| # taz.de -- Gentrifizierung in Großstädten: Meckern auf hohem Niveau | |
| > Der Kampf um Wohnraum betrifft fast alle Großstädter. Wer es sich leisten | |
| > kann, beschwert sich lautstark. Was ist mit denen, die das nicht können? | |
| Bild: Ob Prenzlauer Berg in Berlin, Ehrenfeld in Köln oder die Neustadt in Dre… | |
| Ob Prenzlauer Berg in Berlin, Ehrenfeld in Köln oder die Neustadt in | |
| Dresden: Jede Großstadt hat ihre Trendviertel. Doch die waren nicht immer | |
| die beliebtesten und teuersten Gegenden. Früher lockten sie mit günstigem | |
| Wohnraum. Vor allem Kunstschaffende und Studierende mit geringem Budget | |
| kamen dort unter. Je mehr Freigeister sich versammelten, desto beliebter | |
| wurde der „alternative Vibe“ der (noch) geheimen Lieblingsviertel. Doch die | |
| Ruhe sollte nicht lange währen. Denn Investoren erschnüffeln bekanntlich | |
| schnell, wo Geld versteckt ist. Mit der Zeit beginnen die Fassaden der oft | |
| baufälligen Gebäude wortwörtlich zu bröckeln, Handwerker stürmen die | |
| Wohnungen, sanieren, renovieren, bauen. Und auf einmal [1][rollen SUVs] mit | |
| neuen Mietenden durch die Straßen. | |
| Die Häuser werden moderner, die Wege glatter, die Infrastruktur wird | |
| vernetzter. Wie schön – für die, die es sich leisten können. Viele der | |
| Städter*innen profitieren im weitesten Sinne von diesem Prozess der | |
| [2][„Gentrifizierung“]. | |
| Obwohl sich junge Menschen das Wohnen in den trendigen Bezirken nur selten | |
| leisten können, treffen sie sich genau dort mit ihren Freund*innen, um | |
| einen überteuerten Cappuccino zu schlürfen und dabei über die Überwindung | |
| des kapitalistischen Gesellschaftssystems zu debattieren. | |
| ## Die Wohnungssuche in Universitätsstädten | |
| Studierende, Auszubildende oder Berufseinsteigende können sich zugleich als | |
| Verursachende, Betroffene und Profitierende des Gentrifizierungsprozesses | |
| sehen. Natürlich ist es auch für sie nicht einfach, in Universitätsstädten | |
| wie Berlin oder München ein WG-Zimmer oder gar eine Wohnung zu finden. | |
| Trotzdem zieht es gerade sie in die belebten Innenstadtgebiete. Beschwerden | |
| über die „Meine Wohnung im Kreuzviertel habe ich ein halbes Jahr gesucht | |
| “-Problematik stehen auf der Liste ihrer alltäglichen Gesprächsthemen. | |
| Weil es so naheliegend ist, sich über die eigene nervenaufreibende | |
| Wohnungssuche zu beschweren, vergessen die Erfolgreichen dabei oft | |
| diejenigen, die es sich überhaupt nicht mehr leisten können, in den Städten | |
| zu wohnen. Die ursprüngliche Bevölkerung wird durch die Aufwertung der | |
| Gegenden verdrängt. Viele Wohnungen werden nur renoviert, um hohe Mieten zu | |
| rechtfertigen – auf Kosten derjenigen, die kaum Mittel haben, sich dagegen | |
| zu wehren. | |
| Leider richtet sich die Stadtgestaltung vermehrt danach, wie | |
| Eigentümer*innen und Investor*innen am meisten Profit aus ihren | |
| Immobilien schlagen können, anstatt einen gemeinsamen und gerechten | |
| Lebensraum für alle zu schaffen. An die Stelle einer potenziell bunten | |
| Nachbarschaft tritt immer mehr eine Spaltung oder gar Polarisierung in der | |
| Wohngegend. So gehen Viertel verloren, die sich durch ihre einzigartige | |
| Vielfalt vom Rest der Stadt abheben konnten. Was die geplante | |
| Stadtentwicklung betrifft, bekommen die Risiken der Gentrifizierung nicht | |
| genug Aufmerksamkeit. Schließlich ist die Stimme der Verdrängten oft nicht | |
| laut genug. | |
| Die Aufgabe all derer, für die [3][Wohnungssuche mehr ein Luxusproblem als | |
| existenzielle Not] ist, liegt auch darin, ein Sprachrohr für weniger | |
| privilegierte Gruppen zu sein. Selbst wer es sich leisten kann, sollte sich | |
| überlegen, ob er oder sie es sich gefallen lassen will, eine überhöhte | |
| Miete zu zahlen – ob aus Sinn für das Allgemeinwohl oder aus egoistischen | |
| Gründen. Wenn unzulässig hohe Mieten von Wohnungssuchenden weiterhin | |
| toleriert werden, treibt das die Preise in die Höhe und es verschärft den | |
| Konkurrenzkampf um Wohnraum auf Kosten von einkommensschwachen Personen. | |
| 18 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wolkje Lenz | |
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