# taz.de -- Anti-Obdachlosen-Architektur: Nicht einmal ein Platz zum Liegen | |
> Viele Städte setzen auf obdachlosenfeindliche Stadtmöbel und Architektur. | |
> Dies wird auch als defensive Architektur bezeichnet. | |
„Man gönnt den Obdachlosen nicht mal mehr den Dreck unter den Fingern“, | |
sagte [1][Disarstar im Herbst 2022 in einem Video]. Der politisch | |
engagierte Hamburger Rapper machte auf Anti-Obdachlosen-Architektur | |
aufmerksam und baute kurzerhand selbst einen Metallbügel, der Sitzplätze | |
auf einer Bank trennte, mit einem Trennschleifer ab. | |
In Berlin leben laut Wohlfahrtsverbänden bis zu 10.000 Menschen auf der | |
Straße, in ganz Deutschland sind es laut der [2][Bundesarbeitsgemeinschaft | |
Wohnungslosenhilfe] mehr als 50.000. In Erzählungen übernachten diese | |
Menschen auf Parkbänken oder unter Brücken. Doch in der Realität gestaltet | |
sich das meist schwieriger. | |
Zur Anti-Obdachlosen-Architektur gehören Stadtmöbel, aber sie ist auch im | |
öffentlichen Nahverkehr und in öffentlichen Gebäuden zu finden. Viele Bänke | |
sind strategisch so gebaut, dass durch Metallstreben niemand darauf | |
schlafen kann. Manche bieten nur Platz für ein oder zwei sitzende Personen | |
oder sind gezielt kurvig gebaut. Auch die Entscheidung, Bänke aus Metall | |
oder Stein zu gestalten, wird bewusst getroffen. | |
Unter Brücken werden teils Metallspitzen montiert, damit niemand dort | |
übernachten kann. Mülleimer werden so konstruiert, dass das Hineingreifen | |
schwierig wird. | |
## Defensive Architektur – ein Euphemismus | |
In manchen Bahnhöfen werden außerdem Lautsprecher angebracht, aus denen Tag | |
und Nacht ohne jegliche Unterbrechung Musik tönt oder Geschichten erzählt | |
werden. Auch die Installation von blauen oder anderen bunten und hellen | |
Lichtern soll Menschen vom Übernachten abhalten. In Berlin sind solche | |
Beispiele an vielen Ecken zu finden: in nahezu jeder U-Bahn-Station, aber | |
auch am Hauptbahnhof, wo vor allem Metallstreben und runde Bänke gebaut | |
wurden. | |
Anti-Obdachlosen-Architektur wird auch als defensive Architektur | |
bezeichnet. Dieser Begriff wird jedoch häufig als Euphemismus kritisiert, | |
weil er das Problem kleiner mache, als es sei. 2022 belegte das Synonym | |
deswegen sogar den dritten Platz beim Unwort des Jahres. Die Jury nannte | |
diesen Baustil damals „menschenverachtend“. | |
Primär ist der Sinn dieser Architektur, öffentliche Orte sicherer zu | |
gestalten. Indem obdachlose Menschen vertrieben werden, sollen Städte aber | |
auch sauberer und ordentlicher wirken – vor allem für Tourist*innen. Die | |
New Yorker U-Bahn begann schon in den 1970ern damit, Bänke im Stil der | |
Anti-Obdachlosen-Architektur zu bauen. | |
Auch ältere und eingeschränkte Menschen leiden darunter, am meisten sind | |
aber Obdachlose von dieser menschenfeindlichen Stadtplanung betroffen. | |
Nicht mal das Mindeste gibt es für sie, nicht mal einen Schlafplatz im | |
Freien. | |
24 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zdf.de/3sat/kulturzeit/disarstar-und-sein-einsatz-fuer-obdachlo… | |
[2] https://www.bagw.de/de/themen/zahl-der-wohnungslosen/wohnungsnotfallstatist… | |
## AUTOREN | |
Marie Zimmer | |
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