| # taz.de -- SPD-Linker Tim Klüssendorf: „Die Gespräche werden hart“ | |
| > Eine Koalition mit der Union sei kein Automatismus, sagt Tim Klüssendorf. | |
| > An der SPD-Spitze sieht er Veränderungsbedarf. | |
| Bild: Links hat Vorfahrt? Kreisverkehr mit Wahlkampfüberresten | |
| taz: Herr Klüssendorf, Glückwunsch zum Direktmandat. Die Lübecker:innen | |
| haben Sie mit Erststimme gewählt, bei den Zweitstimmen lag die CDU vorn. | |
| Was haben Sie besser gemacht als Ihre Partei? | |
| Tim Klüssendorf: Es war sicher auch eine Personenwahl. Ich habe in Lübeck | |
| einen gewissen Heimvorteil, ich bin da geboren und aufgewachsen und habe in | |
| den letzten drei Jahren eine sehr engagierte Wahlkreisarbeit gemacht. Und | |
| tatsächlich liegt mein Ergebnis deutlich über dem Zweitstimmenergebnis der | |
| SPD. [1][Wir haben im Wahlkampf als Partei einfach zu viele Themen liegen | |
| gelassen, die wir eigentlich hätten nach vorn stellen müssen.] | |
| taz: Welche denn? | |
| Klüssendorf: Ein Beispiel: Das kostenlose Mittagessen an Schulen stand im | |
| Wahlprogramm, kam aber im Wahlkampf gar nicht vor. Auch beim Thema der | |
| Umverteilung ging es nur um die Einkommenssteuer und leider gar nicht um | |
| die höchsten Vermögen und Erbschaften. Wir waren insgesamt viel zu farblos. | |
| Diese Prioritätensetzung hing natürlich auch mit den handelnden Personen | |
| zusammen. | |
| taz: Sie meinen [2][Olaf Scholz]? | |
| Klüssendorf: Auch. Es hat jedenfalls nichts gebracht, sich auf einen | |
| Wettbewerb einzulassen, wer der bessere Abschieber ist. | |
| taz: Nach dem historisch schlechten Abschneiden hat Parteichef Lars | |
| Klingbeil von einer Zäsur gesprochen und von einer programmatischen und | |
| personellen Neuaufstellung der SPD gesprochen. Und er will sich am Mittwoch | |
| zum Fraktionschef wählen lassen. Waren Sie überrascht? | |
| Klüssendorf: Ich habe es zur Kenntnis genommen. | |
| taz: Halten Sie das für richtig angesichts dessen, dass Klingbeil als | |
| Parteichef den Wahlkampf maßgeblich mit zu verantworten hatte und auch | |
| diese Niederlage? | |
| Klüssendorf: Ich glaube nicht, dass es klug wäre, die Niederlage jetzt | |
| ausschließlich einzelnen Personen anzulasten. Wir sind jetzt zusammen | |
| gefordert. Klar ist aber auch: Wir müssen ernsthaft über einen personellen | |
| und inhaltlichen Neuanfang reden. Ich bin mir sehr sicher, dass es auch in | |
| der Parteispitze zu Veränderungen kommen wird. Wir brauchen eine | |
| Neuausrichtung der Partei, vor allem eine viel jüngere Ansprache. Das hat | |
| beispielsweise die Linke besser hingekriegt als wir. | |
| taz: Saskia Esken will ebenfalls Parteivorsitzende bleiben. | |
| Klüssendorf: Das entscheidet am Ende die Partei. Es wird einen Parteitag | |
| geben, wo Präsidium und Parteivorstand neu gewählt werden. Der ist Stand | |
| jetzt noch für Ende des Jahres geplant, aber ich halte es für notwendig, | |
| diese Entscheidungen deutlich früher zu treffen. | |
| taz: [3][Die SPD hat bundesweit fast 2,5 Millionen Wähler:innen an Union | |
| und AfD verloren und 1 Million an Linke und BSW.] Muss sich die Partei | |
| jetzt linker oder konservativer aufstellen? | |
| Klüssendorf: Die einzig gute Nachricht für uns ist hier doch, dass wir für | |
| breite Wählerschichten wählbar sind. Und das Ziel muss es sein, diese | |
| zurückzuholen. Wir sind gefordert, eigene Inhalte nach vorn zu stellen, | |
| diese selbst ernst zu nehmen und keine Entkernung des sozialdemokratischen | |
| Programms zuzulassen. Das Fundament hierfür ist unser Anspruch, linke | |
| Volkspartei zu sein. | |
| taz: Sie sind Sprecher der Parlamentarischen Linken der Fraktion. Wie | |
| werden Sie sich künftig in den Programmprozess einbringen? | |
| Klüssendorf: Wir werden uns da als Parlamentarische Linke aktiv und an | |
| führender Stelle einbringen. | |
| taz: [4][Nun gibt es erste Gespräche zwischen Union und SPD. Friedrich Merz | |
| will eine Regierung bis Ostern]. Wie weit ist der Weg zur Union? | |
| Klüssendorf: Eine Regierung mit der Union ist kein Automatismus. Mir ist | |
| bewusst, dass es die einzige demokratische Mehrheit ist, die nach der Wahl | |
| möglich ist. Dennoch: Die Gräben, die Friedrich Merz rhetorisch und | |
| inhaltlich aufgerissen hat, sind tief. Diesen Weg muss er zurückgehen, | |
| nicht wir. Die Koalitionsgespräche werden hart. | |
| taz: Welche Punkte sollte die SPD nach vorn stellen? | |
| Klüssendorf: Da möchte ich den Verhandlungen nicht vorgreifen. Aber die | |
| Liste wäre sehr lang. Einfach alle politischen Errungenschaften der | |
| sozialdemokratisch geführten Bundesregierung rückgängig machen zu wollen, | |
| ist jedenfalls keine Basis für Gespräche und wird mit uns auch nicht zu | |
| machen sein. | |
| taz: Die Union will jetzt doch noch schnell das Grundgesetz ändern für ein | |
| Sondervermögen für Verteidigung. Eine gute Idee? | |
| Klüssendorf: Darüber wird zu reden sein. Es gibt gute Argumente dafür und | |
| ebenso gute Argumente dagegen. Wichtig ist das Gespräch unter den | |
| demokratischen Fraktionen und ich freue mich, dass es Bewegung in dieser | |
| Frage gibt. | |
| 25 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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