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# taz.de -- Demonstrationen zur Sicherheitskonferenz: Getrennte Vorstellungen v…
> Mehrere Tausend Menschen protestierten am Samstag an verschiedenen Orten
> für Frieden in der Ukraine und in Gaza. Gemeinsam haben sie nicht viel.
Bild: Verstehen sich nicht gut: Demonstrant:innen pro Ukraine auf der einen, co…
München taz | Erst einmal ist es ruhig am Münchner Stachus. Der
Autoanschlag auf Ver.di-Streikende, der am Donnerstag München erschüttert
hat, berührt auch die Teilnehmer:innen auf der traditionellen
Anti-Siko-Demonstration des „Aktionsbündnisses gegen die
Nato-Sicherheitskonferenz“. Mit einer Schweigeminute gedenken sie der Opfer
der Tat eines 24-jährigen Afghanen: den 37 Verletzten sowie einer Mutter
und ihrem zweijährigen Kind, [1][die am Samstag verstorben sind].
Wegen des Anschlags sei dieses Jahr mehr Polizei da, erklärt der
Versammlungsleiter. Man habe eine „sehr gute Kommunikation“. Aber dem
Polizeiwunsch, aus der Demo aus Sicherheitsgründen nur eine Kundgebung an
einem Ort zu machen, haben die Organisator:innen dann doch nicht
entsprochen. Durch die Straßen rund um den „Bayerischen Hof“ will man schon
ziehen, diesen Ort „umzingeln“, wie sie es nennen.
Neben den jedes Jahr gleichen roten Fahnen in verschiedensten Abwandlungen
sind diesmal sehr viele Palästina-Flaggen in Rot-Schwarz-Weiß-Grün dabei.
Der Nahost-Krieg – er ist dieses Jahr das zentrale Thema bei der Demo. Auf
der Bühne beschreibt ein Palästinenser eindrücklich die Situation in Gaza,
spricht von „Terrorismus und Völkermord“. Die Menge ruft „Free free
Palestine“. Man wehre sich dagegen, „als Antisemiten verleumdet zu werden�…
ruft die Moderatorin Laura Meschede ins Mikrofon.
Vor dem Hintergrund des Palästina-Konflikts scheinen der Ukraine-Krieg und
die üblichen Warnungen vor dem „US-Imperialismus“ in den Hintergrund zu
rücken. Aber das stimmt nicht so ganz. Auch klassische, in der Regel ältere
Friedensbewegte von Pax Christi oder der DFG-VK sind bei der Demo dabei.
Ein Ver.di-Senior trägt eine blaue Fahne mit weißer Friedenstaube und dem
magentafarbenem Gewerkschaftslogo. Neben ihm läuft eine Blaskapelle.
Linke Miniparteien wie DKP oder die MLPD verteilen ihre Zeitungen Unsere
Zeit und Rote Fahne. Einen schwarzen Block gibt es auch. „Kein Krieg fürs
Kapital – Wir kämpfen für die Revolution“, erschallt es aus ihm. Ein
Wagenknecht-Transparent ist auch zu sehen. Ganz hinten wehen ein paar
Fahnen der Linkspartei. Ein buntes Häufchen, zu dem auch ein kleiner
eigener Block von Kongoles:innen gehören. „Sofortiges Ende des
[2][Krieges im Kongo]“ steht auf ihrem Transparent, und: „Sofortige
Sanktionen gegen Ruanda + Komplizen“.
## Unerschütterliche Hoffnung auf einen ukrainischen Sieg
Erstaunlicherweise spielt auch auf der pro-ukrainischen Demonstration die
USA nur am Rande eine Rolle. Einsam schwimmt ein „[3][Vance] go
home“-Plakat durch die Menge der Ukraine-Flaggen. „[4][Taurus für die
Ukraine]“ und „Liebe reicht nicht, wir brauchen Waffen“ steht ansonsten a…
den Schildern.
