# taz.de -- Bundestagswahl für Deutsche im Ausland: Die Wahl muss wohl nicht w… | |
> Viele Stimmzettel aus dem Ausland kommen wohl nicht rechzeitig an. Doch | |
> das Bundesverfassungsgericht wird die Wahl vermutlich nicht annulieren. | |
Bild: Nicht alle Briefe werden hier rechtzeitig ankommen: Wahllager der Stadt H… | |
Berlin taz | [1][Viele Auslandsdeutsche können nicht an der Bundestagswahl | |
2025 teilnehmen], weil die Postlaufzeiten ins Ausland und zurück zu lange | |
dauern und ihre Stimme zu spät ankommt. Das Bundesverfassungsgericht wird | |
die Wahl deshalb aber wohl kaum für ungültig erklären. | |
Die vorgezogenen Neuwahlen setzen alle unter massiven Zeitdruck. | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Bundestag am 27. Dezember | |
aufgelöst, nachdem die Ampel-Koalition auseinanderbrach und Kanzler Olaf | |
Scholz eine Vertrauensfrage verlor. Laut Grundgesetz muss die Neuwahl des | |
Bundestags spätestens 60 Tage nach der Auflösung stattfinden. | |
[2][In dieser Zeit mussten die Parteien Wahlkreiskandidaten und | |
Landeslisten aufstellen], Kleinparteien mussten sogar noch Unterschriften | |
sammeln. Die Wahlausschüsse mussten über die Zulassung der Parteien und | |
Kandidaten entscheiden. Erst nachdem feststand, wer kandiert, konnten die | |
Stimmzettel gedruckt werden. Die Stimmzettel konnten so vielfach erst ab | |
dem 10. Februar an Briefwähler:innen verschickt werden, also erst | |
dreizehn Tage vor der Wahl. | |
Bei vielen Briefwähler:innen im Ausland verhinderten dann aber die | |
Postlaufzeiten ins Ausland und wieder zurück eine Teilnahme per Briefwahl. | |
Auch die eingeräumte Nutzung des Kurierdienstes der jeweiligen deutschen | |
Botschaft beschleunigte den Ablauf nicht unbedingt. | |
## Bis zu vier Millionen Deutsche im Ausland | |
Nach Schätzungen leben drei bis vier Millionen deutsche | |
Staatsbürger:innen dauerhaft im Ausland. Davon haben rund 210.000 | |
Interesse an einer Teilnahme an der Wahl bekundet, indem sie sich in das | |
Wählerverzeichnis ihrer letzten deutschen Heimatgemeinde eintragen ließen. | |
Sollte ein erheblicher Teil dieser 210.000 Personen wegen der | |
Postlaufzeiten nicht an der Wahl teilnehmen können, wäre der Grundsatz der | |
Allgemeinheit der Wahl betroffen. Dieser besagt, dass alle Wahlberechtigten | |
an der Wahl teilnehmen können müssen. Ausnahmen sind nur mit wirklich | |
gewichtigen Gründen möglich. | |
Die Verhinderung von Tausenden oder gar Zehntausenden Auslandsdeutschen | |
kann durchaus auch die Mandatsverteilung berühren. Gerade bei der aktuellen | |
Wahl, bei der FDP und BSW knapp über oder unter der Fünf-Prozent-Hürde | |
liegen, kann es auf ein paar Tausend Stimmen ankommen – die nicht nur über | |
einzelne Mandate, sondern sogar über die Möglichkeiten der | |
Regierungsbildung entscheiden. | |
Klagen können die betroffenen Auslandsdeutschen allerdings erst nach der | |
Wahl. Um Chaos während der Wahlvorbereitung und des Wahlkampfes zu | |
vermeiden, ist vor einer Parlamentswahl grundsätzlich kein Rechtsschutz | |
möglich. Deshalb lehnte im Januar auch das Verwaltungsgericht Berlin den | |
Eilantrag eines Auslandsdeutschen ab, der Staat solle „durch geeignete | |
Maßnahmen“ seine Teilnahme an der Wahl sicherstellen. Beim | |
Bundesverfassungsgericht sind bis jetzt noch keine entsprechenden | |
Eilanträge eingegangen. Auch sie wären wohl unzulässig. | |
