# taz.de -- Windräder auf Hochtouren: Neujahr war zu 125 Prozent erneuerbar | |
> Am 1. Januar wurde in Deutschland mehr Ökostrom produziert als insgesamt | |
> Strom verbraucht. Warum trotzdem fossile Kraftwerke laufen mussten. | |
Bild: Vortrag im Maschinenraum eines Windrads: Tag der Erneuerbaren Energien Me… | |
Freiburg taz | Am Neujahrstag hat Deutschland mehr Strom aus erneuerbaren | |
Energien erzeugt, als im Land insgesamt verbraucht wurde: Einer Nachfrage | |
von 1.160 Gigawattstunden stand eine erneuerbare Erzeugung von 1.196 | |
Gigawattstunden gegenüber. | |
Vor allem die Windkraft an Land trug mit 915 Gigawattstunden zur Erzeugung | |
bei. So lagen die Erneuerbaren am Mittwoch bei bis zu 125 Prozent des | |
Verbrauchs, wie aus Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare | |
Energiesysteme hervorgeht. | |
Das aber hieß nicht, dass in diesen Stunden die [1][fossilen Kraftwerke] | |
verzichtbar waren. Trotz der bilanziellen Deckung des Verbrauchs durch | |
Ökostrom wurden am Neujahrstag noch immer 268 Gigawattstunden in fossilen | |
Kraftwerken erzeugt. Diese werden nämlich weiterhin gebraucht; zum | |
Beispiel, weil sie oft im Modus der Kraft-Wärme-Kopplung laufen, also neben | |
Strom auch Wärme für ein Fernwärmenetz erzeugen. | |
Ein zweiter Grund für die fossile Stromerzeugung an solchen Tagen sind die | |
erforderlichen Systemdienstleistungen, die bisher im benötigten Umfang nur | |
diese Kraftwerke bieten können. So geben zum Beispiel die rotierenden | |
Massen der tonnenschweren Turbinen und Schwungräder dem Netz die | |
physikalische Trägheit, die es für seine Stabilität benötigt, um | |
Frequenzschwankungen bei schnellen Laständerungen abzupuffern. | |
## Batterien für stabile Netze | |
Die Photovoltaik bietet diese Trägheit nicht. Auch Windräder sind trotz | |
ihrer Rotation dazu nicht in der Lage, weil zwischen der rotierenden Masse | |
und dem Netz ein Frequenzumrichter hängt, der den drehzahlvariablen Rotor | |
vom Netz physikalisch abkoppelt. Hingegen können Batterien diese | |
Systemdienstleistung grundsätzlich bieten, was sie auch zunehmend tun | |
werden – etwa mit dem „Netzbooster“, den Energiekonzern EnBW derzeit im | |
Südwesten aufbaut. | |
Bislang sind die fossilen Kraftwerke auch als Lieferanten von Regelleistung | |
nicht komplett verzichtbar. Sie müssen die Schwankungen der Stromerzeugung | |
von Wind und Sonne sowie Änderungen der Nachfrage abfangen. | |
Damit ergeben sich zwei Kennzahlen, die es zu unterscheiden gilt: Während | |
die Erneuerbaren am Neujahrstag bis zu 125 Prozent des Verbrauchs deckten, | |
erreichte ihr Anteil an der Stromerzeugung nur maximal 85 Prozent – weil | |
eben zu allen Zeiten mindestens neun Gigawatt fossiler Kraftwerke zur | |
Absicherung der Netzstabilität in Betrieb waren. | |
Es entstanden also deutliche Überschüsse – und die wurden exportiert. Bis | |
zu 17 Gigawatt flossen ins Ausland, in der Tagessumme waren es 294 | |
Gigawattstunden. Zugleich wirkte sich das große Angebot an Strom auf den | |
Strompreis aus. Am Neujahrstag war er aufgrund der geringen Nachfrage 14 | |
Stunden lang negativ, [2][lag also sogar unter null]. | |
Diese Momentaufnahme des 1. Januars steht im Kontrast zur Gesamtbilanz des | |
Jahres 2024, die das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme gerade | |
vorgelegt hat. Mit fast 25 Terawattstunden (Milliarden Kilowattstunden) | |
hatte Deutschland den größten Stromimportüberschuss seiner Geschichte. | |
Das lag allerdings nicht primär an den knapp 100 Terawattstunden Atomstrom, | |
die in den letzten zehn Jahren weggefallen sind, sondern mehr noch an den | |
170 Terawattstunden Kohlestrom, die 2024 weniger erzeugt wurden als noch | |
vor zehn Jahren. Deutschland produzierte im zurückliegenden Jahr nämlich so | |
wenig Kohlestrom wie zuletzt 1957. | |
Zugleich erreichten die Erneuerbaren mit 275 Terawattstunden einen neuen | |
Spitzenwert; vor zehn Jahren hatten sie noch mit 158 Terawattstunden zum | |
Strommix beigetragen. Damit lag der Anteil der erneuerbaren Energien [3][am | |
gesamten Stromverbrauch mit 55 Prozent ebenfalls auf Rekordhöhe] – wobei | |
dieser Wert auch dadurch zustande kommt, dass der Stromverbrauch in den | |
vergangenen zehn Jahren um rund zehn Prozent gesunken ist. | |
3 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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