| # taz.de -- taz-adventskalender „24 stunden“ (7): 7 Uhr in der Unterkunft | |
| > Schnell noch frühstücken, dann müssen die Gäste raus. Erst am Abend | |
| > dürfen sie wiederkommen. Mit St. Pius sind sie dennoch zufrieden. | |
| Bild: Wenigstens ein Dach über dem Kopf und ein Bett zum Schlafen | |
| Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend: | |
| Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns | |
| durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60 | |
| Minuten Berlin hinter unserem [1][taz-berlin-Kalendertürchen]. Heute: ab 7 | |
| Uhr in einer Obdachlosenunterkunft in Friedrichshain. | |
| Kurz vor sieben Uhr, es ist immer noch dunkel in Friedrichshain. Kalt | |
| sowieso, aber wenigstens hat der Regen aufgehört. Die Glocken der St. Pius | |
| Kirche in der Nähe des Strausberger Platzes läuten, ansonsten ist kaum | |
| etwas los auf den Straßen. | |
| Im Keller des mehrstöckigen Gemeindehauses nebenan gibt eine ehrenamtliche | |
| Mitarbeiterin Frühstück aus. Frisch gebrühter Kaffee, Crossaints, belegte | |
| Brötchen. Im hell beleuchteten Frühstückssaal sitzen ein halbes dutzend | |
| Gäste. Ein Mann cremt sich die Hände ein, ein anderer steckt ein Ladekabel | |
| in die Steckdose. Gespräche gibt es kaum. | |
| In einer knappen Stunde schließt die Unterkunft, dann müssen alle der 25 | |
| wohnungslosen Gäste, die in dieser Nacht hier Obdach gefunden haben, wieder | |
| auf die Straße. Abends ab 19 Uhr können sie wiederkommen, um 20 Uhr gibt es | |
| sogar Abendbrot. | |
| „Es gibt wenig zu kritisieren“, sagt ein Mann mittleren Alters, der eine | |
| Schiebermütze trägt und mit osteuropäischen Akzent spricht. Im Vergleich zu | |
| anderen Unterkünften sei St. Pius sehr angenehm. Statt Schlafsaal gäbe es | |
| abschließbare Viererzimmer, vor dem Haus sogar einige private Container, wo | |
| man allein schlafen könne. Auch das Essen sei gut. | |
| ## Plätze sind schnell vergeben | |
| Im Winter schlafe er regelmäßig in Notunterkünften. „Anders geht es nicht�… | |
| Das einzige Problem an Pius sei nur, hier einen Platz zu finden. Heute sei | |
| er erst um 9 Uhr gekommen, aber trotzdem war noch ein Platz frei „Ich hatte | |
| Glück“, sagt Dennis. | |
| Die Kältehilfe Saison startet im Oktober und geht bis Ende März. Dieses | |
| Jahr gibt es in Berlin insgesamt 1.000 Betten in Notunterkünften. Falls es | |
| zu kalt wird oder sie eine Pause brauchen, können Obdachlose Menschen | |
| unkompliziert eine warme Bleibe finden, allerdings nur bis zum morgen, dann | |
| schließt die Unterkunft. | |
| Auf die Frage, was er gleich machen wird, weicht Denis aus. „Jemand | |
| arbeitet, jemand genießt das Leben auf seine Weise, jemand sucht Hilfe“. | |
| Unter Menschen, die auf der Straße leben, haben Notunterkünfte oft einen | |
| schlechten Ruf. Riesige Schlafsääle, in denen sich kaum Ruhe finden lässt, | |
| das Risiko, beklaut zu werden oder sich mit ansteckenden Krankheiten zu | |
| infizieren. Und auch das Alkoholverbot schreckt viele suchtkranke Menschen | |
| ab, in Unterkünften zu übernachten. | |
| In St. Pius ist es sauber und ruhig. Wer will, kann auch mehrere Nächte am | |
| Stück bleiben und seine Sachen über den Tag dalassen. Erst wenn man zwei | |
| Nächte infolge fehlt, geht der Platz verloren. | |
| „Alkoholismus ist ein großes Problem.“, sagt Schwester Martha, die in der | |
| Unterkunft arbeitet. Manchmal kämen die Gäste so betrunken an, dass man sie | |
| noch ein paar Stunden spazieren schicken müsste. In der Unterkunft selbst | |
| herrscht ein strenges Alkoholverbot. „Sie geben sich Mühe“, sagt Schwester | |
| Marta. Aufgrund der Gemeinschaft im Haus würden viele Gäste stärker auf | |
| sich achten, weniger trinken und häufiger duschen. | |
| Viele der Gäste, die vor allem aus Polen, Rumänien und Bulgarien kommen, | |
| würden aber auch regelmäßig arbeiten gehen, sagt Schwester Martha. „Die | |
| Leute können hier eine gewisse Stabilität finden, das hilft dabei“. | |
| Es ist kurz vor acht, mittlerweile hell. Als letzter Gast verlässt Denis | |
| die Unterkunft, im Schlepptau einen Rollkoffer. | |
| 7 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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