# taz.de -- Konzerne beugen sich EU-Klimaregeln: Opel in einem Pool mit Tesla | |
> Autobauer schließen sich zusammen, um CO2-Limits für Neuwagen zu erfüllen | |
> – und Milliardenstrafen zu vermeiden. Im Wahlkampf landet das Thema | |
> trotzdem. | |
Bild: Elektrobusse auf einem VW Parkplatz in Hannover | |
Berlin taz | Friedrich Merz und Olaf Scholz wollen sie nicht – und auch | |
Robert Habeck spricht sich gegen Milliardenstrafen für Autohersteller aus, | |
wenn deren Fahrzeuge die EU-Grenzwerte für CO2-Emissionen nicht einhalten. | |
Allerdings schaffen es die zum Teil noch stark von Verkäufen von | |
Verbrennerautos abhängigen Konzerne auch aus eigener Kraft, die hohen | |
Zahlungen zu vermeiden. Das zeigt ein EU-Dokument, laut dem sich die | |
Hersteller zusammenschließen, um die neuen CO2-Limits für Neuwagen in der | |
EU zu erfüllen. Danach wollen die Opel-Mutter Stellantis, Toyota, Ford, | |
Mazda und Subaru die Kohlendioxidemissionen ihrer Flotten mit den E-Autos | |
des US-Herstellers Tesla zusammenrechnen lassen, um Strafen zu vermeiden. | |
Mercedes-Benz will laut dem von der Nachrichtenagentur Reuters | |
veröffentlichten Papier einen Pool mit seiner mittlerweile rein | |
elektrischen Tochter Smart, mit Volvo und Polestar bilden. | |
Auch wenn [1][deutsche und EU-Politiker derzeit auf die Aufweichung der | |
Regeln] drängen: „Die [2][Regulierung der Flottengrenzwerte] in der EU ist | |
ein Riesenerfolg“, sagt Sebastian Bock, Geschäftsführer der deutschen | |
Sektion des Verbands Transport & Environment. Das „Poolen“, also der | |
Zusammenschluss von ansonsten konkurrierenden Konzernen für das Erreichen | |
der Klimaziele zeigt für Bock: „Die Hersteller haben sich auf die | |
Flexibilitäten, die die EU-Gesetzgebung bietet, eingestellt“. | |
Im Bundestagswahlkampf klingt das derzeit anders: Strafzahlungen dürften | |
„nicht die finanzielle Liquidität der Unternehmen, die jetzt in | |
Elektromobilität, in moderne Produkte und Fahrzeuge investieren müssen“, | |
beeinträchtigen, sagte Kanzler Scholz im Dezember. Auch Union, FDP und AfD | |
fordern eine Aufweichung der 2019 beschlossenen CO2-Regeln. [3][Selbst der | |
grüne Wirtschaftsminister Habeck plädierte dafür, dass Autobauer verhängte | |
Strafen durch eine Übererfüllung der CO2-Quoten in den Jahren 2026 und 2027 | |
verrechnen können sollten.] | |
Für den Klimaschutz müssen die CO2-Emissionen von Neuwagen in der EU in | |
diesem Jahr um 15 Prozent auf durchschnittlich knapp 94 Gramm je gefahrenen | |
Kilometer sinken. 2035 sollen sie bei null Gramm CO2 liegen – also keine | |
Verbrennerautos mehr verkauft werden. | |
## Absatz der Stromer schwächelt | |
Dabei geht es um die sogenannten Flottengrenzwerte der Autobauer, also den | |
jeweiligen Mittelwert aller verkauften Fahrzeuge eines Konzernes. Für | |
E-Autos werden null Emissionen gerechnet, also sind sie für die Statistik | |
besonders wichtig. Aber: Der Absatz der Stromer schwächelt. Laut am Montag | |
veröffentlichten Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts wurden 2024 wegen der | |
weggefallenen Förderung nur noch 381.000 batterieelektrische Fahrzeuge neu | |
in Deutschland zugelassen, über ein Viertel weniger als 2023. Verbrenner | |
und Hybridfahrzeuge verkauften sich dagegen relativ gut. Der Wert der | |
durchschnittlichen CO2-Emissionen aller in Deutschland verkauften Neuwagen | |
zog um 4,2 Prozent auf 119,8 Gramm pro Kilometer an. | |
Viel zu viel zum Erreichen der deutschen Klimaziele – und auch für die | |
EU-Regeln. [4][Laut dem EU-Autolobbyverband Acea drohen allen Herstellern | |
in Europa in diesem Jahr deshalb rund 15 Milliarden Euro Geldbußen.] Diese | |
„Klimastrafen“ seien Gift für den mit 770.000 MitarbeiterInnen stärksten | |
Industriezweig in Deutschland, erklären unisono PolitikerInnen von Union | |
und FDP – und fordern bereits eine Rücknahme des EU-weiten | |
Zulassungsverbots neuer Diesel und Benziner ab 2035. | |
Allerdings können die Hersteller Strafzahlungen relativ leicht vermeiden. | |
Ein Sprecher der Auto-Dachmarke Stellantis erklärte, die Teilnahme am Pool | |
mit Tesla helfe, die Reduktionsziele zu erreichen. Aber auch das kostet. | |
Für Tesla ist der Verkauf der Emissionsrechte ein Milliardengeschäft: | |
Allein in den ersten drei Quartalen 2024 nahm das Unternehmen von Elon Musk | |
damit gut 2 Milliarden US-Dollar ein. | |
Ein Volkswagen-Sprecher erklärte, das Unternehmen wolle die CO2-Ziele | |
primär aus eigener Kraft erreichen. Zuletzt wurden die Preise für den | |
Mittelklasse-Stromer ID.3 gesenkt, die für größere Verbrenner angehoben. | |
## Noch Zeit bis zum Herbst | |
Die Wolfsburger hatten bereits 2020 einen Pool unter anderem mit den | |
chinesischen Herstellern SAIC und Aiways gebildet. Um auch für das laufende | |
Jahr eine derartige Kooperation zu schmieden, hat VW laut dem Sprecher noch | |
Zeit bis Herbst. | |
BMW will die Emissionsziele aus eigener Kraft einhalten, zum Beispiel mit | |
neuen, kleineren E-Autos. Auch andere Konzerne wollen solche Fahrzeuge in | |
diesem Jahr verstärkt auf den Markt werfen. | |
Frühestens 2026 stünden eventuelle Strafhöhen für die Hersteller fest, | |
meint [5][Experte Bock]. Das Aufschnüren der EU-Gesetze dazu sei langwierig | |
– und deshalb unwahrscheinlich. Zudem berge es die Gefahr, dass das | |
Verbrenner-Aus wegen neuer konservativen Mehrheiten im EU-Parlament und in | |
Europa insgesamt wackele. „Man muss sich doch wundern“, sagt Bock: „Auf d… | |
einen Seite rufen die Konzerne nach Planungssicherheit, gleichzeitig machen | |
sie Stimmung gegen die bereits vor 6 Jahren festgelegten CO2-Grenzwerte“. | |
8 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wiwo.de/politik/europa/auto-dialog-von-der-leyen-macht-die-sorg… | |
[2] https://www.transportenvironment.org/te-deutschland/articles/co2-flottenzie… | |
[3] https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-11/habeck-gegen-klimastrafen-fuer-autob… | |
[4] /Forderungen-des-Renault-Chefs/!6032450 | |
[5] https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-wie-es-der… | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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