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# taz.de -- „Schwesterherz“ von Sarah Miro Fischer: Was man nicht sieht, wa…
> Sarah Miro Fischer führt in ihrem präzise erzählten Debütfilm
> „Schwesterherz“ die Hauptfigur in ein moralisches Dilemma (Panorama).
Bild: Soll sie aussagen oder nicht? Rose (Marie Blochning) in „Schwesterherz�…
Ist es diesmal endgültig?“, fragt Roses großer Bruder Sam, an dessen Tür
sie mitten in der Nacht anklopft. Ihre Freundin Jazz hat sie mal wieder
rausgeschmissen. Rose und Sam (glaubwürdig innig: Marie Bloching und Anton
Weil) können auch ohne viele Worte kommunizieren: dass die Schwester
vorübergehend bei dem Bruder einziehen wird, muss nicht groß besprochen
oder verhandelt werden. Das ist einfach, was Geschwister tun.
Von dem einen auf den anderen Moment obdachlos geworden, ist Rose dankbar
für das Sofa in der aufgeräumten kleinen Berliner Wohnung ihres Bruders.
Wenn da nicht dieser verdammte tropfende Wasserhahn wäre. Ein einfaches
Tropfgeräusch kann so richtig nerven, vor allem nachts. Ganz egal, ob in
regelmäßigen Abständen oder nicht, es reicht schon für Schlafentzug,
Irritation und Unruhe. Es kann so dominant werden, dass man nicht mehr
hört, was um einen herum sonst so passiert.
Sarah Miro Fischers beeindruckendes Spielfilmdebüt „Schwesterherz“ zeigt
unaufgeregt, wie viel man im Film mit Reduktion erreichen kann. Dabei
konzentriert sie sich besonders auf das, was man auf der Leinwand nicht
sieht: auf die akustischen Ebenen. Wie das nächtliche Tropfgeräusch, das
Roses Schlaf stört und sie gleichzeitig ablenkt von dem, was – vielleicht –
ihr geliebter Bruder Sam hinter der dünnen Wand in seinem Schlafzimmer tut.
## Ihre Aussage könnte die Anzeige kippen lassen
Ein schwerer Verdacht steht nämlich im Raum: Er soll in dieser Nacht eine
junge Frau vergewaltigt haben, und Roses Aussage könnte die Anzeige kippen
oder bestätigen. Wie geht man mit so einer Last um? Ist alles nur ein
Missverständnis? Welche Wahrheit ist die richtige? Muss Rose überhaupt
aussagen? Und wenn sie sich dafür entscheidet, was soll sie dem
Kriminalkommissar (mit bohrendem Blick: Aram Tafreshian) überhaupt sagen?
Wir beobachten und hören zu, wie Roses Gedanken um solche Fragen kreisen,
[1][wie sie versucht, mit dem Unfassbaren fertigzuwerden]. In der
Zwischenzeit geht das Leben der Geschwister scheinbar sorglos weiter: Es
ist Sommer, wenn man am Wochenende freihat, trifft man sich mit Freunden im
Park, Rose und Sam lieben es, im See zu schwimmen. Rose nimmt an
Zeichenworkshops teil, probiert sich als Aktmodell aus, flirtet mit einem
Teilnehmer. Sobald sich die Vergewaltigungsanzeige gegen Sam rumspricht,
reagiert ihr Umfeld unterschiedlich. Die Mutter der Beiden (Proschat
Madani) ist überzeugt, dass es um eine Verwechslung geht, die Freundin von
Sam, Lia (Jane Chirwa), ist sich da nicht so sicher.
Sarah Miro Fischer, für die „Schwesterherz“ auch die Abschlussarbeit an der
Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin ist, gelingt es, das Gefühl von
Zweifel bis zum Schluss aufrechtzuerhalten. Ihre Mischung aus fast
dokumentarischen Bildern und präziser Erzählung sowie die balanciert
[2][dosierte Klanguntermalung] (die schlicht-nüchterne Musik kommt von
Francesco Olmo Lo Giudice) vermitteln einem schnell das Gefühl, Teil dieser
Geschichte zu sein.
Auch in den Momenten, in denen die Kommunikation unterbrochen oder nur
geahnt ist, etwa wenn Rose ein Gespräch zwischen Sam und Lia hinter einer
Glasscheibe beobachtet und weder die Zuschauer noch sie erfahren, warum sie
so lebhaft diskutieren. Die Frage „Wie würde ich in so einer Situation
handeln?“ begleitet einen auch noch, nachdem man das Kino verlassen hat.
Eine einfache Antwort gibt es nicht. Oder doch?
14 Feb 2025
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## AUTOREN
Sara Piazza
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