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# taz.de -- Wiener linke Zeitschrift „Malmoe“: Klug und keck
> Vor 25 Jahren wurde „Malmoe“ als Antwort auf die erste schwarz-blaue
> Regierung in Österreich gegründet. Nun wurde die Zeitschrift eingestellt.
> Schade!
Bild: Mit der bunten Cover-Tapete fiel die „Malmoe“ in linken Wiener Lokale…
Wie man lieben, wie man reisen, was man kochen soll: Im
Mainstreamjournalismus heißt das „Lifestyle“. Für die Zeitschrift Malmoe
gab es dieses Begriffsressort nie. Denn Politik fand für die Autor:innen
nicht nur am G7-Gipfel, sondern genauso in der Küche oder in der Disco
statt. Viermal im Jahr erschien die Zeitschrift und kursierte in linken
Wiener Lokalen, Kulturstätten und auf Demos. Ein kleines Redaktionsteam,
das Marktmechanismen und Förderungspolitiken doof fand, machte das Blatt,
für das niemand zahlte. Dabei kam viel Kluges und Keckes um die Ecke.
Malmoe wurde von einer diversen Gruppe von Interessierten gestartet. „Sie
hatten einen veränderten Politikbegriff und der hat nicht in die
Ressortkategorien der etablierten Zeitungen gepasst“, sagt Teo Klug, der
acht Jahre Chef vom Dienst bei Malmoe war. Aus der Auseinandersetzung mit
queerfeministischen und anti-rassistischen Bewegungen sei in den 2000ern
der Wunsch resultiert, über Alltägliches politisch zu berichten und dafür
Malmoe ins Leben zu rufen. Entstanden sind seitdem 110 Ausgaben.
In Malmoe führte die linke Wiener Szene Debatten, Gegenstände wie der Schal
wurden über das Schal-Sein interviewt und nuancierte Analysen über alles
Mögliche verfasst. Das Ressort „Erlebnispark“ war Feuilleton auf flashig
und eine Art Minima Moralia im Miniformat war die Kolumne „Nachrichten aus
dem beschädigten Alltag“. Auch grafisch war Malmoe eigenwillig. Auf jedem
Cover ein buntes Muster, innen wanderte die Leserin durch Textwüsten.
Bebilderungen wären Blasphemie am Bild gewesen. Das Bild sollte auch in der
Zeitung ein Werk für sich sein. Deswegen gab es in jeder Ausgabe über die
Seiten verteilt eine 15-teilige Fotoreihe jeweils einer Künstler:in.
Publizistisches Vergnügen war das, ein Vierteljahrhundert lang. Als die
Zeitschrift entstand, war sie auch eine Antwort auf die erste
schwarz-blaue-Regierung. Ausgerechnet jetzt, da [1][die rechtsextreme FPÖ]
in den Nationalratswahlen auf Platz eins gekommen ist, endet das Projekt.
Die medialen Reaktionen auf den Wahlsieg der Rechtsextremen sind in
Österreich ohnehin viel zu unaufgeregt. Der Verlust jeder Gegenstimme droht
aus dem Gemurmel Schweigen zu machen.
## Burn-out oder Bürokratie
Dass Malmoe genau jetzt aufhört, ist blöder Zufall, eine Folge anderer
Entwicklungen. Dem Projekt fehlten über die Zeit immer mehr Dinge:
Distributionsmöglichkeiten während der Coronapandemie, schließlich
Nachwuchs und dadurch neue Perspektiven. Woran das liegt? Einerseits sei
Malmoe seit der Pandemie nicht mehr gut mit der Uni vernetzt gewesen, so
Klug, andererseits hätten Student:innen heute nicht mehr so viel Zeit
wie früher. „Studieren ist strenger und engmaschiger geworden. Es gibt kaum
noch Räume, Kuriositäten zu entdecken und Neugierden zu entwickeln.“
Nicht für etablierte Medien schreiben und eigene Seiten machen, ohne die
Aussicht, damit Geld zu verdienen: eine privilegierte Unternehmung gepaart
mit Rebellion. Die Uni war mal der beste Ort dafür. Wenn dieser wegfällt,
verengt sich die Wahl auf Burn-out oder Bürokratie. Linke
Gegenöffentlichkeit schaffen, das heißt heute also: Förderanträge stellen
und für Abos werben.
Wiener Nachwuchsmedien wie das [2][inklusive Magazin andererseits ] und das
Tiktok-Medium die Chefredaktion finanzieren sich so. Andere linke Medien
vernetzen sich im Bündnis alternative Medien. Das gibt es weiterhin in
Österreich. Vielleicht kommt sogar Malmoe irgendwann in anderer Form
zurück, sagt Teo Klug. Er denkt an linken Lokaljournalismus oder eine
Poster-Zeitschrift. Bis dahin heißt es: Weiterhin auf gute Nachrichten
warten.
14 Feb 2025
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Oesterreich/!6069202
[2] /Inklusiver-Journalismus/!5938859
## AUTOREN
Lara Ritter
## TAGS
Österreich
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Subkultur
Medienvielfalt
Wien
FPÖ
Österreich
Schwerpunkt Klimawandel
Rotes Wien
Schweiz
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