# taz.de -- Berlin spart an der Kultur: Es geht nicht nur um Bücher | |
> Die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) muss schmerzlich an Personal, | |
> Service und Veranstaltungen sparen. Das bedroht ihre Zukunft als „Dritter | |
> Ort“. | |
Bild: Da war noch alles gut: 2023 eröffnen Kultursenator Joe Chialo (l.) und V… | |
Die beiden Standorte der [1][Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB)] – | |
die Berliner Stadtbibliothek in Mitte und die Amerika-Gedenkbibliothek | |
(AGB) in Kreuzberg – gehören laut eigenem Bekunden zu den am besten | |
besuchten öffentlichen Kultur- und Bildungseinrichtungen Berlins. | |
Die Zahlen sprechen für sich: Die ZLB hatte vor der Pandemie rund 1,5 | |
Millionen Besuche und etwa 3,3 Millionen physische Ausleihen zu | |
verzeichnen. Diese Werte brachen in den Corona-Jahren erheblich ein, sind | |
aber 2024 wieder auf knapp 1,3 Millionen Besuche angestiegen. Beide | |
Standorte sind an den Lese- und Arbeitsplätzen wieder voll ausgelastet, | |
heißt es. Das lässt sich sehen, wenn man eins der Häuser betritt. Derzeit | |
stehen rund 600 Arbeitsplätze und 250 Notebooks zur Verfügung. | |
Wie alle anderen rund 80 öffentlichen Bibliotheken in Berlin ist die ZLB | |
nicht einfach nur ein Ort, um verschiedene Medien – Bücher, Magazine, | |
Schallplatten, Games und selbst Kunstwerke – analog wie digital vor Ort zu | |
nutzen oder auszuleihen. Bibliotheken sind für das Gemeinwohl so wertvolle | |
„Dritte Orte“. | |
Mit diesem Begriff umschreibt die Soziologie Orte der Gemeinschaft, die | |
einen Ausgleich zu Familie und Beruf bieten – oder aber als Ersatz dienen, | |
wenn nahe Verwandte oder Job fehlen. In den öffentlich zugänglichen | |
Bibliotheken sind Austausch, Begegnung und Teilhabe möglich. Hier ist man | |
unter Leuten, selbst wenn man mit niemandem sprechen will, hier lässt sich | |
verweilen, ohne Geld ausgeben zu müssen. Und ja, Bibliotheken sind | |
Wärmestuben – für Körper, Geist und Seele. Sie sind unschätzbar für die | |
Zivilgesellschaft, ein hohes Gut. | |
## Die ZLB schlägt Alarm | |
Jetzt gefährdet die Kürzungspolitik des schwarz-roten Senats diese Dritten | |
Orte. Die ZLB schlägt Alarm: Die Einrichtung muss dieses Jahr nach | |
aktuellem Informationsstand insgesamt 2,2 Millionen Euro einsparen, [2][wie | |
Generaldirektor Volker Heller am Dienstag verkündete]. Das Spardiktat gelte | |
auch für die kommenden Jahre. „Das zwingt uns“, so Heller, „erhebliche | |
strukturelle Einschnitte vorzunehmen.“ Die Einsparungen seien in großen | |
Teilen nur durch Kürzungen beim Personal umzusetzen, Heller kündigte den | |
Abbau von rund 30 Stellen an. | |
Das wird teils drastische Folgen für die angebotenen Leistungen haben. Die | |
Servicezeiten, in denen Fachpersonal beratend vor Ort ist, werden spürbar | |
ausgedünnt, man wird hier und da länger warten müssen, es wird weniger | |
Zeitungen und Zeitschriften geben. Einzelne Angebote wie die beliebte | |
Freiluftbibliothek im Sommer auf der Wiese vor der Amerika Gedenkbibliothek | |
fallen ganz weg. | |
Schwer wiegt auch, dass die ZLB nicht mehr wie bislang ausbilden will und | |
dass Veranstaltungsreihen in der Kinder- und Jugendbibliothek dem Sparzwang | |
zum Opfer fallen. Der Stiftungsrat der Bibliothek hat dazu ein | |
entsprechendes mehrjähriges Sparkonzept beschlossen – notgedrungen. | |
Doch es geht noch schlimmer: Sollte die ZLB von weiteren, darüber | |
hinausgehenden Einsparungen getroffen werden, sagte Generaldirektor Volker | |
Heller am Dienstag, müsse die Stiftung erwägen, einen der beiden Standorte, | |
nämlich die Berliner Stadtbibliothek, für das Publikum zu schließen. | |
## Immer weiter sparen | |
Leider kein unrealistisches Szenario. Denn am Mittwoch hat Kultursenator | |
Joe Chialo in einem Videocall verschiedenen Kulturschaffenden der Stadt | |
reinen Wein eingeschenkt. Nach den drastischen Haushaltskürzungen von 135 | |
Millionen Euro in diesem Jahr geht es – wie von der ZLB und anderen | |
befürchtet – genauso weiter. Im kommenden Doppelhaushalt werden nochmals | |
Millionen Euro aus dem Kulturhaushalt gestrichen. Allein für 2026 stehen | |
zusätzlich zum bisherigen Sparvolumen weitere 100 Millionen im Raum. | |
„Zurück in die Vergangenheit“ kommentierte das Manuela Schmidt, | |
kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Mit den | |
Kürzungen stelle der Senat einmal mehr unter Beweis, was sein ständig | |
wiederholtes Versprechen, „Bibliotheken als Dritte Orte stadtweit stärken“ | |
zu wollen, wert sei, so Schmidt: „nichts“. Die Realität sehe doch so aus: | |
„Möglichkeiten beschneiden, Gelder streichen“ – frei nach dem Motto „s… | |
zu, wie ihr klarkommt“. | |
Schmidt erinnert auch daran, dass 2024 das „vollmundig versprochene | |
Bibliotheksgesetz“ kommen sollte. Im selben Jahr redete der Kultursenator | |
davon, „dass er alles in Bewegung setzen wolle, um einen Umzug der ZLB in | |
das längst leere Kaufhaus Lafayette zu ermöglichen. So viel heiße Luft auf | |
Kosten der Bürger*innen dieser Stadt, der sozialen Infrastruktur in den | |
Bezirken, künftiger Generationen. Wer soll da noch glauben, dass diese | |
Koalition eine soziale Stadt zu buchstabieren weiß?“ | |
21 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zlb.de/ | |
[2] /Die-ZLB-schlaegt-Alarm/!6067085 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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