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# taz.de -- Gerichtsentscheidung zu Birkenstock: Streit um die Sandale
> Die Birkenstock-Gruppe wollte höchstrichterlich feststellen lassen, dass
> ihre korkige Sandale einzigartig ist. Jetzt entschied der
> Bundesgerichtshof.
Bild: Birkenstocksandalen im Schaufenster: Ist das Kunst oder einfach nur ein S…
Berlin taz | Sind Birkenstock-Sandalen Kunst? Nein – zumindest nicht, wenn
es nach dem Bundesgerichtshof geht. Für mehrere Modelle der angesagten
Gesundheitslatschen entschied der BGH am Donnerstag, dass sie keine
„urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst“ seien.
Konkurrenzsandalen müssen folglich nicht vom Markt genommen werden.
Die Birkenstock-Gruppe hatte gegen Nachahmer geklagt, weil der Designschutz
für frühe Modelle nach 25 Jahren abgelaufen war. Als Kunstwerke hätten die
Sandalen Urheberrechtsschutz genossen – bis 70 Jahre nach dem Ableben des
Schöpfers.
## Die Sandale
„Mich hatte Mode ja überhaupt nicht interessiert“, sagte der Erfinder der
Sandale, Karl Birkenstock, [1][vor 25 Jahren im Gespräch mit der taz]. Sein
Vater und Großvater hatten das „Blaue Fußbett“ patentieren lassen, eine
orthopädische Schuheinlage zur Korrektur von Fehlstellungen.
Karl Birkenstocks Idee, die Einlage nicht länger in Schuhe zu legen,
sondern mit Riemen und Sohle einen eigenen Schuh um die Korkeinlage
herumzukonstruieren, kam überhaupt nicht gut an. „Idiotische ausgehöhlte
Baumstämme“ kommentierten Schuhhändler die Innovation. Werbebriefe an
Arztpraxen retteten das Familienunternehmen vorm Bankrott, als
Berufsbekleidung ging das kontroverse Design durch. Ein Gipsverband muss ja
auch nicht schön sein, sondern zweckmäßig.
Dass es heute Milliardenumsätze gibt, verdankt das Unternehmen auch
[2][Margot Fraser, einer Schneiderin aus Kalifornien], die in den 60er
Jahren Deutschland besuchte. „Schuhe zu der Zeit waren spitz und hatten
einen Absatz, also eine reine Tortur für die Füße!“, schreibt sie später
über die Marktlücke bequemer Schuhe. [3][Von ihrer Reise brachte sie auch
eine Birkenstock-Vertriebslizenz mit], ab 1966 baute Fraser Birkenstock USA
auf.
## Irgendwie total müsli
Weil die Gesundheitslatschen aber auch dort zunächst Skepsis unter den
Schuhhändlern auslösten, versuchte sie es 1967 beim Treffen der
„Association for Health Foodstore Owners“ in San Francisco. Das Image,
irgendwie total müsli zu sein, mag also durchaus daher stammen, dass Birkis
zwischen Schrotmühle und Biomehl zum Verkauf angeboten wurden. Denn über
dieses Vertriebsnetz von Reformhäusern fanden Schuhe und Zielgruppe dann
doch noch zusammen: Hippies, Naturverbundene, Menschen, denen wie Margot
Fraser schlicht die Füße weh taten.
Über 50 Jahre später befreit [4][im Film „Barbie“] eine andere Margot,
Schauspielerin Margot Robbie, ihren Fuß von der für Barbiepuppen typischen
Fehlstellung und bringt ihn (und sich selbst) mithilfe von Birkis zu
Bodenhaftung.
Diese perfekte Produktplatzierung illustriert, wie sich das Marketing des
Unternehmens seit der Reformhauszeit entwickelt hat. Genau wie
Kofferhersteller Rimowa, Kaschmirspezialist Loro Piana und Juwelier Tiffany
gehört Birkenstock heute zu LVHM (Louis Vuitton Moët Hennessy), dem größten
Luxusgüterkonzerns der Welt. Trotz [5][Börsengang] und Dividendendruck
werden noch immer 95 Prozent aller Waren in Deutschland hergestellt.
Skandale liegen eine Weile zurück: [6][Die taz berichtete 1996] von
Schikanen nach Gründung eines Betriebsrats und über ungleiche Bezahlung von
Männern und Frauen bis ins Jahr 2012.
Blickt man heute auf den Schuh – eins der schlichten, klassischen Modelle
wie „Madrid“, keine der aus Kollaborationen mit anderen LVHM-Modehäusern
entstandenen Luxusgüter – dann ist da ein Objekt, das den Geist des Bauhaus
in sich zu tragen scheint: Einfach und wahr, geformt nach den Gesetzen der
Zweckmäßigkeit. Ohne jedes Dekor verschleiert hier auch nichts den Blick
auf die Qualität des Materials, die Haltbarkeit und den Gebrauchswert.
Karl Birkenstock entwarf den Schuh einst, ohne Mode im Kopf zu haben. Aber
hatte er Kunst im Kopf? Zumindest kündigte Birkenstock-Anwalt Konstantin
Wegner schonmal weitere Verfahren an: Die Sandalen hätten ein „ikonisches
Design“ und seien besonders schutzwürdige Schöpfungen.
20 Feb 2025
## LINKS
[1] /Man-trug-so-was-nicht/!1238046/
[2] https://footwearnews.com/entertainment-news/culture/birkenstock-margot-fras…
[3] https://stimmhaus.de/wp-content/uploads/MargotFraser-Gru%C3%9Fwort-Kommunik…
[4] /Sexismus-Debatte-zu-Oscar-Nominierungen/!5984581
[5] /Birkenstock-goes-Boerse/!5956878
[6] /Psychoterror-bei-Birkenstock/!1468247/
## AUTOREN
Donata Künßberg
## TAGS
Schuhe
Schwerpunkt Urheberrecht
Bundesgerichtshof
Öko
HipHop
Schuhe
Design
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