# taz.de -- Nachtcafé für Obdachlose: Störende Armut | |
> In der Samariterkirche muss nach 24 Jahren ein Obdachlosencafé wegen | |
> Beschwerden von Anwohnern schließen. Doch einige Nachbarn wehren sich. | |
Bild: Ein warmes Essen gegen die Kälte | |
Berlin taz | Der gelbe Weihnachtsstern blinkt in der Dunkelheit an der | |
Fassade der Samariterkirche in Friedrichshain. Der mit Bäumen umrandete | |
Platz vor der dem Gebäude lädt zum Verweilen ein. Tatsächlich ist die | |
Kirche bislang ein Raum für sehr unterschiedliche Menschen. Seit 24 Jahren | |
öffnet dort jeden Donnerstagnachmittag ein Nachtcafé für Menschen ohne | |
Obdach. | |
Sie bekommen dort ein warmes Essen und einen Schlafplatz auf Isomatten im | |
Gemeindesaal. Verabschiedet werden die Menschen dann am nächsten Morgen mit | |
einem Frühstück. Betrieben wird die Einrichtung von dem gemeinnützigen | |
Verein Obdach e. V. Bis zu 80 Menschen kommen zum Essen und etwa 20 nutzen | |
das Schlafplatzangebot. | |
Doch jetzt ist unklar, wie es mit dem Nachtcafé weitergeht. Zum 1. Januar | |
kann es sich nicht mehr in den Kirchenräumen treffen. Es habe viele | |
Beschwerden aus der Nachbarschaft über die Lautstärke und betrunkene | |
Personen in den Hausfluren gegeben, begründete die Pfarrerin der | |
Samariterkirche Jasmin El-Manhy gegenüber dem Tagesspiegel den Rausschmiss. | |
„Die Räume sollen nach einer Renovierung anderweitig genutzt werden und | |
nicht mehr für Obdachlose zur Verfügung stehen“, kündigte sie an. | |
„Für viele Menschen ist unser Nachtcafé seit Jahren ein wichtiger | |
Anlaufpunkt und entsprechend wird ein Wegfallen unseres Angebots zahlreiche | |
Menschen ungemein hart treffen, gerade jetzt in der kalten Zeit“, sagt das | |
Vorstandsmitglied von obDach? e.V. Rebecca Grawe. | |
## Kein Platz für Menschen ohne Geld | |
Auch in der Nachbarschaft sorgt das Aus des Angebots für Empörung, etwa bei | |
Susanne Reite. „Natürlich wird es lauter, wenn viele Menschen an einem Ort | |
zusammen sind. Doch das ist doch auch so, wenn ein Restaurant Tische und | |
Stühle auf die Straße stellt. Doch hier handelt es sich um arme Menschen, | |
die nicht konsumieren und die sollen dann einfach weg“, empört sich Reiter. | |
Nachbar Joachim Hilscher sagt: „Ich habe mich auch schon bei der | |
Kirchengemeinde über den Rauswurf beschwert.“ Er verweist darauf, dass in | |
die Gegend immer mehr wohlhabende Menschen in teurere Wohnungen ziehen. | |
„Die rufen dann schnell die Polizei, wenn ein Hausprojekt in der | |
Nachbarschaft eine Party feiert oder wenn linke Gruppen Plakate an die | |
Wände anbringen. Die wollen auch keinen Treffpunkt für arme Menschen in | |
ihrer Nähe“, sagt er. | |
Carsten Fuchs von der Stadtteilinitiative „Wir bleiben alle Friedrichshain“ | |
sieht die Kündigung als Teil der Verdrängung armer Menschen. „Der Kiez soll | |
fit gemacht werden für die Wohlhabenden und die, die wenig Geld haben, | |
sollen verschwinden.“ Um sich dagegen zu wehren, treffen sich | |
Anwohner*innen regelmäßig zum solidarischen Nachbarschaftstreff in der | |
Schreinerstraße 47. Der nächste Termin ist am 28. Januar um 19 Uhr. | |
26 Dec 2024 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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