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# taz.de -- Wohnprojekt über bezahlbaren Wohnraum: „Wir entscheiden im Konse…
> Die Projekte des Mietshäuser Syndikats schaffen langfristig bezahlbaren
> Wohnraum. Conni vom Wohnprojekt Baumhaus Weimar erklärt, wie das geht.
Bild: Weimarer Wohnprojekt: Häusle bauen, Syndikat gründen
taz: Conni, was ist der zentrale Gedanke des Syndikatsmodells?
Conni: Früher hatten wir eine Broschüre, auf der stand: „Die Häuser denen,
die drin wohnen.“ Der Grundgedanke ist: bezahlbare Mieten über einen langen
Zeitraum sichern, selbstbestimmt leben und wirtschaften. Wir überführen
Grundbesitz in kollektives Eigentum, um den Grund und Boden der
Immobilienspekulation zu entziehen. Die Projekte sind selbstverwaltet: Wir
– das Baumhaus – haben eine Hausbesitz-GmbH mit zwei Gesellschaftern. Der
eine ist das Mietshäuser Syndikat (MHS) und der andere ist unser
Hausverein. Das ist in allen Projekten so. Dabei ist das Mietshäuser
Syndikat an der Haus-GmbH beteiligt, damit das Haus nicht spekulativ
verkauft werden kann. Der Hausverein ist für die Organisation und
Verwaltung zuständig.
taz: Eine große Belastung für die meisten Menschen ist die Miete. Die
durchschnittliche Bruttokaltmiete lag 2022 in deutschen Groß- und
Mittelstädten bei 9,60 und 8,20 Euro pro Quadratmeter. Wie sehen die Mieten
im Baumhaus aus?
Conni: Wir haben eine Nettokaltmiete von 5,95 Euro pro Quadratmeter – und
die haben wir nicht erhöht, seit wir vor 8,5 Jahren eingezogen sind. Der
Umbau zu Wohnungen hat damals 1.100 Euro pro Quadratmeter gekostet. Wir
haben im Bestand so gebaut, dass wir nicht mehr als 6 Euro Miete zahlen
müssen und mussten deshalb einige Abstriche machen: zum Beispiel keine
Lichtkuppeln im Dach (lacht). Unsere Miete legen wir selber fest, aber wir
müssen unsere Kredite tilgen und bei Bedarf umfinanzieren.
taz: Kredittilgung ist also ein Teil der Miete, was fällt noch an Kosten
an?
Conni: Wir zahlen unsere verbrauchsabhängigen Nebenkosten, die wir
gleichmäßig aufgeteilt haben. Seit letztem Jahr haben wir auch eine
Photovoltaikanlage, also nutzen wir unseren eigenen Strom. Insgesamt zahlen
wir weniger Nebenkosten als viele andere Haushalte: also maximal 1,20 Euro
pro Quadratmeter. Außerdem gibt es eine Solidarabgabe, die an das MHS
weitergeleitet und für neue Projekte genutzt wird.
taz: Das Syndikat gibt es nun schon seit mittlerweile über 30 Jahren und
ist mit über 190 Projekten ziemlich erfolgreich. Die Wohnungsfrage ist
aber, ganz naiv gesagt, noch nicht gelöst. Ist das Syndikatsmodell auf die
breite Masse der Wohnungsversorgung anwendbar?
Conni: Als Wohnform für die breite Masse ist es wahrscheinlich nichts. Ein
neues Projekt muss sich zuerst vorstellen und in der Mitgliederversammlung
wird dann von allen abgestimmt. Jedes Projekt braucht auch einen Paten, mit
dem im Vorfeld schon viel bezüglich der Finanzierung organisiert wird. Es
geht eben auch um Sicherheit für alle Beteiligten; die Projekte finanzieren
sich nicht nur über Bankkredite, sondern auch über private Direktkredite.
