| # taz.de -- Unterwegs mit einer Sozialarbeiterin: Zwischen Idealismus und Reali… | |
| > Überlastung und Kürzungen belasten den sozialen Bereich. Auch die junge | |
| > Sozialarbeiterin Noelle Nachlik aus Münster hat damit zu kämpfen. | |
| Bild: Sozialarbeiterin Noelle Nachlik | |
| Ein Sitzkreis mit schwarzen Stühlen, ganz viele bunte Karten mit | |
| Erdmännchen drauf und ein Paar Boxhandschuhe: Heute geht es um Gewalt. | |
| Noelle Nachlik ist Sozialarbeiterin in der Straffälligenhilfe bei dem | |
| [1][Verein sozial-integrativer Projekte (ViP)] in Münster. Gerade bereitet | |
| sie das Anti-Gewalt-Training für Jugendliche vor. Noelle ist selbst erst | |
| Mitte 20, nah dran an den Menschen, mit denen sie arbeitet. | |
| Zu Beginn soll es um Gefühle gehen. Ein Erdmännchen auf den Karten schaut | |
| wütend, eins lacht drauflos, und noch eins ist ganz verwirrt. Anhand der | |
| Karten sollen später die Jungs, die unter anderem wegen Körperverletzung | |
| verurteilt wurden, ihre Gefühle beschreiben. Es geht auch um ihre Werte und | |
| Biografien. Denn viele gewalttätige Jugendliche waren zuvor selbst Opfer | |
| von Gewalt. | |
| Neben dem Anti-Gewalt-Training bietet der Verein in Münster unter anderem | |
| einen Täter-Opfer-Ausgleich an. Hierbei helfen die | |
| [2][Sozialarbeiter:innen] sowohl Opfern als auch Täter:innen, die | |
| Tat zu verarbeiten. Mal gibt es ein klärendes Gespräch zwischen den | |
| Beteiligten, ein anderes Mal gibt der Täter dem Opfer einen Döner aus. | |
| ## Bewährtes Konzept in Gefahr | |
| Wie viele andere Projekte im sozialen Bereich ist auch der | |
| Täter-Opfer-Ausgleich der freien Träger in Nordrhein-Westfalen von | |
| Sparmaßnahmen bedroht. Für die Klient:innen könnte dadurch ein seit fast | |
| 30 Jahren bewährtes Konzept für einen Austausch in unserer Gesellschaft | |
| wegfallen. | |
| Neben Kürzungen bei der Finanzierung sozialer Beratungs- und Hilfsangebote | |
| beschreibt Noelle populistische Argumentationen als eine große | |
| Herausforderung in ihrem Alltag: „Es kommt immer zum großen Aufschrei, wenn | |
| es um Straftaten geht, gleichzeitig werden Maßnahmen im sozialen Bereich | |
| gekürzt, die Menschen aus der Straffälligkeit helfen.“ Für die junge | |
| Sozialarbeiterin passt das nicht zusammen. Noelle erzählt, dass die | |
| Stigmatisierung sowohl für ihre Klient:innen als auch für die | |
| Sozialarbeiter:innen eine große Belastung sei. | |
| An der Hochschule hat Noelle Soziale Arbeit studiert. Die Realität ihrer | |
| Arbeit beschreibt sie als einen Praxisschock. „Also eigentlich dachte ich | |
| ja, zumindest Sozialarbeiter:innen sind cool“, sagt Noelle. Aber | |
| dann sei sie in die Praxis gekommen und habe gemerkt: In anderen | |
| Institutionen hätten Kolleg:innen aufgrund von Überlastung „komplett | |
| ihre Werte und ihre Haltung als Sozialarbeiter:innen verloren“. | |
| ## Junge Menschen müssen gehört werden | |
| Auch Noelle selbst steht unter Druck: „Der ganze Wald brennt, und man steht | |
| die ganze Zeit nur vor einem kleinen Busch und versucht, ein kleines Feuer | |
| zu löschen.“ | |
| Noelle wünscht sich vor allem einen starken [3][Sozialstaat] und mehr | |
| Mitbestimmung. Aus diesem Grund engagiert sie sich politisch, unter anderem | |
| in einer Gewerkschaft. Politisches Interesse bemerkt sie auch bei ihren | |
| Klient:innen: „Ich sehe bei den Jugendlichen in Zeiten des Rechtsrucks, | |
| dass sie eine Meinung haben. Ihnen zuzuhören und sie zu empowern macht mir | |
| riesengroße Freude“. | |
| Noelle betont, wie sinnstiftend die soziale Arbeit sei und dass ihr | |
| Erfolgsgeschichten immer wieder Hoffnung geben: zum Beispiel wenn | |
| Jugendliche mit einem Berg Schulden endlich einen Ausbildungsplatz | |
| bekommen. | |
| Auch deshalb sagt Noelle am Ende: „Trotz der ganzen Herausforderungen und | |
| Überlastungen bin ich unfassbar glücklich. Ich habe den besten Job der | |
| Welt.“ Diesen Idealismus einer jungen Sozialarbeiterin möchte Noelle nicht | |
| verlieren. | |
| 19 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wiebke Howestädt | |
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