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# taz.de -- Besserer ÖPNV auf dem Land: Mit Rufbussen angebunden statt abgehä…
> Auf dem Land geht nichts ohne Auto? Doch! Jede dritte
> Nahverkehrsgesellschaft in Deutschland bietet flexible Kleinbusse an, die
> nach Bedarf fahren.
Bild: Einfach mit der App „RufVLP“ zu odern: Rufbus in Mecklenburg-Vorpomme…
Berlin taz | „Busfahren“ ist nicht mehr das richtige Wort. Wie soll man sie
nennen, diese [1][Kombination aus Bus und Taxi?] „Dalli“ heißt sie hier in
Bad Saarow und Umgebung, 50 Kilometer südöstlich von Berlin. Die
weiß-grün-blauen Kleinbusse, die sich per Smartphone rufen lassen, kommen
zwar nicht ganz bis nach Hause, aber fast. Sie bringen Bürgerinnen und
Bürger zum Arzt, zum Einkaufen oder holen sie abends vom Konzert ab – zum
normalen Tarif des öffentlichen Nahverkehrs, plus ein Euro sogenannter
Komfortzuschlag.
„Es stimmt nicht mehr, dass die Leute hier abgehängt sind“, sagt Tim
Jurrmann, der beim Kreisentwicklungsamt des Landkreises Oder-Spree
arbeitet. Dieser organisiert und bezahlt den modernen Beförderungsdienst.
Ähnliche Angebote gibt es mittlerweile bundesweit bei einem Drittel der
Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs. Die [2][Klage, man sei auf dem
Land abgeschnitten], spiegelt in vielen Fällen vielleicht eher ein Gefühl
wider als die Realität.
Seit Jahresanfang sei der Dalli noch attraktiver, sagt Jurrmann.
Donnerstags, freitags und samstags fahren die elektrischen Mini-Vans nun
bis 0.30 Uhr in der Nacht. Wer am Wochenende die Oper in Berlin besucht
oder einen Kneipenabend mit Freunden in der Großstadt verbringt, kann sich
noch spät vom Bahnhof in der Kleinstadt Storkow abholen und in die Nähe der
Wohnung bringen lassen. An den anderen Tagen fahren die Kleinbusse zwischen
6.00 oder 8.00 Uhr und 22.00 Uhr. Neben Storkow und Bad Saarow mit seiner
Therme bedient der Service mehrere Gemeinden rund um den Scharmützelsee.
Die Dalli-Busse sind dafür gedacht, die Bürger von deren Wohnort bis zur
nächsten Bus- oder Bahnlinie zu bringen. Sie fahren [3][die „erste und
letzte Meile“], wie die Fachleute sagen. Es handelt sich um einen
„Linienbedarfsverkehr“: Die Fahrerinnen und Fahrer steuern hunderte
Haltestellen an – wenn sie jemand anfordert. Im Unterschied zu Taxis werden
bis zu fünf Personen gemeinsam transportiert, die auch unabhängig
voneinander buchen können. Die Kleinbusse kommen nur, wenn sie gerufen
werden. Reservieren kann man die Plätze per Telefon, Smartphone oder in der
Dalli-Zentrale. In der Regel finden sich die Haltestellen maximal 200 Meter
von bebauten Gebieten entfernt.
## Ersetzt den Zweitwagen
Pro Woche werden durchschnittlich tausend Transporte abgewickelt. Ein
Fünftel der Fahrten hätten sonst nicht stattgefunden, sagten die Nutzer in
einer Auswertung, sie wären sonst zu Hause geblieben. Es handelt sich somit
um einen Zugewinn an Bewegungsfreiheit, der [4][beispielsweise Arztbesuche
ermöglicht, die andernfalls unterblieben]. „Ein Quantensprung der
Mobilität“, sagt Jurrmann. Und jede zweite Dalli-Fahrt ersetzt eine Tour
mit privaten Pkws. „Die Leute überlegen, ob sie ihren Zweitwagen noch
brauchen.“
Im nordöstlichen Bayern ergänzt der Hofer Landbus ebenfalls die Linien des
traditionellen Nahverkehrs. 2024 wurde das Netz stark ausgedehnt,
berichtet Andreas Weinrich, Geschäftsführer der Logistik Agentur
Oberfranken. Mittlerweile werden 1.450 Haltestellen im Umkreis der Stadt
Hof angesteuert. Eine Fahrt kostet dort pauschal drei Euro.
