# taz.de -- Kehrtwende in Österreich: FPÖ erhält Auftrag zur Regierungsbildu… | |
> Österreich droht ein deutlicher Rechtsruck: Nach dem Kurswechsel der ÖVP | |
> beauftragt Bundespräsident Van der Bellen FPÖ-Chef Kickl mit der | |
> Regierungsbildung. | |
Bild: Von der Bellen begrüßt Kickl | |
Wien taz | „Wir wollen keinen rechtsextremen Kanzler“, steht auf einem | |
Plakat am Wiener Ballhausplatz. Montagvormittag haben sich Hunderte | |
Menschen versammelt, um gegen eine blau-schwarze Bundesregierung in | |
Österreich zu demonstrieren. Alle Zeichen stehen aber nun auf eine solche. | |
Unter Buhrufen traf gegen 11 Uhr [1][FPÖ-Chef Herbert Kickl] ebenda am | |
Ballhausplatz ein, wo mit Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei das | |
politische Herz Österreichs schlägt. Bundespräsident Alexander Van der | |
Bellen empfing ihn und erteilte ihm hinter verschlossenen Türen den Auftrag | |
zur Bildung einer Regierung unter seiner Führung. | |
[2][Nach den gescheiterten Verhandlungen] und dem Kurswechsel der ÖVP hatte | |
sich die Ausgangslage geändert, sagte der Bundespräsident. „Der Respekt vor | |
dem Wählervotum gebietet es, dass sich der Wählerwille in der Regierung | |
findet“, so Van der Bellen weiter. „Es ist meine verfassungsmäßige Aufgab… | |
die Chance einer Regierung mit mehr als 50 Prozent auszuloten“, sagte der | |
Bundespräsident. Dieses Ausloten war offenbar positiv. | |
## Kehrtwende bei der ÖVP | |
Van der Bellen hat nach eigenem Bekunden Kickl gefragt, ob er diese | |
Verantwortung übernehmen wolle. Er wollte. Angesprochen wurden in dem | |
einstündigen Gespräch auch die geopolitische Bedrohungslage, insbesondere | |
durch den Angriffskrieg Russlands, die EU-Ausrichtung Österreichs und die | |
Freiheit der Medien. Kickl selbst hat sich am Montag zunächst nicht | |
geäußert. | |
Bemerkenswert ist der Kurswechsel der ÖVP. Sie hatte monatelang | |
ausgeschlossen, mit der FPÖ unter Kickl zu koalieren. Nun hat sie ihren | |
Kurs gedreht. „Wir sind bereit zu Koalitionsgesprächen“, sagte der neue | |
ÖVP-Chef Christian Stocker, Nachfolger des [3][zurückgetreten Karl | |
Nehammer]. Zuvor war Stocker einer der schärfsten Kickl-Gegner. „Die | |
Kickl-FPÖ ist nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern eine ebenso | |
große Gefahr für die Sicherheit Österreichs“, sagte er etwa. | |
Kaum war Nehammer zurückgetreten, änderte sich die Einstellung in weiten | |
Teilen der ÖVP. Möglicherweise schon zuvor: Der Spielraum Nehammers in den | |
Verhandlungen sei immer kleiner geworden, sodass er von Teilen seiner | |
Partei zum Rücktritt fast schon gedrängt wurde, lautet etwa die Version des | |
SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler. ÖVP und Neos zufolge lag das Scheitern | |
vielmehr an der SPÖ, die nicht zu Kompromissen bereit gewesen sei. | |
Zuletzt war der Druck, rasch eine handlungsfähige Regierung zu formen, | |
immer größer geworden. Auch der Bundespräsident führte am Montag dieses | |
Argument an, da sich Österreich in einer anhaltenden Wirtschaftskrise | |
befinde. Nun kommt es also zu Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Allgemein | |
erwartet wird, dass die beiden Parteien rasch zusammenfinden. Einerseits | |
wegen ähnlicher Vorstellungen in der Migrations- und Integrationspolitik, | |
andererseits bei vielen Wirtschaftsfragen. Aber auch, weil beide bestrebt | |
sein werden, rasch eine positive Erzählung zu finden. | |
## Kickl fordert sofortigen Aufnahmestopp Geflüchteter | |
Ob und inwieweit es der ÖVP gelingt, die schärfsten Giftzähne der FPÖ zu | |
ziehen, ist fraglich. Solche betreffen etwa die Europa- und | |
Sicherheitspolitik. Kickl gilt als russlandfreundlich und würde die | |
Unterstützung der Ukraine am liebsten beenden. Auch die Menschenrechte | |
sieht er elastisch, denn er fordert einen sofortigen Aufnahmestopp | |
Geflüchteter in Österreich. | |
Die ÖVP ist nun freilich in einer Position der Schwäche – zumindest | |
verglichen mit der Ausgangslage im Herbst. Der Druck ist groß, dass sie | |
liefert. An Neuwahlen kann sie derzeit kein Interesse haben, denn Umfragen | |
zufolge würde die FPÖ dann noch deutlicher gewinnen. | |
„Die ÖVP wird in den anstehenden Verhandlungen nicht ihre Seele verkaufen“, | |
sagte der Salzburger ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Wie glaubhaft | |
das ist, ist fraglich, denn auch Haslauer koaliert entgegen früherer | |
Versprechungen [4][seit 2023 auf Landesebene mit der FPÖ]. | |
Sollte es eine Einigung geben, könnte Van der Bellen zwar fordern, einzelne | |
Minister oder Schwerpunktsetzungen aus dem Regierungsprogramm zu ändern. | |
Grundsätzlich müsste er die neue Regierung aber angeloben – oder selbst | |
zurücktreten. Da er den Regierungsbildungsauftrag nun ohne erkennbares | |
Bauchweh und ohne weitere Umschweife an Kickl erteilt hat, ist mit gröberen | |
Hindernissen dieser Art eher nicht zu rechnen. | |
6 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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