Während die Staatenlenker:innen und Sicherheitsexpert:innen
wenige hundert Meter entfernt im Bayerischen Hof über die ungewisse Zukunft
der Ukraine diskutieren, sind sich die etwa 450 Menschen am Odeonsplatz
einig: Die Ukraine müsse über den Aggressor Russland siegen. Ein Satz, den
der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seit mehreren Monaten nicht
mehr so leichtfertig in den Mund zu nehmen wagt, auch nicht [5][bei seinem
Auftritt am Samstag auf der Sicherheitskonferenz].
Die Wahrnehmung des Krieges von Ukrainer:innen hier in Deutschland und
denjenigen, die in ihrer Heimat geblieben sind, gehen stark auseinander,
sagt ein Demoteilnehmer, der sich als Oleksander vorstellt. Seine Eltern
leben in Kamjanske, in der Mitte der Ukraine und seien von den täglichen
Angriffen und Toten in den vergangenen drei Jahren erschöpft.
„Auch wenn meine Familie immer weniger an einen Sieg glaubt, weiß ich, dass
wir nicht aufgeben dürfen“, sagt Oleksander. Die Nachrichten der
vergangenen Tage und die möglichen Verhandlungen, die US-Präsident Donald
Trump mit Kremlchef Wladimir Putin führen will, beunruhigen ihn nicht. „Für
mich gibt es nur noch wenige Überraschungen, wir warnen seit Jahren vor
Putin und bitten die EU uns zu helfen, jede neue Nachricht, zeigt nur, dass
wir weiter auf die Straße gehen müssen.“
## Demonstrierende warnen Europäer
Ähnlich sieht es Oksana, die seit elf Jahren in München lebt. Vier Stunden
lang steht sie auf dem Odeonsplatz und hält ihr Schild in die Luft: „In der
Ukraine verteidigen wir auch Deutschland“ mahnt das Blatt Papier. Sie
wünscht sich von der neuen Regierung in Deutschland, dass sie verstärkt
Waffen in die Ukraine liefert. Ein Wunsch den die Mehrheit auf der Demo und
unter den Redner:innen teilen.
Auch die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, eine starke
Verfechterin von Waffenlieferungen an die Ukraine, ist zum Odeonsplatz
gekommen. „Seit knapp drei Jahren schauen wir in die Ukraine, und das
müssen wir weiter tun, denn die Ukrainer kämpfen nicht nur für ihre
Freiheit, sondern auch für die Freiheit in Europa“, sagt Strack-Zimmermann
auf der Bühne. Sie lobt Selenskyj für seine „historische Rede“, die er am
Samstagmorgen auf der Siko gehalten habe.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter und der
Grünen-Parlamentarier Anton Hofreiter betonen in ihren Reden die
Zugehörigkeit der Ukraine zu Europa. „Es geht im Krieg um Menschenleben und
nicht um technische Zahlen und genau für deren Sicherheit müssen wir uns
einsetzen“, sagt Kiesewetter. Mit einem CDU-Kanzler könne die Ukraine sich
sicher sein, dass Deutschland den Taurus liefere.
Während sich die Redner:innen auf der Bühne an dem politischen Geschehen
der vergangenen Tage abarbeiten, fokussieren sich viele der
Teilnehmer:innen darauf, was sie selbst für ihre Heimat tun können.
Danylo und Andrii, die vor mehr als vier Jahren für ihr Studium nach
München kamen, versuchen sich nicht von jeder Nachricht aus der Ukraine
verunsichern zu lassen. „Wir erleben seit drei Jahren, wie unsere Heimat
massiv angegriffen wird, ich weiß, dass es wichtig ist sich zu informieren,
aber genauso wichtig ist es auch, auf die Straße zu gehen – egal was die
Politiker gerade sagen oder eben nicht.“
## Merkwürdige „Friedensdemo“ der Querdenker:innen
Auf dem Königsplatz in der Maxvorstand findet zur gleichen Zeit eine
Kundgebung statt, die sich auch „Friedensdemo“ nennt. Organisiert ist
dieses Treffen aber von den Resten der Münchner Querdenker:innen- und
Corona-Leugner:innen-Szene. Ihr Motto „Macht Frieden!“ Wie [6][im
vergangenen Jahr] sind etwa 2.000 gekommen. Es waren schon einmal mehr:
[7][2023 kamen noch 10.000]. Vieles ist in blau gehalten – Luftballons mit
Friedenstauben, Transparente. Offensichtlich versuchen sie die alte Farbe
der Friedensbewegung zu okkupieren.