## 60-Tage-Frist steht im Grundgesetz | |
Nach einer Bundestagswahl gibt es ein zweistufiges Wahlprüfungsverfahren. | |
Zunächst kann jeder Wahlberechtigte binnen zwei Monaten nach der Wahl beim | |
Bundestag einen Einspruch einlegen. Meist dauert es rund ein Jahr, bis der | |
Bundestag darüber entscheidet. Erst anschließend kann das | |
Bundesverfassungsgericht mit der Wahlprüfungsbeschwerde angerufen werden. | |
Theoretisch kann das Karlsruher Gericht dann die ganze Bundestagswahl für | |
ungültig erklären. In der Zwischenzeit hat sich aber längst eine neue | |
Regierung gebildet und der Bundestag hat wichtige Gesetze beschlossen. Das | |
zweistufige Wahlprüfungsverfahren gilt daher als reformbedürftig. | |
Im Fall der wahlverhinderten Auslandsdeutschen dürfte dies allerdings nicht | |
tragisch sein. Denn ihre Wahlbeschwerden dürften ohnehin keinen Erfolg | |
haben. | |
Letztlich hat nicht der Gesetzgeber oder die Bundeswahlleiterin den | |
massiven Zeitdruck verursacht, der die Briefwahl für viele Auslandsdeutsche | |
verunmöglicht. Der Zeitdruck geht vielmehr direkt auf das Grundgesetz | |
selbst zurück. Die 60-Tages-Frist zwischen Auflösung und Neuwahl des | |
Bundestags ist in Artikel 39 festgeschrieben. Und das Grundgesetz ist der | |
Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts. | |
Es besteht zwar ein Spannungsverhältnis zur Allgemeinheit der Wahl, doch | |
die 60-Tages-Frist verfolgt durchaus verfassungsrechtlich wichtige Zwecke. | |
Sie soll fördern, dass Deutschland nach dem Auseinanderbrechen einer | |
Regierung schnellstmöglich eine neue handlungsfähige Regierung erhält. | |
Gerade in weltpolitisch turbulenten Zeiten wie nach dem Amtsantritt von | |
[3][US-Präsident Donald Trump] zeigt sich die Notwendigkeit einer | |
beschleunigten Wahl. Dass die 60-Tages-Frist ursprünglich aus dem | |
Kaiserreich stammt und dort eine andere Funktion hatte, ist heute | |
irrelevant. | |
## Keine Diskriminierung | |
Die mit der 60-Tages-Frist verbundene Härte für Auslandsdeutsche | |
relativiert sich auch, wenn man sich erinnert, dass Auslandsdeutsche früher | |
in der Regel gar nicht wählen durften. Ursprünglich durften nur deutsche | |
Soldaten, Botschaftspersonal und ähnliche offizielle Auslandsdeutsche an | |
Wahlen teilnehmen. Bei allen übrigen im Ausland lebenden Deutschen wurde | |
unterstellt, dass ihre Bindung an Deutschland und ihre Kenntnis von | |
deutscher Politik nicht ausreichend ist. Dieser Ausschluss wurde in den | |
letzten Jahrzehnten Schritt für Schritt gelockert, insbesondere weil via | |
Internet das deutsche politische Leben durchaus weltweit mitverfolgt werden | |
kann. | |
Zwar besteht nun eine Ungleichbehandlung der Auslandsdeutschen, weil manche | |
wählen können und andere nicht. Das ist aber keine Diskriminierung des | |
Staates, sondern ist Folge der persönlichen Wahl des Wohnorts. | |
Das [4][Bundesverfassungsgericht] könnte im Rahmen seiner Wahlprüfung | |
immerhin rechtspolitische Änderungen anregen. So könnte es vorschlagen, | |
dass künftig auch in deutschen Botschaften im Ausland gewählt werden kann | |
oder dass bei einer Auflösung des Bundestags und den dann verkürzten | |
Fristen auch eine Online-Stimmabgabe ermöglicht wird. Und natürlich könnte | |
der Bundestag auch ohne Anregung aus Karlsruhe entsprechende Änderungen im | |
Bundeswahlgesetz beschließen. | |
21 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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beurteilt. |