Im Norden rollen im Gebiet des Hamburger Verkehrsverbundes über 75
unterschiedliche Bedarfsverkehre. Hinzu kommt [5][Moia, eine private
Tochter des VW-Konzerns], die Sammel-Ruftaxis anbietet. Südlich von
Frankfurt am Main versorgen die Fahrzeuge der Kreisverkehrsgesellschaft
Offenbach einige hessische Gemeinden. Ähnliches funktioniert in zahlreichen
weiteren Städten und Landkreisen.
## 93 Angebote bundesweit
In einer Übersicht kam die Beratungsfirma rms Anfang vergangenen Jahres auf
93 Angebote bundesweit. Setzt man diese Zahl ins Verhältnis zu den etwa 280
kommunalen Nahverkehrsgesellschaften, die Mitglieder im Verband Deutscher
Verkehrsunternehmen sind, ergibt sich eine bundesweite Abdeckung von etwa
einem Drittel.
Mit Rufbussen experimentieren Gemeinden seit 40 Jahren. In der vergangenen
Dekade allerdings hat die Technik einen Sprung gemacht. Smartphone-Apps,
die Nutzer und Busse lokalisieren, ermöglichen es, die Fahrzeuge zum genau
richtigen Zeitpunkt an den gewünschten Ort zu bestellen. Das sei einer der
Gründe für die bundesweite Verbreitung der Bedarfsverkehre, sagt Frank
Hunsicker von der Beratungsfirma Nuts One in Berlin. Hinzu kam [6][die
Reform des Personenbeförderungsgesetzes] unter der letzten Regierung Angela
Merkels, die unter anderem neue digitalbasierte Mobilitätsdienste
ermöglichte.
## Risiko Finanzierung
Allerdings stellen sich auch Finanzierungsfragen. Die neuen Angebote
erwirtschaften bislang nur etwa 15 bis 20 Prozent ihrer Einnahmen selbst
mittels des Ticketverkaufs. Vier Fünftel der notwendigen Mittel stammen aus
Zuschüssen unterschiedlicher staatlicher Kassen. Bei den traditionellen
Liniendiensten liegt die Kostendeckung dagegen bei durchschnittlich 30
Prozent. Ein Grund dafür ist dort die hohe Auslastung vielbefahrener
Strecken.
In dieser Situation machen sich nun die [7][teilweise gestiegenen
Energiepreise,] die [8][wirtschaftliche Stagnation] und die auch dadurch
verursachte Knappheit der Staatsfinanzen bemerkbar. Laut der rms-Übersicht
ist bei 90 Prozent der Projekte unklar, ob und wie sie mittelfristig
fortgeführt werden. Es hängt vom Geld ab. Bei manchen wirkt sich im Übrigen
auch ein Mangel an Fahrern und Fahrerinnen aus. [9][Autonomes Fahren könnte
da künftig eine Lösung sein], aber in größerem Maßstab praxistauglich ist
das noch nicht.
Der Dalli am Scharmützelsee hat glücklicherweise keine Probleme, Leute mit
Führerschein zu finden, die die Busse steuern wollen. Und er sei bis Mitte
2026 gesichert, sagt Tim Jurrmann, bis dahin müsse man jedoch alles neu
ausgeschrieben haben. Gut sieht es vorläufig auch beim Hofer Landbus aus,
wie Andreas Weinrich erklärt – vor allem, weil das Bundesland Bayern den
Betrieb für drei bis vier Jahre finanziell abgesichert hat.
2 Jan 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Hannes Koch
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