Es ist eine äußerst krude Mischung, die sich hier versammelt hat. „Wir sind
nicht im Krieg mit Russland“ oder „Grüner Wahnsinn! Ohne mich!“ ist auf
Plakaten zu lesen. In Redebeiträgen wird das „System“ angeprangert, das
„süchtig nach Krieg“ sei. Lob gibt es hier hingegen für US-Vize Vance, der
vielen aus den Herzen zu sprechen scheint, [8][wenn er gegen das
demokratische Establishment in Europa wettert] und sich mit AfD-Chefin
Alice Weidel zum Gespräch trifft.
Von der Abgrenzung zur AfD hält auch Friedrich Pürner nicht viel, einer der
Hauptredner. Der Arzt hat eine bewegte jüngere Vergangenheit: Als Gegner
der einstigen Corona-Maßnahmen von Sahra Wagenknecht gecastet, zog er 2024
für das BSW ins Europaparlament, am 6. Februar dieses Jahres ist er mit
einem lauten Knall wieder ausgetreten, sein Mandat aber hat er behalten.
Aus den USA wird Helga Zepp-LaRouche zugeschaltet. Seit Jahrzehnten ist sie
mit wirrsten Theorien auf dem Markt und führt die Minipartei BüSo an.
Bayern- und Deutschlandfahnen werden geschwenkt. Eine ganz neuartige
Kreation ist eine Deutschlandfahne mit weißer Friedenstaube. Eines ist hier
zumindest zu sehen: Nach rechts ist man offen.
## Linkes Anti-Siko-Bündnis nicht nach rechts offen
Das ist man bei der linken Anti-Siko-Demonstration nicht. Die Bühne auf der
Abschlusskundgebung am Samstagnachmittag auf dem Marienplatz ist größer als
in den vergangenen Jahr, die Teilnehmer:innenzahl nicht. Die
Veranstalter sprechen von 3.000 Menschen, die Polizei will 1.400 gezählt
haben, die sich dem Protest des Anti-Siko-Bündnisses angeschlossen haben.
„Militarisierung schafft keine Sicherheit, Militarisierung kostet Leben“,
ruft Lisa Poettinger von der Bühne. Die 28-jährige Lehramtsstudentin hat in
den vergangenen Tagen [9][bundesweit für Schlagzeilen gesorgt]: Weil sie
sich an Aktionen des zivilen Ungehorsams für den Klimaschutz beteiligt hat
und als Marxistin versteht, verwehrte ihr das bayerische Kultusministerium
den Antritt zu ihrem Referendariat.
Das Linken-Mitglied ist eine der führenden Stimmen der Klimaprotestbewegung
in Bayern und organisierte außerdem Massendemos unter dem Motto „Gemeinsam
gegen rechts“. So etwas kommt im CSU-geführten Freistaat nicht gut an. Aber
dafür ist der Applaus der Demonstrant:innen auf dem Marienplatz an
diesem Tag um so größer. „Wir wollen nicht kriegstüchtig werden, sondern
friedfertig sein“, schließt sie ihre Rede.
15 Feb 2025
## LINKS
[1] /Zwei-Todesopfer-nach-Anschlag-in-Muenchen/!6069735
[2] /Krieg-in-der-DR-Kongo/!6069725
[3] /Start-der-Muenchner-Sicherheitskonferenz/!6069676
[4] /Taurus-Debatte-Klappe-die-naechste/!6004926
[5] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!6069723
[6] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5992803
[7] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5913965
[8] /Start-der-Muenchner-Sicherheitskonferenz/!6069676
[9] /Repressionen-in-Bayern/!6062052
## AUTOREN
Patrick Guyton
Anastasia Zejneli
Pascal Beucker
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