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# taz.de -- taz-adventskalender „24 stunden“ (10): 10 Uhr im Street College
> Im Berliner Bildungsprojekt „Street College“ läuft so einiges anders als
> an Regelschulen. Vormittags wird hier gebastelt und gebüffelt – ohne
> Druck.
Bild: Kleines Päuschen nötig? Im Street College kein Problem
Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend:
Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns
durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60
Minuten Berlin hinter unserem [1][taz-berlin-Kalendertürchen]. Heute: ab 10
Uhr im Street College.
Um 10 Uhr morgens sind an den meisten Berliner Schulen schon zwei
Schulstunden ins Land gezogen. Die Glocke hat schon einige Male nervtötend
gebimmelt, langsam schlurfen die Jugendlichen aus der Pause in ihre
Klassenzimmer, quälen sich durch eine Doppelstunde Mathe. Im Street College
in der Kreuzberger Graefestraße hingegen fängt der Tag um 10 Uhr gerade
erst gemächlich an.
Ein paar Jugendliche haben sich schon im Gemeinschaftsraum im Untergeschoss
eingefunden und beratschlagen gerade, welche Kurse sie heute belegen
sollen. Zur Auswahl stehen einerseits klassische Schulfächer wie Englisch,
Mathe oder Politik. Andererseits gibt es auch Angebote wie:
Weihnachtsschmuck im Modeatelier basteln oder Musik im schallisolierten
Studio produzieren.
Das [2][Bildungsprojekt Street College] ist ein Gegenentwurf zu den
leistungsorientierten Regelschulen mit ihren großen Klassen, strengen
Regeln und straffen Zeitplänen, an denen so viele Kinder und Jugendliche
verzweifeln. Am Street College ist für alle Platz, die aus verschiedensten
Gründen nicht mehr auf der Regelschule sein wollen oder können, weil sie
zum Beispiel psychisch belastet sind oder Konzentrations- oder
Suchtprobleme haben.
Hier steht selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Lernen im Vordergrund:
Niemand wird gezwungen, frühmorgens zur ersten Stunde zu erscheinen, Noten
gibt es keine. Welche Kurse am Street College angeboten werden, hängt auch
von den Wünschen der Teilnehmenden ab. Neben Musikproduktion und Modedesign
zählen aktuell auch Töpfern, Zeichnen, Film, Gesang und Schauspiel zum
Kursangebot. Auf einer Magnettafel können die Studis die Optionen des Tages
ablesen.
## Schulstoff und Kreativität
Doch die Lernenden können auch hier Schritte auf dem Weg ins formalisierte
Berufsleben machen. An diesem Tag finden etwa mündliche Prüfungen für die
Berufsbildungsreife statt. Sieben Studierende haben dafür den klassischen
Schulstoff gebüffelt. Dozierende und Sozialarbeiter:innen helfen den
Prüflingen bei der Vorbereitung und beruhigen alle, die Prüfungsangst
haben.
Währenddessen sitzt Dozent Matze Wermke im Modeatelier zwischen
Plastikkisten voller Stoff und einigen halbbekleideten Schneiderbüsten mit
zwei Jugendlichen an einem Tisch. Sie basteln Weihnachtsdekoration für den
Weihnachtsbaum, der kurz vorher im Gemeinschaftsraum angeliefert wurde:
Sterne aus flauschigem Chenilledraht, zusammengeklebt mit Heißkleber.
Nebenbei werkelt Wermke an einer Pappkiste herum. Sie soll ein anonymer
Briefkasten für die Jugendlichen werden, in den bald Fragen zum Thema rund
um das Thema Sexualität wandern können: „Das Thema ist für viele
Jugendliche schambesetzt, deswegen können sie ihre Fragen jetzt einfach auf
einen Zettel schreiben“, sagt er. Fein säuberlich beschriftet er den Deckel
– „Sexualität“ –, dazu ein Pfeil neben den Deckelschlitz. Der
Street-College-Studi Mohammed schreibt die arabische Übersetzung darunter,
damit alle wissen, was gemeint ist.
Kreatives Arbeiten statt trockenem Schulstoff, miteinander scherzen statt
förmlichem Sie im Unterricht – ein Vormittag im Street College hat wenig
mit dem strengen Schulalltag zu tun. Statt schriller Schulglocke tönt aus
einem Lautsprecher Rolf Zuckowski: „In der Weihnachtsbäckerei, gibt es
manche Leckerei.“
10 Dec 2024
## LINKS
[1] /taz-Adventskalender/!t5732120
[2] https://streetcollege.de/
## AUTOREN
Katharina Wulff
## TAGS
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