Es gibt zwar neue Projekte, aber die Anzahl an Beraterinnen und Beratern
ist fast gleichgeblieben. Im Moment scheitert es auch an bezahlbaren
Häusern, Grundstücken und am Ausbau. Es ist alles teurer geworden und
Projekte können von der Mitgliederversammlung abgelehnt werden, weil sie
zum Beispiel keine bezahlbare Miete mehr gewährleisten können. Außerdem ist
das Prozedere ganz schön aufwendig und dauert ein bisschen: Es muss sich
eine Gruppe finden, die gründet den Verein und dann die GmbH. Bei uns hat
das 1,5 Jahre gedauert, was vergleichsweise schnell war.
taz: Der Traum vom Eigenheim ist für viele Menschen noch heute ein
Lebensziel. Man möchte vor allem Sicherheit und etwas Eigenes, das man nach
den eigenen Vorstellungen gestalten kann. Fühlst du dich im Baumhaus
abgesichert?
Conni: Ja, ich fühle mich da sicher. Ich bin Teil des Projektes und kann
mitentscheiden. Weimar ist ziemlich begehrt, wir sind aber noch die
gleichen Bewohner wie seit dem Einzug vor 8,5 Jahren! Nur ein paar Kinder
sind hinzugekommen und ein paar Jugendliche ausgezogen.
taz: Hast du das Gefühl, dass ihr euch nach euren individuellen
Vorstellungen ausleben könnt?
Conni: Wir haben eine ehemalige Wagenhalle nach unseren jeweiligen
Vorstellungen ausgebaut. Begrenzt nach Kosten und Möglichkeiten. Klar,
unterschiedliche Treppen und Fußböden, aber immer mit dem Grundprinzip
„Bezahlbarkeit“. Wer etwas extra haben wollte, musste das selbst bezahlen.
In so einem Projekt will man ja auch gemeinschaftlich denken und planen. Es
gibt auch Einzelprojekte, bei den Terrassen kann sich jeder frei ausleben.
taz: Es wirkt so, als seid ihr alle ziemlich im Projekt angekommen, habt
Wurzeln geschlagen. Kann ein Projekt wie das Baumhaus für Studierende
funktionieren, die vielleicht nach drei oder vier Jahren schon wieder
ausziehen.
Conni: Es gibt gemischte Projekte, wo auch mal Studenten mit drinwohnen. In
Weimar gibt es da die Alte Feuerwache. Soweit ich weiß, gibt es auch in
Potsdam und Leipzig Projekte, in denen Studenten wohnen.
taz: Mit so vielen Leuten ein Projekt zu starten, ist sicherlich keine
alltägliche Entscheidung. Was ist die Philosophie des Baumhauses bezüglich
des Zusammenlebens, wie trefft ihr Entscheidungen?
Conni: Aus meiner Erfahrung ist es einfacher, im Sinne der Gemeinschaft zu
entscheiden, wenn ich kein Privateigentum habe. Wir entscheiden dann im
Konsens. Wenn wir keinen Konsens finden, aber eine Entscheidung treffen
müssen, dann gibt es die Methode des systemischen Konsensierens. Das
Grundprinzip ist: Der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand wird
angenommen. So haben wir schon einiges entschieden, zum Beispiel die
Fassadengestaltung. Hat bis jetzt immer geklappt.
taz: Für welchen Typ Mensch ist das Syndikatsmodell etwas?
Conni: Wir im Baumhaus sind alle beteiligt, wir müssen alle im Projekt
mitarbeiten – und das nebenberuflich. Wir haben zwei Geschäftsführer und
Arbeitsbereiche wie Direktkreditverwaltung, Buchhaltung, Beratung für
andere Projekte … Es gibt viele verschiedene Mitwirkungs- und
Verantwortungsbereiche. Und wir stimmen über alles ab, was das
Gemeinschaftseigentum betrifft. Dieser Prozess des Konsensierens ist für
manche Menschen lähmend. Sogar meine erwachsenen Töchter sagen, hier würden
sie nicht einziehen (lacht). Es ist also etwas für Menschen, die etwas
gemeinsam mit anderen Menschen schaffen wollen, die auch konfliktfähig
sind.
taz: Wo siehst du die Zukunft des Baumhauses?
Conni: Wir haben mittlerweile einige Grundstücke zum Haus dazugekauft, das
Projekt wird also weiterentwickelt – Weimar ist ein günstiger Standort.
taz: Und die des Syndikats?
Conni: Die Zukunft des Mietshäuser Syndikats wird im Klausurjahr beraten –
erst nächstes Jahr kann ich mehr sagen! Es gibt jetzt einen Break und dann
wird geschaut: Wie läuft es ab hier weiter?
26 Feb 2025
## AUTOREN
Tom Kailing
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