# taz.de -- Weidel, Wagenknecht und Hitler: Links-grüne Nazi-Kommunisten | |
> Für Alice Weidel sind Hitler, Stalin und Wagenknecht alles Sozialisten. | |
> Das ist absurd. Trotzdem sind die Kategorien „links“ und „rechts“ | |
> veraltet. | |
Bild: Eindeutig nicht links, Alice Weidels Flaggenarm | |
Für Alice Weidel [1][war Hitler links]. „He was a Communist and he | |
considered himself as a socialist“, sagte sie vor zwei Wochen im Gespräch | |
mit Elon Musk. Am Mittwochabend schob sie bei „Maischberger“ die Begründung | |
hinterher, Hitler hätte eine „staatsgelenkte Kommandowirtschaft“ | |
installiert. Deshalb, so Weidel weiter, gäbe es eindeutige Parallelen zu | |
Stalin. Letzterem wiederum hätte Sahra Wagenknecht, die ihr als | |
Gesprächspartnerin gegenüber saß, bekanntlich jahrzehntelang nachgeeifert. | |
Damit ist die Sache für Weidel glasklar: Hitler, Stalin, Wagenknecht – | |
alles lupenreine Sozialisten und Seelenverwandte, ja eigentlich nicht | |
einmal wirklich von einander zu unterscheiden. | |
Zwischen der NSDAP und Weidels eigener Partei, [2][die sich kürzlich | |
Massendeportationen ins Wahlprogramm schrieb] und Menschen in ihren Reihen | |
hat, die SA-Parolen verwenden und nicht jeden SS-Angehörigen für | |
verbrecherisch halten, gibt es selbstverständlich keine Parallelen. Dass | |
derart absurde Aussagen getätigt werden können, liegt allerdings nicht nur | |
an Alice Weidels Wortverdreherei. Es liegt leider auch an der | |
Mehrdeutigkeit, die Worten wie „links“ und „rechts“ im politischen Sinn… | |
eigen ist. | |
Denn hatten – obwohl wir den Sozialismus üblicherweise links verorten – die | |
rechtsextremen Nationalsozialisten nicht tatsächlich das S-Wort im | |
Parteinamen? Ist Sahra Wagenknecht wirklich noch links, wenn ihre Partei | |
sich gegen Migration ausspricht? | |
## Linke Royalisten waren undenkbar | |
Um dieses Durcheinander aufzuklären, muss man ein bisschen zurückgehen. In | |
der Nationalversammlung während der Französischen Revolution saßen die | |
Verteidiger der alten Ordnung auf der rechten, die Revolutionäre auf der | |
linken Seite. Diese noch in heutigen Parlamenten gültige Sitzordnung machte | |
damals auch durchaus Sinn: Wer den König absetzen wollte, war auch | |
gleichzeitig für Pressefreiheit, Gleichberechtigung und Demokratie. | |
Linke Royalisten waren ebenso wenig denkbar wie rechte Liberale. Seit der | |
Industrialisierung im 19.Jahrhundert bedeutete links in der Regel die | |
Kombination aus zwei unterschiedlichen Überzeugungen: einerseits staatliche | |
Eingriffe in die Wirtschaft und andererseits gesellschaftspolitische | |
Liberalität. | |
## „Links-konservativ“ | |
Genau diese Ligatur [3][erschwert es beispielsweise dem BSW, sich in das | |
Links-rechts-Schema einzuordnen] und nötigt die Parteivorsitzende dazu, | |
sich als „links-konservativ“ zu bezeichnen: als ökonomisch links, aber | |
gesellschaftspolitisch traditionell. Wenn aber ökonomische Restriktivität | |
und gesellschaftlicher Konservatismus offenbar auch links (oder zumindest | |
„links-konservativ“) sein können, hatte Alice Weidel dann am Ende nicht | |
doch Recht behalten, als sie Hitler in die gleiche Kategorie steckte? Nein. | |
Die „staatsgelenkte Kommandowirtschaft“, die es (ansatzweise) im Dritten | |
Reich gab, diente lediglich dem Expansionsstreben der Führerpartei und | |
hatte mit Sozialismus so viel gemeinsam wie Marx’ kommunistisches Ideal | |
„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen“ mit dem | |
menschenverachtenden „Jedem das Seine“ über dem Tor zum KZ-Buchenwald. | |
Trotzdem wirft Weidels Aussage eine Frage auf, die gestellt werden sollte: | |
Ist es heute noch sinnvoll, die politische Welt mit Vermessungsgeräten aus | |
dem 18. Jahrhundert zu kartografieren? | |
24 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Weidel-Musk-Talk-auf-X/!6061470 | |
[2] /Weidel-zur-AfD-Kanzlerkandidatin-gewaehlt/!6061592 | |
[3] /Buendnis-Sahra-Wagenknecht/!6033621 | |
## AUTOREN | |
Robert Schwerdtfeger | |
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