen Schritte aus | |
| dem Blick zu verlieren. | |
| 28 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.change.org/p/frauenwagons-in-u-und-s-bahnen | |
| [2] /Schutzraeume-im-OePNV/!6045710 | |
| [3] /Feministische-Stadtplanung/!6002422 | |
| ## AUTOREN | |
| Friederike Gräff | |
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