# taz.de -- Weniger Fische in der Ostsee: „Todeszonen“ ohne Sauerstoff | |
> Dem Dorsch wird's durch den Klimawandel zu stickig. Ein Studie des Kieler | |
> Geomar ergründet, wie der Sauerstoffmangel gelindert werden kann. | |
Bild: Mag es lieber kalt als warm: 2022 fanden Wissenschaftler des Forschungssc… | |
Kiel taz | „Viele Menschen haben die vereinfachte Vorstellung, dass rote | |
Blutkörperchen lediglich eine Tüte voll mit Hämoglobin sind, die Sauerstoff | |
transportieren“, sagt Till Harter. Doch für Fische und viele andere Tiere | |
treffe das nicht zu, sagt der Experte für Marine-Ökologie. | |
Am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel leitet der junge | |
Wissenschaftler eine neue Forschungsgruppe, die sich mit der Physiologie | |
des Ostsee-Kabeljaus, auch Dorsch genannt, befasst. Es geht um die Frage, | |
wie der Blutkreislauf der Fische Sauerstoff transportiert und ob sie in der | |
Lage sind, sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen. | |
Das ist bitter notwendig, denn in dem Binnenmeer wird die Luft knapp, wie | |
eine andere, gerade abgeschlossene Studie des Helmholtz-Zentrums zeigt. | |
Wie es der Ostsee geht, erfahren Forschende am genausten am Boknis Eck. An | |
diesem Punkt am Ausgang der Eckernförder Bucht nehmen die | |
Meereskundler:innen seit 1957 regelmäßig Proben, aus denen sich | |
Temperatur, Sauerstoffgehalt [1][und Überdüngung] ablesen lassen. Es ist | |
damit eine der weltweit ältesten Serienmessungs-Stationen. | |
## Erwärmung verhindert Erholung | |
Die neuesten veröffentlichten Zahlen zeigen, dass sich die Lage des | |
Gewässers in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert hat. Zwar sei es | |
gelungen, Nährstoffeinträge, etwa aus der Landwirtschaft, zu verringern, | |
heißt es in einer Pressemitteilung des Geomar. Aber die gleichzeitig | |
steigenden Temperaturen verhinderten, dass sich das Ökosystem erhole. | |
Gerade in den tieferen Schichten entstehen „Todeszonen“ ohne Sauerstoff. | |
Schuld daran ist eine Überproduktion von Plankton und anderen | |
Mikroorganismen, die Sauerstoff verbrauchen, absterben und auf den Grund | |
sinken. Darüber steht im Sommer das wärmere Oberflächenwasser wie eine | |
Decke, heißt es in der Pressemitteilung weiter. | |
„Das Problem ist: Die Schichten durchmischen sich kaum“, sagt die | |
Umweltwissenschaftlerin Helmke Hepach, die die [2][Studie] leitete. Und | |
weil durch den Klimawandel das warme Wetter länger anhalte, bleibe die | |
Schichtenbildung bis in den Herbst bestehen. Hitzewellen, die bis zum | |
Untergrund reichten, verstärkten das Problem. | |
## Das Rezept heißt: weniger Dünger | |
„Neuer Sauerstoff kann nur durch kräftige Wassereinströmungen aus der | |
Nordsee, etwa durch Stürme, nachkommen“, sagt Hepach. In ihrer Studie, die | |
im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht wurde, empfehlen die | |
Forschenden, die Überdüngung durch anorganische und organische Nährstoffe | |
[3][stärker zu reduzieren]. Denn „die zunehmende Erwärmung und die damit | |
verstärkte bakterielle Aktivität haben langfristig schwerwiegende Folgen | |
für das Ökosystem der Ostsee“. | |
Mit der Frage, wie Fische mit den raschen Veränderungen ihrer Umwelt | |
umgehen, befasst sich eine neu gestartete [4][Studie zur Physiologie des | |
Kabeljaus]. Beteiligt sind Nachwuchs-Wissenschaftler:innen im Rahmen des | |
Emmy- Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft. | |
Die Gruppe „Fish Physiology“ will herausfinden, wie sich die roten | |
Blutkörperchen von Fischen im Zuge des Klimawandels und der steigenden | |
Temperaturen verändern. Im Mittelpunkt stehe der Ostsee-Kabeljau, da er | |
nicht nur für die Fischerei wichtig, sondern auch ein zentraler Bestandteil | |
des Ökosystems sei, sagt Till Harter: „Wird der Kabeljau verdrängt, weil es | |
ihm zu heiß wird, könnte das die gesamte Nahrungskette beeinflussen.“ Ein | |
praktischer Grund kommt hinzu: Der Fisch ist so groß, dass man ihm Blut | |
abnehmen kann. | |
Frühere Forschungen in anderen Meeresregionen zeigen, dass sich Fische an | |
wärmeres Wasser anpassen können. Bei der Studie in der Ostsee, die auf | |
sechs Jahre angelegt ist und mit 1,5 Millionen Euro von der Deutschen | |
Forschungsgesellschaft gefördert wird, geht es um die Frage, ob zelluläre | |
Mechanismen den Fischen bei dieser Anpassung helfen. | |
19 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Bericht-ueber-Zustand-der-Foerde/!5819146 | |
[2] https://www.geomar.de/news/article/erwaermung-verschaerft-sauerstoffmangel-… | |
[3] /Zukunft-der-Ostsee/!5996361 | |
[4] https://www.geomar.de/news/article/forschung-zur-anpassung-von-kabeljau-an-… | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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